Remember me ♛ VKook「50% Texting」

CHAT 25

Mit der Zeit begriff Taehyung, dass er Jungkook um keinerlei Fachkompetenzen belehren konnte - sein Junior Partner wusste schon zu genüge, hatte eine hervorragende Kombinationsgabe sowie ein scharfsinniges Gespür. Seine nervöse Art und leichte Schüchternheit verschleierten seine Begabung lediglich; sorgten dafür, dass man seine Fähigkeiten nicht erkannte und schlichtweg übersah. So nicht das Hauptquartier. Deswegen wurde er wohl zur Spezialeinheit befördert, war anzunehmen.

Jedoch bedeutete dies nicht, dass Jungkook nichts von Taehyung lernen konnte.

So fielen dem Älteren einige Kritikpunkte auf, die man aufgreifen und an denen man feilen könnte.

Ein kleiner Kritikpunkt waren beispielsweise die Sozialkompetenzen gewesen; Jungkook wirkte oftmals als Polizist nervöser als der Beschuldigte selbst - und bis zum Schluss hatte Taehyung nicht viel daran ändern können. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Wie gerne hätte er sich damals anders aufgeführt... doch dies war eine andere Geschichte. Zurück zur Nervosität. Oftmals dachte Taehyung sich, der Jüngere sei einfach noch nicht seelisch sattelfest in seinem Beruf; doch mit den Wochen, die verstrichen, hatte er feststellen müssen, dass es eher an seiner Aufregung lag. Die Gedankengänge von Jungkook waren wirr und kompliziert, so schnell wie Blitz und Donner, die in seinem Dickschädel grollten. Schwer nachvollziehbar für Außenstehende, zumal er sie nicht wirklich deutlich übermitteln konnte.

Sein brillanter Einfall im Fall der Brandleichen war nur eines der unzähligen Beispiele gewesen.

Jungkook war äußerst intelligent und begabt, doch es war nicht selten gewesen, dass sich zwischen den beiden eine seltsame Stille ausgebreitet hatte, so vertieft war er manchmal in seinen Gedanken. Es kam durchaus schon vor, dass Taehyung mit ihm zwar gesprochen, Jungkook ihn jedoch nicht einmal bemerkt hatte.

Kleine Details, an denen er mit seinem Partner arbeiten wollte. Mit der Zeit würde das schon werden.

Doch in den letzten Wochen, bevor sein Junior Partner die Fliege gemacht hatte...

„Verdammt!", fluchte Jungkook und trat gegen den nächstbesten Plastikmülleimer im Büro. Gefolgt von Taehyung hatte er gerade erst die Verwaltungsräume der Polizei betreten, und schon allerlei Augenpaare auf sich gezogen. Sein ruhiger Partner, wie er eben war, blieb lediglich stehen und beobachtete den Jüngeren mit einer skeptisch hochgezogenen Braue.

Sie beide waren klitschnass vom Regen, noch immer in ihrer triefenden Uniform. Sie waren gerade am Tatort der neusten Brandleiche gewesen, dem letzten Opfer des Serienmörders, dessen Blutdurst wohl nie gestillt sein würde. Und auch, wenn Taehyung nicht selten ebenfalls solche Anfälle gehabt hatte und somit das Verständnis dafür in sich trug, so passte diese Reaktion nicht mit seinem mittlerweile recht deutlichen Bild von Jungkook überein. Besagter schlug mit der Faust auf eine der grauen Bürotischplatten, sodass der Bildschirm darauf gefährlich wackelte, ehe er seine Zähne fletschte und die Augenlider zusammenkniff.

„Kleiner", fing Taehyung also an und näherte sich dem Jüngeren. Das Verhältnis zwischen den beiden war mit der Zeit so eng geworden, dass sie jeden noch so absurden Gedanken teilten und jede noch so kurze Pause miteinander verbrachten. Man nannte sie mittlerweile gar das Duo-Pack oder Dreamteam, da sie selbst in Sonderfällen immer nur im Doppelpack anzutreffen waren; als das stärkste Team der Spezialeinheit. „Normalerweise bin ich der, der ausrastet - das passt nicht zu dir."

„Wir hätten es verhindern können", flüsterte Jungkook daraufhin lediglich und raufte sich die Haare. Die Sache mit Jungkook war, dass er einer der größten Moralapostel schlechthin sein konnte, nur leider dachte er in solchen Fällen oftmals mehr mit dem Herzen als mit dem Kopf. Und das war gefährlich, wenn man beides zu genüge besaß.

„Hör zu-", versuchte es der Ältere also weiter, doch Jungkook blockte ab.

„Nein", erwiderte der Jüngere nahezu sofort, und selbst wenn es nichts Neues war, dass er seinem älteren Partner widersprach, so zog sich Taehyungs Brust dennoch mit einem Mal zusammen. Noch nie hatte er den Jüngeren so verzweifelt gesehen, noch nie hatte er so viel Schmerz in seinen Augen ausmachen können. Jungkook war sehr nervös, aber üblicher Weise nicht impulsiv oder gereizt. Sein Temperament hatte sich bisher in Grenzen gehalten - vielleicht war er mal wieder aufgeregt gewesen, weil er einen weiteren Einfall hatte, doch ansonsten war seine Ader nahezu autistisch ausgelegt. Ungeschickt mit Gefühlen, obwohl er durchaus deutlich ausgeprägte aufwies, und nicht gerade stark in Sachen Kommunikation.

„Wir hätten schneller sein müssen - es war wie immer; jemand, der Seoul verlassen wollte. Zugeschlagen wurde wie immer kurz vor angesagtem Regen, und die Leiche wurde in der Nähe eines Flusses aufgefunden", zischte Jungkook und atmete tief ein und aus. „Das Muster hat sich kein Bisschen verändert, und trotzdem kommen wir der Sache keinen Deut näher!"

„Du weißt, das stimmt nicht", erwiderte Taehyung streng und stemmte eine Hand an seiner Hüfte ab. „Wir haben das Opfer identifizieren können, bevor die Leiche gefunden wurde. Das ist ein deutlicher Fortschritt, Jungkook. Kühle deinen Kopf ab und-"

„Nein, ist es nicht!", unterbrach der Jüngere ihn erneut. Er stand Taehyung gegenüber, als stünde vor ihm nicht sein älterer und somit erfahrener Partner, sondern ein einsichtsloser Gegner; die Augenbrauen zusammengezogen, die Züge vor Wut strotzend. Einige der Bürodamen tauschten verwirrte Blicke aus, beobachteten das Schauspiel, ehe sie sich stillschweigend dazu entschlossen, den Raum kurzzeitig zu verlassen. Auf Taehyungs Blick und Gestik hin, wohl bemerkt.

Jungkook stöhnte daraufhin frustriert auf und stemmte sich mit beiden Armen auf die Tischkante.

Taehyung schluckte jegliche Bemerkungen hinunter und setzte fort.

„Das nächste Opfer werden wir vorher-"

Und wieder unterbrochen - jetzt reichte es allmählich.

„Es sollte gar kein nächstes geben!", erwiderte Jungkook laut und wollte zurückweichen, als ihn Taehyung urplötzlich in den Polizeigriff nahm und den Jüngeren seine Arme verrenkend gegen die Wand vor ihnen presste. Und ganz gleich, wie sehr er sich wandte und sträubte, dessen eisernem Polizeigriff konnte er sich nicht entreißen.

„Beruhige dich, verdammt nochmal", befahl ihm Teahyung streng, „Was zur Hölle ist denn heute bitte los mit dir?"

„Du verstehst nicht", erwiderte Jungkook leise, nahezu wimmernd. „Wir hätten es diesmal aufhalten sollen - hätten wir es diesmal aufgehalten, gäbe es kein nächstes Mal!"

Im selben Moment platzte ihr Boss mit seiner gänzlichen Autorität in den Raum und Taehyung ließ abrupt von dem Jüngerem ab, die Reue in Gang setzend, nie nachgehakt zu haben. Immer wieder warf er dem Jüngeren einen prüfenden Blick zu, wissend, dass er seine Gedankengänge wieder einmal nicht zu erläutern gewusst hatte, ein Missverständnis entstanden sein musste.

Vielleicht war das eine Fährte gewesen – und Taehyung hatte sie übersehen.