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Lelaenia war an einem Baumstamm angelehnt und hatte ihren Zeichenblock in ihrem Schoß gelegt, während sie die Wärme des Feuers vor ihr genoss. Nachts wurde es hier immer etwas kälter. Randon hatte es irgendwie geschafft, ein Feuer anzuzünden, ohne jedoch den Boden darunter zu beschädigen.

Sie sah zu Noryn und Randon, die ebenfalls jeweils an einem Baum angelehnt waren. Nachdem Jack Manners wieder gegangen war, zu Noryns Mutter Gania wie er sagte, hatte niemand mehr sehr viel gesprochen. Das erste Mal, seit 18 Jahren, gab es wieder Tote. Doch sie alle drei wussten, dass Noryn am meisten litt. Es lag nicht nur an Sam, der auch zu den Opfern gehörte, sondern auch daran, dass allgemein drei Zraonen ums Leben gekommen waren, weil sie sich gewehrt hatten. Verbittert dachte Noryn sich, dass er wahrscheinlich viel zu feige dafür wäre.

Niemand würde es laut aussprechen, aber sie alle hatten furchtbare Angst. Niemand wusste, wie es weitergehen würde. Niemand wusste, wie viele noch sterben müssten. Aber es war allen klar, dass der Krieg kommen würde. Lelaenia seufzte leise und legte ihren Kopf in den Nacken. Ihre Augen konnte sie nur ganz schwer aufhalten, da die Ereignisse heute sie ermüdet hatten und sie all dies am liebsten so schnell wie möglich vergessen wollte.

,,War er, Sam, ein ...", fing Randon so leise an, dass seine Stimme ganz rau war und sie am Ende abbrach. Noryn starrte in die Flammen und nickte vorsichtig. ,,Das ... war nur ganz kurz. Danach bin ich ihm die meiste Zeit aus dem Weg gegangen. Ich ... habe ihn nicht geliebt, aber er war trotzdem sehr liebenswürdig.", erwiderte Noryn flüsternd und man hörte nur zu deutlich seine Schuldgefühle heraus. Krampfhaft hielt er seine Tränen zurück. Randon legte vorsichtig eine Hand auf seinem Oberarm, fühlte mit ihm. ,,Er ist jetzt ein Teil von Zrao am Himmel. Und ich bin mir sicher, dass Zrao auf ihn achten wird.", flüsterte er ebenfalls und konnte nicht bestreiten, dass auch er Schuldgefühle hatte, da die Mörder aus seinem Volk stammen. Und er als Prinz fühlte sich verantwortlich. Genauso wie Lelaenia, der vorhergesagt wurde, dass sie das alles ja verhindern sollte. Noryn lächelte Randon bedrückt an, sah dann zu Lelaenia, die ihm aufmunternd zu nickte, und sah dann nach oben zum Himmel. Der einzige Stern am Himmel, der Stern, der auf ewig Wärme in Penoria verbreiten sollte und nun ein Teil der ersten Königin von Penoria war, schien heute so hell, dass Randons Worte Noryn tatsächlich erleichterten.

Die nächsten Minuten verliefen so ruhig und entspannt, dass Lelaenias Augen beinahe komplett zufielen. Randons Hand lag immer noch auf Noryns Arm, was die beiden nicht so ganz zu bemerken schienen, Lelaenia jedoch zum Lächeln brachte. Sie alle wussten, dass sie eigentlich über den nächsten Tag sprechen sollten, da König Kydraen vor allen Zraonen etwas verkünden wollte. Doch niemand wollte den Augenblick zerstören, also beließen sie es dabei und verschoben es auf morgen früh.

Plötzlich griff Randon nach seiner Tasche, nahm die Krone mit dem roten Edelstein von seinem Kopf und verstaute dies. Dann kramte er ein relativ altes Buch heraus. Lelaenia konnte lediglich erkennen, dass der Titel in weißen Buchstaben eingraviert wurde. Buchstaben, die Lelaenia nicht lesen konnte. Neugierig öffnete sie ihre Augen ein Stück mehr. ,,Liest du viel?", fragte Noryn, ebenfalls von Neugier erfüllt. Randon nickte lächelnd. Noryn lehnte sich wieder zurück. ,,Meine Mutter hat mir als Kind immer abends vorgelesen. Und wenn ich mal bei meinem Vater war, hat er mir auch einige Bücher der Menschen vorgelesen. Ich finde es sehr beruhigend, jemandem einfach nur zuzuhören und selbst nichts tun zu müssen.", erklärte Noryn mit leiser Stimme. Randon schien zu verstehen, rückte unauffällig näher an Noryn und schlug das Buch auf. Lelaenia lächelte, nahm sich einen Bleistift und begann Noryn und Randon zu zeichnen, während sie Randons angenehm weicher Stimme zuhörte.

,,Die Entstehung Trías.", fing er an und räusperte sich einmal. ,,Vor langer, langer Zeit, als Tría noch ohne jegliche Lebewesen war, ist in Dasma, dem Land der zahlreichen Berge, ein Vulkan ausgebrochen, den wir heute als den Königspalast kennen. Die Legende besagt, dass das ganze Land von flüssigem Feuer bedeckt war. Und obwohl es so gut wie unmöglich war, enstand Leben. Lelaenia, die erste dasmantische Königin, erhob sich aus dem flüssigen Feuer, völlig unverletzt. Da sie so lange eins mit dem Feuer war, blieben die Flammen in ihren Augen auf ewig. Sie sorgte dafür, dass weiteres Leben aus dem glühenden Feuer entstehen konnte. Und so sind die Dasmanten entstanden, die bis heute noch immer gegen jegliches Feuer geschützt sind."

Noryn hatte die Augen geschlossen, doch hörte aufmerksam zu, was man an seinen spitzen Ohren erkennen konnte. Lelaenia hatte eine Gänsehaut und hörte kurz auf, zu zeichnen. Warum wurde sie nach der ersten Königin von Dasma benannt?

,,Einige Zeit später, als die Dasmanten schon einigermaßen ihr Reich aufgebaut hatten, entstand in Noxēn das erste Leben. Die Mitte Noxēns war bis zu dieser Zeit fast komplett unter Wasser. Doch eines Tages, so sagt es die Legende, fiel eins der größten Sterne vom Himmel in das weite Meer. Der Aufprall soll so heftig gewesen sein, dass das Wasser sich in ganz Noxēn verteilt hat. Und aus diesem Stern ist Nyrea, die erste Königin der Nyreanen entstanden. Mit ihrer Magie ließ sie dann alle restlichen Sterne ebenfalls regnen, wodurch die Nyreanen entstanden sind."

Lelaenia schluckte ehrfürchtig beim Gedanken eines Sternenregens. Sie konzentrierte sich weiter auf ihre Zeichnung. Dabei achtete sie darauf, ja jedes Detaill von Noryn und Randon zu zeichnen und die Bäume hinter ihnen und das Feuer vor ihnen nur leicht anzudeuten.

,,Und als letztes sind die Zraonen entstanden. Penoria bestand zu dieser Zeit ausschließlich aus diesem Wald. Die Bäume reichten aber bis zum Himmel, so gigantisch waren sie. Und aus einem Baum, welcher den einzigen Stern hier in Penoria berührte, entstand Zrao, die erste Königin der Zraonen. Sie half all den anderen Bäumen zu wachsen und ebenfalls den Stern zu berühren, sodass die ersten Zraonen geboren wurden."

Mit schweren Augenlidern klappte Lelaenia ihr Zeichenblock zu und schloss ihre Augen. Randon hatte eine so ruhige Stimme, dass man ihm den ganzen Tag zuhören konnte.

,,So entstanden in Tría unsere drei Königreiche: Dasma, Noxēn und Penoria. Alle drei Völker werden ihr Leben auf ewig den ersten drei Königinnen zu verdanken haben."

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Randon rüttelte Lelaenia am nächsten Tag wach und nickte ihr angespannt zu. Das Feuer war ausgegangen und Noryn hatte bereits alles vollständig eingepackt. ,,Gut, ihr beide müsst gleich zum Königsfeld. Ich kann leider nicht mit euch gehen, mein Vater erwartet mich an seiner Seite. Aber nach der Versammlung werde ich euch sofort aufsuchen. Noryn, kriegst du es hin, Lelaenias Haarfarbe für einige Stunden zu verändern? In grün, da auch ihre Augen grün sind, damit sie nicht auffällt. Nach deinem Auftritt beim Fest sucht man sicher nach dir.", erklärte Randon hektisch. Noryn nickte. ,,Das müsste ich schaffen."

,,Gut, erst danach werden wir wissen, wie wir weiter vorgehen müssen." Und somit pfiff Randon ganz laut, woraufhin sein Drache über ihnen erschien. An seinem Schweif kletterte er auf seinen Rücken und flog weg.

Noryn und Lelaenia sahen sich nervös an. Sie ahnten nichts Gutes.

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Was hält ihr von den drei ersten Königinnen? Denkt ihr, sie werden noch eine größere Bedeutung haben? :)
Im nächsten Kapitel ist es endlich so weit, der König wird etwas verkünden wollen. Was glaubt ihr ist es?

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