Chapter 18

2.3K 141 82
                                    

Mein Zimmer lag in völliger Stille und nur von draußen, weit entfernt, hörte man eine Eule rufen.

Der strahlende Vollmond tauchte die sternenklare Nacht in einen silbernen Schimmer, während ich nachdenklich in meinem Bett lag und an die Decke starrte.

Tausend Gedanken und Fragen schossen mir durch den Kopf, aber keine der Antworten, die ich darauf zu finden versuchte, schienen einen Sinn zu ergeben.

Wovon hatte Miss Niviria im Flur gesprochen? Wusste sie, was mir im Meer passiert ist? Hatte sie mitbekommen, dass Jasmin und ich in der Bücherei rumgeschnüffelt haben, oder war es einfach nur ein dummer Zufall und sie hatte etwas ganz anderes gemeint?

Der Gedanke an Jasmin ließ mich für einen Augenblick traurig werden. Weder sie, noch Talor hatten sich bis jetzt bei mir gemeldet. Warscheinlich waren sie immer noch auf der Party und hatten nicht einmal bemerkt, dass ich nicht mehr da war.

Sie waren bestimmt noch in das selbe Gespräch vertieft, während mein ganzes Leben mal wieder auf den Kopf gestellt wurde.

Ich gönnte es den beiden, dass sie alleine Zeit miteinander verbrachten und sich näher kennenlernten. Sie ware wirklich süß zusammen und ich hoffte ja selber darauf, dass sie zusammenkommen würden, aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich alleine gelassen.

Eine Nachricht, ein Anruf oder irgendetwas anderes hätte ja gereicht, aber es kam nichts von ihnen.

Mit einem einsamen Gefühl in der Brust, lehnte ich mich über meinen Bettrand und zog meinen schwarzen Koffer unter meinem Bett hervor.

Es dauerte eine Weile, bis ich endlich das kalte Glas ertastete und den kleinen Bilderrahmen unter den unausgepackten Sachen herauszog.

Mit dem Bild in der Hand lehnte ich mich wieder in meine weichen Kissen zurück und betrachtete das Foto.

Zwei Babys in rosafarbenen Strampelanzügen sahen mir mit riesigen, braunen Augen glücklich entgegen. Eines davon war ich. Das Foto wurde geschossen, als ich gerade mal ein halbes Jahr alt war und zum ersten Mal "Mama" gesagt hatte.

Wer das Baby neben mir war wusste ich nicht. Ich hatte meine Eltern schon oft gefragt, aber sie sagten immer nur, dass es das Kind einer Bekannten war, zu der sie den Kontakt abbrechen mussten. Einen Grund dafür hatten sie mir nie ganannt. Ich habe es natürlich immer weiter versucht, mehr darüber herauszufinden, aber alles was ich bis jetzt wusste war, dass sie ein Mädchen war.

Irgendwann wurde mir die Fragerei und die ständig gleichen Antworten zu langweilig und ich beschloss einfach meine eigene Geschichte daraus zu machen. Eine Schwester? Ein verlorener Zwilling? Ich dachte mir viele Varianten aus und ließ meiner Fantasie freien Lauf.

Sie war mein Mysterium. Mein eigenes, kleines Geheimnis, von dem niemand wusste. Noch nicht einmal ich selbst.

Es war traurig, dass ich niemals herausfinden würde, wer sie war und ob sie auch so ein Bild von uns hatte, doch in meiner Fantasie existierte viel mehr von ihr, als nur ein einziges Bild.

Lächelnd drehte ich den Bilderrahmen um und ein zweites Foto zeigte sich geschützt hinter der dünnen Glasscheibe.

Auf ihm zu sehen waren meine Eltern und ich in ihrer Mitte, wie wir lachend vor dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum standen und ich noch schnell versuchte die Soße von der Pasta, die wir davor gegessen hatten, aus meinem Mundwinkel zu wischen.

Dieses Bild war eines meiner Lieblingsbildern. In meinem alten Zimmer Zuhause stand es immer neben meinem Bett, auf dem Nachtschrank, sodass ich es mir jede Nacht vorm Schlafen gehen angucken konnte.

The angel's featherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt