Chapter 29

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"Sag mir, was Mrs. Niviria mit dir besprochen hat, als sie alleine mit dir reden wollte."

Ich sah mit an, wie sich Aiden's Armmuskeln sich immer wieder anspannten und daraufhin sofort wieder entspannten, während er seinen Kiefer zusammenpresste.

Er mied den Augenkontakt mit mir und hielt seinen Blick aus dem Fenster gerichtet, sodass ich nur sein Profil sehen konnte.

Mit seinen Händen umklammerte er die Tischkante jeweils neben seinem Körper, wobei seine Knöchel schon weiß anliefen.

Ich wusste, dass er es mir nicht sagen wollte und mit sich selber rang.

Als er nach einer guten Minute immer noch nicht mit der Sprache rausrückte und aus dem Fenster starrte, schnaubte ich empört auf, sodass sein Blick auf mich flog.

Seine Augen waren dunkel. Beinahe schwarz.

"Ich hab keinen Bock mehr auf den Scheiß hier Aiden. Wenn du mir endlich sagen willst, was passiert ist, dann findest du mich in der Bibliothek. Bis dahin, geh mir aus den Augen.", sagte ich wütend, drehte mich um und öffnete die Tür.

"Geh nicht.", hörte ich ihn hinter mir knurren und ließ die Tür wieder ins Schloss fallen. Langsam drehte ich mich um.

Er war aufgestanden und stand nur noch einen knappen Meter von mir entfernt.

In seinem Gesicht spielte sich Wut und Verzweiflung ab.

Und bevor ich auch nur ansatzweise hätte reagieren können, hatte er meinen Kopf mit seinen großen Händen umfasst und seine Lippen für einen kurzen Augenblick auf meine gedrückt.

Ich wollte gerade den Kuss erwidern und meine Hände über seine legen, da hatte er sich schon wieder von mir gelöst.

"Fuck!", stieß er wütend hervor und fuhr mit seiner Hand durch seine braunen Haare.

An meinem Fenster, mit dem Rücken zu mir gedreht und den Blick nach draußen gerichtet, blieb er stehen und begann zu erzählen.

"Sie hat damit angefangen mich auszufragen. Ich bin still geblieben, weil ich ziemlich überfordert war zu dem Zeitpunkt. Sie wollte, dass ich ihr deine Flügel beschreibe, wie sie aussehen, wie sie sich anfühlen, ob sie sich unterscheiden, wie groß sie sind und noch mehr. Bei so vielen Fragen hatte ich gar nicht die Möglichkeit zu antworten und sie meinte, dass ich einfach alles aufschreiben soll. Außerdem hat sie nach besonderen Fähigkeiten gefragt.

Sie war total durch den Wind. Ich hab sie noch nie so wissengierig und aufgebracht erlebt.

Als ich gefragt hat, wozu sie diese Informationen haben will, meinte sie nur harsch, dass sie es dem Palast zukommen lassen müsste. Ab da an wurde ich misstrauisch. Oben im Himmel weiß man, wie die Halbblüter aussehen. Nur hat jeder von ihnen individuelle Fähigkeiten. Ich wusste nicht ob ich ihr glauben konnte oder nicht. Ich hatte plötzlich so ein seltsames Gefühl dabei, mit ihr alleine in diesem kleinen Raum zu sein.

Also hab ich gelogen.

Ich meinte, dass es anfangs extrem schwierig ist seine Flügel zu entfalten und dass es manchmal tagelange Übung erfordert, um es das erste Mal hinzubekommen. Zum Glück hat sie kein weiteres Wissen in dem Bereich und hat mir geglaubt. Dass du dich längst verwandelt und sogar schon geflogen bist, habe ich mit keinem Wort erwähnt.

Sie wurde plötzlich total aufgebracht und hat die ganze Zeit gesagt, dass wir keine Zeit haben und dich sofort losschicken müssen.

Zum Glück konnte ich ihr einreden, dass du Zeit brauchst, um dich vorzubereiten und das dauern kann. Als ich ihr sagen wollte, dass es ja noch die anderen zwei Halbblüter gäbe, hat sie mich sofort unterbrochen und gesagt, dass wir jeden Versuch starten müssen, um an die goldene Feder zu kommen.

Irgendwas war anders. Sie war bis jetzt immer der ruhige und überdachte Typ und jetzt das genaue Gegenteil.

Zum Schluss hat sie noch gesagt, dass sie die Botschaft über Taylor weiterleiten würde und dann bin ich einfach rausgegangen.

Seitdem wir dich gefunden haben läuft hier so einiges anders als vorher und ich hab das Gefühl, dass nicht alles davon so geplant ist.

Erst die Sache mit Jamie, dass er plötzlich im tobenden Meer aufwacht und fast stirbt, das Gleiche mit dir und dann ihr komisches Verhalten.

Das Sicherste wäre, wenn du zunächst versuchst ihr aus dem Weg zu gehen, bis ich herausgefunden habe, was hier gerade abläuft."

Tief atmete ich durch und versuchte die ganzen neuen Informationen zu verarbeiten.

Okay also zusammengefasst wollte Mrs. Niviria alles über mich wissen, war aufeinmal wie ausgewechselt und will mich sofort losschicken, um nach der goldenen Feder zu suchen? Alleine?

"M-Muss ich jetzt wirklich bald gehen um diese Feder zu suchen?", sprach ich ein wenig ängstlich meine Gedanken aus.

Aiden drehte sich zu mir und kam mich langsamen Schritten auf mich zu. Seine Hände legte er seitlich an meine Schulter und sah eindringlich auf mich herab.

"Nein, das werde ich nicht zulassen. Die Suche ist gefährlich. So viele sind schon gegangen und nicht wiedergekommen. Ich weißt, es ist vielleicht nicht die richtige Entscheidung, aber ich kann nicht zulassen, dass dir etwas passiert. Die beiden anderen Halbblüter werden wohlmöglich bald beginnen, danach sehen wir weiter. Vielleicht haben sie ja Erfolg und du musst dein Leben nicht mehr dafür riskieren.", sagte er beruhigend und doch konnte ich die leichte Verzweiflung in seinen Augen erkennen.

Er wusste auch nicht, was jetzt bald passieren würde. Niemand tat das.

Seine rechte Hand legte sich an meine Wange und er strich mit dem Daumen sanft über meine Unterlippe.

"Ich lebe schon so lange und irgendwann zieht alles an einem vorbei. Seitdem ich dich kenne, hab ich das Gefühl, dass dieser endlose Film angehalten wurde und nur noch in Zeitlupe verläuft, um jeden kleinen Moment leben zu können. In dir habe ich endlich etwas gefunden, für das es sich zu leben lohnt. Ich weiß nicht, was du mit mir anstellst. Ich weiß es wirklich nicht. Aber eins weiß ich. Dass ich dich liebe.", murmelte er leise und traf so den verwundbarsten Punkt in einem menschlichen Körper. Mein Herz. Es schien mit jeder Sekunde schneller zu schlagen und meine Hände begannen zu zittern.

Noch nie in meinem Leben hat jemand etwas so schönes zu mir gesagt. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und ich wusste nicht was ich tun sollte. Lachen? Weinen?

Ich nahm mir die Entscheidung selber ab, indem ich ihn an seinem Nacken zu mir nach unten zog und meine Lippen liebevoll und gleichzeitig verlangend auf deine drückte.

Seine Hände umfassten meine Taille und er drückte mich näher an sich ran, während sich meine Hände in seinen Haaren verfingen.

"Ich liebe dich auch Aiden.", gab ich atemlos von mir, als mich kurz von ihm löste, um kurz darauf wieder meine Lippen auf seine zu legen und das Feuerwerk in meinem Körper zum gefühlt hundertsten Mal zu entzünden.







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