In Taehyungs Kopf verdichtete sich ein Nebel der Konfusion sowie purer Panik, als ihn seine Beine träge und taub zum Operationssaal trugen.
Das rechteckige Signal über den Glastüren leuchtete in einem ominösen rot, brannte sich in jenem Augenblick in sein Gehirn wie das Meißeln eines peniblen Künstlers. Und plötzlich hatte ihn all seine Hektik verlassen. Er fühlte sich leer, schwerelos, als hätte ihn sein Scharfsinn im Bruchteil der Sekunde unangekündigt verlassen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er nahe genug an den Saal trat und die hektischen Bewegungen der Schatten durch das milchige Glas ausmachte. All die Aufregung perlte an ihm ab wie kalter Nachtregen, ließ ihn zurück mit einem unerträglichen Gefühl der Hilflosigkeit.
Sein in Watte gehüllter Kopf registrierte die Stimmen um ihn herum nicht im Geringsten. Die ganze Welt... schien plötzlich in Zeitlupe zu verlaufen. Die Zeit betrog ihn, lief langsamer als bisher gewohnt – und machte ihn damit schlichtweg verrückt.
„Nein", flüsterte er in die eigens erschaffene Stille seiner selbst. „Nicht nochmal... ich habe genug..."
Als er sich kraftlos auf die Knie fallen ließ, kullerte eine einzelne Träne seine Wange entlang, ehe sie sich an seinem Kinn löste und zu Boden glitt.
Was war das? Was sollte das?! Wieso... wieso um Gottes Willen nahm ihm diese Welt alles weg? Wieso wurde er stets allem entrissen, was ihm von Wichtigkeit war, ihm etwas bedeutete – viel bedeutete? Hatte er... denn nicht schon genug gelitten, in der kurzen Zeit?
Er ließ seinen Kopf in den Nacken fallen, starrte hinauf zur strahlend weißen Decke des Krankenhausflures und schloss dann die Augen. Seine Eltern... Jimin... und Jungkook. Ein zweites Mal Jungkook. Aber diesmal, ja, diesmal war es grausamer denn je; denn hatte er damals noch Hoffnungen hegen können, so waren diese nun allesamt gänzlich erloschen. Er konnte sich noch genaustens daran erinnern, wie ihn die Unklarheit über Jungkook schlichtweg verrückt gemacht hatte, nachts mit seinen Träumen spielte... doch nun wünschte er sich diese Unwissenheit zurück. Er wünschte sich tatsächlich, nichts mehr zu wissen. Gar nichts.
Mit einem Ruck senkte er seinen Kopf nach vorne, beugte sich über die polierten Fliesen und krallte sich mit seinen Fingern in deren Einkerbungen.
„Officer Kim?", erkundigte sich plötzlich eine ihm seit kurzem bekannte Stimme. Durch das Telefon hatte er nicht ganz so sanft und unsicher geklungen, doch es handelte sich dennoch ganz offensichtlich um diesen Arzt. Wie hieß er noch gleich? Taehyung blickte in seiner Verzweiflung zu ihm hoch.
„Dr. Kang", beantwortete dieser seine unausgesprochene Frage und hielt ihm eine helfende Hand hin. „Kang Chul, seit sechs Jahren der Unfallchirurgie zugeteilt. Freut mich, Officer Kim."
Taehyung machte keine Anstalten, seine Hand zu ergreifen und mit einem konfusen Blick kniete sich dieser neben ihn und umfasste sein Handgelenk. „... ihr Puls ist etwas aufgewühlt. Geht es Ihnen nicht gut, Officer Kim? Soll ich Ihnen Beruhigungstabletten verschreiben?"
Taehyung schüttelte den Kopf und befreite sich vom Griff des besorgten Arztes.
„Ich frage mich, was Sie hier suchen..."
Der junge Polizist drehte sein Gesicht langsam in die Richtung des Arztes und verankerte somit ihre Blicke, bemerkte jedoch gleichzeitig die Verwirrung bei Dr. Kang, die er mit jeder verstreichenden Sekunde zu widerspiegeln begann. Irgendwie verstand er die Frage nicht ganz.
„Was ich hier suche?", wiederholte er also mit einem sarkastischen Unterton und zog die Brauen zusammen. Noch ehe der schwarzhaarige Arzt antworten konnte, wandte Taehyung mit einem spöttischen Lachen sein Gesicht wieder von ihm ab. „Was ich hier suche, verdammt..."
„Kennen Sie den Mann?", fragte Dr. Kang nun umso verwirrter und drehte seinen Kopf zum milchigen Glas des Operationssaales. „Er war schon länger unserer Kardiologie zugeordnet und-"
„Warten Sie – was?"
„In seinem Alter sind Herzerkrankungen leider keine Seltenheit, Officer Kim", meinte Dr. Kang bedauernd, mit dem kühlen Unterton eines gebildeten Doktors und erhob sich dann vom Boden, klopfte den Staub vom Kniebereich seiner schwarzen Trouser ab.
Taehyung stand ebenfalls auf.
„Mit 19?", hackte Taehyung nach.
„19?", fragte der junge Arzt und warf Taehyung einen Blick zu, als hätte dieser nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Ich bitte Sie, Officer Kim, dieser Mann ist älter als Sie und ich zusammen."
Und Dr. Kang erschrak, als ihn Taehyung plötzlich am Kragen packte und gegen die Wand des Krankenhausflures drückte. „Was?!", fragte der junge Polizist mit einer Spur der Ungläubigkeit in seiner Stimme. „Das ist nicht Jungkook? Jeon Jungkook?"
„Der mit dem Handy?", fragte der Arzt nun dümmlich und zeigte Anzeichen von Überforderung mit der Situation, indem seine Hände unbestimmt vom seinem Hals zu Taehyungs Schulter und wieder zurück glitten. „Nein, der Junge war wie viele andere hier auch zur falschen Zeit am falschen Ort und Opfer eines Verkehrsunfalles. Er-"
„Wo ist er, verdammte Scheiße?", meinte Taehyung nun und verstärkte seinen Griff. „Reden Sie nicht so bescheuert um den heißen Brei herum und sagen Sie mir endlich, wo ich ihn finde!" Mit einer Hand ließ er von dem jungen Arzt ab und zog seine Marke hervor, die er seinem Gegenüber hektisch unter die Nase hielt. „Sofort!"
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Remember me ♛ VKook「50% Texting」
FanficKim Taehyung Ich vertraue dir nicht. Kim Taehyung Aber deswegen bist du noch lange kein schlechter Mensch. Unbekannter Bist du dir da wirklich so sicher? Kim Taehyung ? Wenn zwischen Mord und Totschlag Freundschaften entstehen, die eigentlich als Fe...