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Noxēn:

Erschöpft lehnte Lelaenia sich an die Wand, die aus Eis bestand und dementsprechend genau so kalt war. Ihre vom warmen Wasser nassen Haare schienen fast zu Eisklumpen zu gefrieren - so kalt war es im Palast. Seltsamerweise machte Lelaenia diese Kälte nicht viel aus. Vielleicht lag es ja daran, dass sie zum Teil eine Nyreanin war, dachte sie sich.

Müde zog sie ihre Knie an ihre Brust und sah sich ihr neues Zimmer genauer an. Bewundernd stellte sie fest, dass es keine Lampen im Palast gab, obwohl es in Noxēn nie hell wurde. Stattdessen leuchtete das Eis in einer angenehmen, blauen Farbe. Hier würde sie die nächste Zeit bis zum Krieg also leben, denn, wie erwartet, hatte Lelaenia sofort zugestimmt hierzubleiben, wie sehr sie ihr zu Hause auf der Erde auch vermisste. Sie wusste, dass sie niemals wieder in Ruhe leben könnte, wenn sie jetzt ginge.

Also würde sie sich hier zusammenreißen und mit allen anderen in den Krieg ziehen. Lelaenia schloss die Augen und hatte ein mulmiges Gefühl dabei. Und obwohl ihre Augen fast zu fielen, kramte sie ihren Zeichenblock heraus und schlug eine leere Seite auf. Sie war zu aufgewühlt, um jetzt zu schlafen.

Also zeichnete sie das, was ihr als erstes in den Sinn kam und was ihr sehr nahe ging. Und zwar wie Randon und Noryn sich aneinander festkrallten, als Manion gekommen war, um sie zu retten. Sie vermisste die beiden jetzt schon unglaublich sehr, aber es beruhigte sie, dass sie einander hatten.

Plötzlich hörte sie ein Räuspern an der Tür, weshalb sie erschrocken aufschaute. Manion schmunzelte und verschränkte seine Arme. ,,Du hast dich also von deiner blutverschmierten dreckigen Kleidung verabschiedet, wie ich sehe.", sagte er amüsiert, woraufhin Lelaenia bloß grinsen konnte. ,,Wie kommt es, dass du nicht auch plötzlich so förmlich mit mir sprichst wie alle anderen in diesem Palast?", fragte Lelaenia belustigt, aber insgeheim auch erleichtert. Es hatte sie unglaublich genervt, dass alle Nyreanen sie mit 'Eure Hoheit' ansprachen und sie wie eine Königin behandelten - zumal sie keine war. Und Manion schien sie auch nicht als eine zu sehen.

Da es ihr ziemlich unangenehm war, wie Manion vor ihr stand, klopfte sie ohne groß nachzudenken auf ihre linke Seite. Manion schien etwas verwirrt zu sein und zog eine Augenbraue in die Höhe, bevor er sich schulternzuckend neben ihr setzte, aber darauf achtete, dass ein angemessener Abstand zwischen ihnen war. ,,Nun ja, du bist ja im Grunde genommen auch noch keine Königin. Außerdem konnten wir beide uns ja schon vor dem Wissen, dass du die Thronfolgerin Noxēns bist, kennenlernen.", erklärte er und zuckte seine Schultern während er mit einem Dolch spielte, was er aber nicht wirklich wahrzunehmen schien.

Schaudernd sah Lelaenia ihm dabei zu. Mit seinen nachtblauen, langen Haaren und dem Dolch sah er aus wie der Tod höchstpersönlich - herausgekommen aus den dunklen Schatten des Todes.
,,Um ehrlich zu sein möchte ich nicht einmal Königin werden. Allein die Vorstellung ist ... bizarr.", gab sie murmelnd zu. Manion räusperte sich und sah sie dann an. ,,Nun ja, da du sterblich bist, wirst du - wenn überhaupt - nur einige Jahre das Land regieren müssen."

Lelaenia musterte ihn überrascht. Er hatte eine merkwürdige Art und Weise, andere aufzumuntern. Noch seltsamer war es aber, dass eben diese Art und Weise ihren Zweck erfüllte.

Manions Blick fiel auf ihren Zeichenblock und er starrte so lange darauf, dass es ihr unangenehm wurde und sie es zur Seite legte, woraufhin Manion ihr nun in die Augen starrte. ,,Die ... Königin hat mich beauftragt, dir das Kämpfen für den Krieg beizubringen.", sagte er betont sachlich. Er schien noch etwas anderes sagen zu wollen, überlegte es sich jedoch anders und schwieg.
Lelaenia hatte bemerkt, dass er Nyxia nicht 'deine Mutter' nannte. Vielleicht um rücksichtsvoll zu sein, aber auch vielleicht, weil er es selbst noch nicht ganz glauben konnte.

,,Oh, mein Freund Randon hat mir schon einige Methoden gezeigt.", erklärte Lelaenia, unterbrach sich jedoch, als Manion den Kopf schüttelte. ,,Ich bin mir sicher, dass Prinz Randon dir einige nützliche Ratschläge geben konnte, aber das wird nicht reichen.", sagte er und sah sie dann wieder an. ,,Die Königin hat mich beauftragt, dir zu zeigen, wie du mit deiner Magie umgehen kannst. Wie du deine Magie als Waffe einsetzen kannst."

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Lelaenia wurde nicht gerade sanft aus dem Schlaf geweckt, wie sie sich es gerne nach einem harten Tag gewünscht hätte. Nein, stattdessen wurde ihr Kopf hin- und hergedreht. ,,Oh, bei allen Reichen Trías! Ich glaube, dass ich sie umgebracht habe. Menschen scheinen aber sehr zerbrechlich zu sein ... Wie soll ich das bloß der Königin erklären?", sagte eine verzweifelte Stimme panisch, woraufhin Lelaenia erneut gerüttelt wurde. ,,Wach auf!", befahl die eindeutig weibliche Stimme weinerlich.

Lelaenia riss ihre Augen auf und setzte sich ruckartig auf. Sie bemerkte zu spät, dass der Kopf der Person, die sie aufgeweckt hatte, genau über ihrem schwebte und so stieß sie hart gegen ihren Kopf. Beide stöhnten auf vor Schmerzen und fuhren schnell auseinander. Müde rieb Lelaenia sich den Kopf und starrte die Nyreanin vor ihr verstört an. ,,Was zur Hölle ...", nuschelte sie verwirrt und blickte das Mädchen nun genauer an.

Die Nyreanin hatte mondweiße, lange Haare, die sie sich zu einem hohen Zopf und zwei weiteren, niedrigeren Zöpfen geflochten hatte. Sie hatte eher weiche Züge und der Stern in ihren Augen leuchtete in einem warmen Gelbton. Verwundert legte sie ihren Kopf auf die Seite. Die Magie, die in Tría herrschte und Lelaenias menschliche Sprache anpasste, konnte wohl mit dem Wort 'Hölle' nichts anfangen und es somit auch nicht übersetzen.

,,Oh, entschuldige! Ich hatte befürchtet, dich ausversehen getötet zu haben.", lachte sie, wobei sich kleine Fältchen neben ihren Augen bildeten. ,,Mein Name ist Adeia und du musst Lelaenia sein." Sie grinste breit und ihre Augen funkelten - wortwörtlich.

Misstrauisch legte Lelaenia die Decke zur Seite und nickte. ,,Ich bin lebendiger als jemals zuvor.", murmelte sie leise zu sich und sah dann wieder zu Adeia.
,,Meine Mayestät hat befohlen, dir die Stadt und das Schloss zu zeigen. Manion ist sehr oft beschäftigt, deshalb werde ich das tun, Prinzessin." Adeia kicherte bei der Wortwahl, während Lelaenia bloß hoffte, dass sie sie nie wieder so nennen würde, und drängte sie dann dazu aufzustehen. ,,Na los! Manion möchte am Ende des Tages noch mit dem Training anfangen, also haben wir nicht viel Zeit!", sagte sie hektisch und steckte ihren Kopf in den schwarzen Kleiderschrank, der sich in der Ecke des Zimmers neben dem Schreibtisch befand.

,,Aber erst musst du etwas Gescheites anziehen, Thronfolgerin."

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