Überrascht starrte Lelaenia auf die Häuser unter sich. Von allen drei Ländern war Noxēn das Land, das die meisten Ähnlichkeiten zur Erde hatte. Zumindest verriet ihr das der erste Anschein. Die Nyreanen lebten weder in Bergen noch in Bäumen. Es war zwar Nacht - etwas anderes war in Noxēn ja auch nicht möglich- aber es war keineswegs dunkel. Die zahlreichen Sterne am Himmel, die alle Nyreanen waren, ließen fast keine Dunkelheit mehr hindurch. Doch etwas anderes fiel Lelaenia sofort auf. Sie bemerkte, dass am Himmel drei Monde, die viel näher waren als der Mond zur Erde, dicht nebeneinander leuchteten. Fassungslos blinzelte sie mehrmals.
Manion sah zu ihr und schmunzelte. ,,Der Mond ganz links ist Nyrea, die erste Königin von Noxēn. Sie ist zwar damals als Stern gefallen, aber als Mond zurückgekehrt. Keiner weiß genau, warum. Einige behaupten jedoch, dass sich ihr Stern verwandelt hat." Er zuckte die Schultern und nickte dem mittleren Mond dann zu. ,,Noctia, die Tochter von Nyrea. Und als letztes unsere derzeitige Königin: Nyxia. Wenn ihre Seele eines Tages ihren Körper verlässt, wird sie dorthin kehren und für immer über uns wachen.", erklärte er und setzte zum Landen an. Fasziniert sah Lelaenia ein letztes Mal zu den drei Monden und landete dann ebenfalls.
Zitternd ließ Mávros den Kopf hängen. Besorgt stieg Lelaenia von ihm ab und strich ihm über den Rücken. ,,Hey, mein Großer.", flüsterte sie beunruhigt. Manion schüttelte den Kopf. ,,Er ist ein Penorus und Noxēn ist zu kalt für ihn. Er sollte lieber schnell nach Hause fliegen. Hier sollte er sich auf keinen Fall ausruhen." Lelaenia biss ihre Zähne fest zusammen und nickte bedauernd. Wer wusste schon, wann sie Mávros das nächste Mal wieder sehen könnte. Sie drückte einen Kuss auf seinen Hals und strich ein letztes Mal über sein Rücken, woraufhin er davonflog. Seufzend sah sie ihm hinterher. Er würde ihr schrecklich fehlen. Denn jetzt war sie vollkommen allein in dieser Welt.
Während sie zum Palast liefen, der in der Ferne zu erkennen war, fühlte Lelaenia ihre Beine kaum noch. Sie zitterte, ihr Kopf pochte und ihr Magen knurrte laut. Die Kälte ließ ihr blutverschmiertes Gesicht steif werden. Sie wollte nichts lieber als einfach nur zu schlafen.
Grübelnd sah Manion zu ihr. ,,Du siehst schrecklich aus. Unter anderen Umständen hätte ich dich so niemals zur Königin gelassen. Aber Befehl ist Befehl.", murmelte er und schüttelte den Kopf.
Lelaenia schnaubte. Als hätte sie sich freiwillig so verunreinigen lassen.Sie schritten an vielen kleinen, bescheidenen Häusern vorbei. Die Nyreanen sahen sie allesamt neugierig und verwundert an. Die meisten waren muskulös und sahen wie Krieger aus, die jeden Moment in die Schlacht ziehen könnten. Sie erinnerten Lelaenia sehr an die Dasmanten, die im Prinzip genauso aussahen. Die Nyreanen hatten bloß schwarze, weiße, silberne, blaue oder violette Haare. Und während die Dasmanten ihre lodernde Wut durch Flammen wiederspiegelten, zeigten die Nyreanen ihren blanken, jedoch ruhigen Hass durch das Eis, das sie erzeugen konnten.
Für einen kurzen Moment fragte Lelaenia sich, ob die Nyreanen denn so viel besser waren als die Dasmanten.
Als sie über eine glasklare Brücke gingen, die zum Palast führte, wurde Lelaenia allmählich argwöhnisch. Erneut fragte sie sich, warum die Königin sie so unbedingt sehen wollte. Und sie ermahnte sich selbst, ihren Hass auf die Königin zu kontrollieren und sie dazu zu bringen, den Zraonen im Krieg zu helfen.
Das Schloss schien komplett aus Eis zu bestehen. Die hohen Türme ragten bis zum Himmel. Fasziniert klappte ihr Mund auf. Ihre Finger kribbelten und beinahe wäre sie einfach stehen geblieben, um dieses Meisterwerk in ihrem Zeichenblock festzuhalten. Doch sie riss sich zusammen und lief schweigend weiter.
Manion nickte den Wachen am Eingang zu. ,,Die Königin befindet sich in der Bibliothek", fügte einer der beiden Wachen steif und emotionslos hinzu. Manion bedankte sich und führte Lelaenia durch die langen, leuchtenden Flure. Es war wunderschön hier. Wer auch immer dieses Schloss gebaut hatte, war ein wahrer Künstler gewesen.
Je weiter sie sich vom Eingang entfernten, desto mehr fürchtete Lelaenia sich. Wer wusste schon, ob sie nicht gerade ihrem Tod in die Arme lief? Vor einer breiten, großen Tür, die ebenfalls aus Eis bestand, blieben sie stehen. Prüfend sah Manion sie an. Er wollte etwas sagen, doch er überlegte es sich anders und öffnete stattdessen die Tür. Langsam legte er eine Hand an ihrem Rücken und führte sie in die größte Bibliothek, die sie je gesehen hatte.
Dadurch, dass der Rest des Palasts durch das Eis nicht wirklich farbenfroh war, wurde der Kontrast durch die verschiedensten Bücher bloß noch deutlicher. Die Regale, die links und rechts zu sehen waren, reichten bis zur Decke, sodass sie beinahe den ganzen, großen Raum füllten. Lediglich vor der Tür erstreckte sich ein langer, breiter Gehweg.
Doch als Lelaenia die Königin an einem Regal sah, vergaß sie die ganzen Bücher augenblicklich. Ihre nachtschwarzen Haare waren so lang, dass sie den Boden berührten. Sie verdeckten beinahe ihren ganzen Körper. Doch selbst ihr langes, schweres Kleid und die Robe auf ihren Schultern war schwarz.
Lächelnd stellte sie das Buch wieder in den Regal und drehte sich zu ihnen. ,,Hallo, Lelaenia.", sagte sie leise und doch erschien ihre Stimme so fest und kraftvoll, dass man sie nicht überhören konnte. Und da bemerkte Lelaenia ihre Augen. Im Gegensatz zu allen anderen Nyreanen befanden sich in ihren Augen keine Sterne, sondern der Mond, zu dem sie eines Tages zurückkehren würde. Es faszinierte und beängstigte Lelaenia zugleich.Ruckartig fällt Manion auf die Knie und verbeugt sich tief vor der Königin. ,,Eure Hoheit.", murmelte er, doch das brachte Lelaenia bloß zurück in die Wirklichkeit. Trotzig verschränkte sie die Arme. Sie dachte nicht einmal daran, auf die Knie zu gehen. Das schien Manion jedoch völlig egal zu sein, denn er ließ den Boden unter ihr zufrieren, sodass sie nicht anders konnte als auszurutschen und auf die Knie zu fallen.
,,Das wäre nicht nötig gewesen, Manion." Manion zog Lelaenia wieder auf die Füße und trat dann einen Schritt zurück. Sie blickte ihn kurz wütend an und drehte sich dann zur Königin.
,,Ihr wolltet mich sprechen?", fragte sie mit gehobenen Augenbrauen und die Verachtung in ihrer Stimme war fast schon zum Greifen nah.Nyxia schritt anmutig zu ihr und das Lächeln verließ ihre Lippen keine Sekunde lang. ,,Du empfindest sicher blanken Hass für mich. Dein Vater hat dir einige Dinge erzählt. Und sie sind alle wahr. Nun ja, zumindest kann ich dir versichern, dass er dich nicht angelogen hat. Denn er selbst kennt nicht die ganze Wahrheit."
Lelaenia sah sie wütend an, konnte jedoch ihre Neugier nicht verstecken. Also schwieg sie und ließ die Königin fortfahren.
,,Ich hab dich aus der perfekten Menschenwelt gezogen, ich habe dich mit einer Aufgabe beauftragt, die kein Wesen allein erledigen könnte. Ich habe dich nicht bei deinem Vater leben lassen.", zählte sie auf und für einen Bruchteil einer Sekunde brach ihr Lächeln. ,,Doch du solltest wissen, dass mir all dies nicht leicht gefallen ist. Denn ich habe wahrscheinlich das größte Opfer gebracht."Verwirrt starrte Lelaenia sie an. Was bitte hatte die Königin schon geopfert?
,,Denn ich übergab nicht nur ein neugeborenes Kind einer fremden Menschenfamilie. Ich übergab mein neugeborenes Kind einer fremden Menschenfamilie."~
Was will die Königin ihr wohl damit sagen und was wird Lelaenia noch alles von ihr erfahren?
Und was hält ihr von den Nyreanen und von Manion bisher? ^^
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Twin Stars
FantasíaPAUSIERT !!! Was wäre, wenn unsere Welt nicht die einzige ist und der Eingang zu einer anderen Welt auf einer einfachen Farm läge? Auf dem ersten Blick sieht vielleicht die neue Welt beinahe idyllisch aus, doch was passiert, wenn man bemerkt, dass d...