CHAT 16

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Jungkook starrte regungslos auf das Display seines - oder eher Jimins - Mobiltelefons, bis es auf Standby schaltete und sich somit schwarz färbte. Nun blickte er sich selber unverfroren entgegen, mit den tief schwarzen Rehäuglein, den vollen rosa Lippen und den vergleichsweise großen Vorderzähnen. Seine Spiegelung besaß tatsächlich die Dreistigkeit, seinem Blick standzuhalten.

Und ein weiteres Mal musste er nach seinem Gesicht fassen, über seine eigene Wange fahren, während die Spiegelung auf dem dunklen Handybildschirm es ihm gleich tat. War das wirklich er? Alles sprach dafür, doch noch immer fühlte er sich fremd in seinem eigenen Körper. Es war, als würde er in einem bösen Traum verweilen und verzweifelt auf dessen Ende hoffen; auf den Moment, an dem er in einem kuschelig weichen Bett aufwachen und alles als Albtraum abtun durfte.

Doch irgendetwas sagte ihm, dass dieser Moment nie kommen würde.

Nein, dies war harte Realität. Sollte er bisher auch nur den geringsten Hoffnungsschimmer zu seiner Identität in sich getragen haben, so war dieser durch Taehyungs Nachrichten mit einem Mal in abertausend Scherben zerbrochen, die sich nie wieder zusammenfügen lassen würden.

Das Handy in seiner zitternden Hand vibrierte, gab so weitere einkommende Nachrichten bekannt. Doch Jungkook war viel zu sehr mit seinem Aussehen beschäftigt. Denn während die Worte Taehyungs in seinem Kopf herumgeisterten, breitete sich mit jeder Sekunde, in der er seinem Spiegelbild entgegenblicken musste, etwas mehr Panik in ihm aus.

Er hatte die Galerien schon früher durchforstet. Er hatte schon damals die Bilder von sich bemerkt... doch er hatte gelogen. Jungkook hatte vorgegeben, nichts Verdächtiges in der Galerie gefunden zu haben; dabei war er wohl das Verdächtigste. Er hatte vorgegeben, Jimin nicht zu kennen, doch die Bilder bewiesen das Gegenteil. Hatten schon von Anfang an das Gegenteil bewiesen. Er hatte verdammt nochmal vorgegeben, seinen Namen nicht zu wissen, obschon er die Beschriftung des Bildes bereits seit Tag eins kannte.

So ein Lügner. Das war er; ein Lügner. Ein schlechter Mensch dazu, vermutlich ein Verbrecher.

Mit einem vehementen Kopfschütteln ließ er das Handy fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Er war so feige. So unfassbar feige und dumm. Zu lügen, obwohl er die Reue und das schlechte Gewissen nicht ertragen konnte, obschon ihm die Schuld schon tonnenschwer in der Brust wog.

Taehyung hatte so recht; Jungkook war kein Mensch, der so etwas ertragen konnte. Er hatte so unfassbar recht gehabt und war absolut ahnungslos über Jungkooks Lügen. Die Lügen eines jungen Mannes, der nicht mal wusste, wer er war.

„Es tut mir leid", war sein heiseres Flüstern aus den Gassen Seouls zu vernehmen, ehe es in seinem Schluchzen unterging. „Es tut mir so unglaublich leid...!"

Remember me ♛ VKook「50% Texting」 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt