Noxēn:
Überall waren Flammen. Rote, riesige Flammen, die ganz Tría verschluckten. Lelaenia schwebte über Penoria und konnte nichts anderes tun als auf das brennende Land - Penoria, wie es einst hieß- zu starren. Sie versuchte einen lebenden Zraon zu finden. Einen einzigen! Doch sie fand nichts weiter als grausam zugerichtete, brennende Leichen. Lelaenias Augen brannten genauso wie die Leichen unter ihr. Sie wollte ihren Kopf wegdrehen - wollte nicht mehr sehen, wie sehr die Zraonen wohl gelitten haben bis sie endlich mit dem Tod von ihren Qualen befreit wurden. Doch sie schaffte es nicht. Sie schaffte es nicht sich zu bewegen.
Und so schwebte sie weiter bis sie das Land verließ. Als sie in Dasma ankam, dachte sie, dass es vorbei wäre, doch sie hatte sich geirrt. Aber sie sah nicht nur leblose Nyreanenkrieger, die sich stapelten, sondern auch sehr viele Dasmanten, die den Krieg nicht überlebt haben. Schreien wollte sie. Schreien und sich die Haare ausreißen. Sie wollte das nicht länger mit ansehen. Doch es entwich ihr kein einziger Ton. Wie ein längst vergessener Geist flog sie über all die Krieger, die sie nicht hatte retten können.
In der Ferne entdeckte die den schwarzen Palast aus Obsidian, auf den sie nun zu flog. Je näher sie ihm kam, desto lauter wurde das gequälte, hoffnungslose Weinen unter ihr. Es kam von den zahlreichen Sklaven, die gerade bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Die Dasmanten lachten amüsiert und rissen die Kleidung von den Nyreanen weg, damit das Feuer direkt ihre Haut verschlang.
Lelaenia wollte hinunter, ihr Schwert ziehen und kämpfen, doch sie blieb starr und flog direkt ins Herz des Palasts. Und als sie den Mann sah, der für all diese schreckliche Qual da draußen verantwortlich war, schien auch ihr Blut zu erstarren. Zufrieden stand Kydraen Blackfire an einem großen Fenster. ,,Wie schade es doch ist, dass sie sich nicht ergeben haben. So viel kostbares Blut musste fließen. Aber sie hatten es leider nicht anders gewollt." Seufzend wand er sich vom Fenster ab und hätte Lelaenia nun eigentlich sehen müssen, doch Lelaenia hatte mittlerweile verstanden, dass sie nicht wirklich da war.
,,Da Phase Eins endlich abgeschlossen ist, können wir endlich mit der zweiten Phase - der eigentlichen Phase - beginnen. Jetzt kommt endlich die Erde."
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Lelaenia und die Königin standen schweigend nebeneinander und starrten aus dem großen Fenster vor ihnen. Es kamen weitere Zraonen an - die vorletzte Gruppe. Bald müssten also auch Randon und Noryn ankommen.
,,Ein Botschafter hat mir gerade eine schreckliche Nachricht mitgeteilt.", fing Nyxia leise an. Ein unangenehmes Kribbeln breitete sich in ihrem Magen aus. Sie wagte es nicht, der Königin in die Augen zu sehen und wartete also stumm ab - das Schlimmste befürchtend.
,,Königin Driana ... ist tot" Lelaenia konnte ihren Ohren nicht trauen. Das konnte doch nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein.Ein tiefer Kummer lag in Nyxias Stimme, als sie fortfuhr. ,,Es ist auf der Hochzeit geschehen. Plötzlich ist sie ... umgefallen. Ganz plötzlich war sie nicht mehr da - ihre Seele schon längst auf dem Weg zu ihrer Großmutter Zrao." Ungläubig starrte sie die Königin an. ,,Plötzlich?"
Nyxia schüttelte den Kopf, den Blick auf die Zraonen gerichtet, die erschöpft den Weg ins Innere des Palasts suchten. ,,Ich weiß nicht, wie er das angestellt hat, aber es ist offensichtlich. Wenige Minuten nach der Zeremonie ist sie gestorben, gerade rechtzeitig, um die lang ersehnte Macht über Penoria zu erhalten." Ein eiskalter Schauer kroch ihren Rücken hinab.Kydraen Blackfire hat bereits gewonnen, dachte sie sich mit blankem Entsetzen. Sie haben keine Chance mehr, diesen Krieg zu gewinnen. ,,Und ... was bedeutet das nun für uns ?", hauchte Lelaenia sich vor der Antwort sträubend. ,,Das, mein Kind, bedeutet, dass der Krieg begonnen hat. Jetzt wird Kydraen sich nicht mehr zurückhalten. Er wird zuschlagen."
Lelaenia ballte ihre Hände zu Fäusten und versuchte nicht in Panik zu geraten. Doch ehe sie etwas erwidern konnte, sah sie aus dem Fenster plötzlich eine ganz besondere Person unter all den Zraonen. ,,Vater", hauchte sie von Glück erfüllt. Jack Manners.
Ohne weiteres lief sie zügig aus dem Saal die Treppen hinunter und fiel Jack Manners vor dem Palasttor in die Arme. Lächelnd drückte Jack seine Tochter fest an sich und gestatte es sich, kurz die Augen zu schließen und den Moment zu genießen. Er küsste ihren Scheitel und flüsterte:,, Dir geht es gut... oh Lelaenia ... es geschehen schreckliche Dinge. Sehr schreckliche Dinge."
,,Ich weiß", sagte sie verängstigt. ,,Ich weiß." Sie löste sich von ihm und sah ihn an. Seit ihrem letzten Treffen sah er deutlich älter aus, obwohl es nicht einmal lange her war. Tiefe Falten wiesen sich nun auf seiner Stirn auf und ein besorgter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, den er wahrscheinlich nicht mehr los bekam.
,,Lelaenia, Schatz.", rief eine weibliche Stimme neben ihr und Lelaenia lächelte breit, als sie Noryns Mutter Gania sah. Gemeinsam gingen sie dann hinein, doch als sie die Königin sahen, fielen sie alle abrupt auf die Knie. Nyxia lächelte die Zraonen kurz an, doch ihr Blick lastete größtenteils auf Jack Manners, der als einziger stehen blieb. Und in dem Moment konnte Lelaenia sich sehr gut denken, dass Jack Manners Bescheid wusste. Dass er genau wusste, wer damals vor achtzehn Jahren auf seiner Farm aufgetaucht war, um ein Kind mit ihm zu zeugen. Gania spürte anscheinend die Spannung zwischen ihnen. Also drückte sie kurz aufmunternd seine Hand und verschwand mit den anderen Zraonen und einigen nyreanischen Wächtern.
,,Ich denke, dass ich Euch eine Erklärung schulde, Jack Manners.", sagte sie mit gesenkten Augenlidern.
Verachtend starrte Jack sie an. Seine Hände zitterten vor kochend heißer Wut so sehr, dass Lelaenia beinahe nach ihnen gegriffen hätte. Stattdessen legte sie jedoch nur kurz eine Hand auf seine Schulter und machte auf den Absatz kehrt. ,,Nein!", hielt er sie dann jedoch auf. ,,Ich möchte, dass du dabei bist."Und so stand sie mit ihren leiblichen Eltern in einem Raum und hörte sich die Geschichte an, die Nyxia auch ihr bei ihrer Ankunft in Noxēn erzählt hatte. Und deshalb wusste sie genau, wie Jack sich fühlte. Konnte die Wut, das Entsetzen, das Gefühl, ausgenutzt und bloßgestellt zu werden, nachvollziehen.
Mittlerweile zitterte sein ganzer Körper und er atmete schwer. ,,Das- das gibt Euch noch lange nicht das Recht, mir nicht vorher etwas davon zu erzählen! Ich hätte es wissen sollen! Ich habe ein Recht darauf zu wissen, ob mit mir bewusst ein Kind gezeugt wird und mit wem! Aber mir wurde rein gar nichts erzählt. Und dann darf ich noch nicht einmal meine Tochter, mein Kind, das einzige Familienmitglied, das mir noch bleibt, bei mir behalten. So-so-" Jack verstummte und schüttelte wütend seinen Kopf.
Nyxia öffnete ihren Mund, um zu antworten, doch Jack unterbrach sie sofort. Lelaenia versteifte sich. Er unterbrach eine Königin. Das würde normalerweise schreckliche Folgen haben ...
,,Oh nein, Ihr seid vielleicht eine gute, loyale Königin, aber ein furchtbarer ..." Ihm schienen die Worte zu fehlen. ,,Mensch", spuckte er und stürmte aus dem Raum.
Die Königin von Noxēn starrte noch sehr lange auf die Tür und in ihren Augen lag so ein tiefgehender Schmerz, dass Lelaenia gar nicht anders konnte, als das erste Mal Mitleid mit ihrer Mutter zu haben und sie wusste, dass sie niemals an ihrer Stelle stehen wollte. Niemals Königin sein wollte.
Und so kam es, dass Lelaenia ihr einige Schritte näher kam, ihren Kopf senkte und zum ersten Mal vorsichtig, aber mitfühlend eine Hand auf ihre Schulter legte.
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Twin Stars
FantasyPAUSIERT !!! Was wäre, wenn unsere Welt nicht die einzige ist und der Eingang zu einer anderen Welt auf einer einfachen Farm läge? Auf dem ersten Blick sieht vielleicht die neue Welt beinahe idyllisch aus, doch was passiert, wenn man bemerkt, dass d...