Leise klopften Louise und Alina an Klaras Zimmertür. Ihre Schwester antwortete nicht. Vorsichtig schlichen sie hinein. Klara lag zusammengerollt auf ihrem Bett und hatte das Gesicht in der Decke vergraben. Louise setzte sich auf die Bettkante und streichelte mit der Hand sacht über Klaras Schulter. "Lasst mich in Ruhe!" tönte es aus der Decke. Aber Louise und Alina blieben wie festgeklebt neben ihrer Schwester. "Was ist los? Was hat er dieses Mal getan?" fragte Alina hartnäckig. "Ach könnt ihr mir nicht einfach meine Ruhe lassen?!" , schrie Klara nun und setzte sich mit tränenverschmiertem Gesicht auf. "Bitte!" Ihre Stimme überschlug sich während sie weiter schrie: "Er hat Schluss gemacht, okay?" Dann ließ sie sich wieder auf die Matratze fallen. "Wieso denn?" fragte Louise "Alice-Schwester" weiter und warf Louise einen Blick zu, der mehr sagte als tausend Worte. Hier schien er zu sagen: "Na Gott sei Dank ist sie den Typen los! Jetzt muss ich ihm sogar mal dankbar sein!" Louise verzog die Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln, gab aber darauf Acht, dass es Klara nicht bemerkte. Mit der Zeit würde sie auch merken, dass sie besseres verdient hatte als Tobias "Arschloch"! Eigentlich hörte er auf den Nachnamen "Wallner", aber "Arschloch" passte besser zu ihm. Plötzlich setzte sich Klara wie der Blitz auf und verlangte nach einem Taschentuch. Schnell rannte Louise ins Badezimmer und kam kurz darauf mit einer Packung Papiertaschentücher zurück. Klara schnäuzte sich erst einmal ausgiebig und ein paar Sekunden später türmte auf ihrem Bett ein beachtlicher Berg weißer Papiertüchlein. Da erblickten ihre rot geschwollenen Augen die weiße Glasvasen voller roter Rosen auf ihrem Schrank. Die Rosen hatte ihr Tobias vor einer Woche zum Valentinstag geschenkt. Kahle Köpfe streckten sich den dreien entgegen. Alle Rosen bis auf eine, hatten ihre Blätter verloren, die allesamt unterhalb der Vase auf dem Schrank ruhten. Eine der Rosen besaß noch ihr letztes Blatt. "Ich hätte sie besser gießen müssen." murmelte Klara und neue Tränen traten in ihre Augen. Aber sowohl Alina als auch Louise wussten, dass sie damit nicht die Rosen meinte. "So ein Unsinn!" , schimpfte Alina. "Schau mal: Die Rosen sind ein perfektes Sinnbild für eure Beziehung: Sie ist am Ende, sowie die Rosen ihre Blätter verloren haben und nur du empfindest noch etwas für ihn. Genau so, wie sich die Rose hier an ihr letztes Blütenblatt klammert." Sie erhob sich und zupfte an dem Blatt, das daraufhin auch herab fiel. "Du musst deine Gefühle für Tobias abzwicken! Er ist es nicht wert, dass du seinetwegen herum heulst! Und er ist es nicht wert, dass du seine Blumen gießt!" Mit großer Überzeugung zog sie Klara auf die Füße. Dann griff sie nach der Vase und drückte sie Klara in die Hand. "Wirf!" forderte sie die völlig verdutzte Klara auf. Diese starrte zuerst auf die Vase in ihrer Hand, dann auf die Wand und letztendlich zu Alina. "Du bist doch nicht mehr ganz richtig im Kopf!" "Das bin ich schon lange nicht mehr und jetzt wirf endlich!" "Aber...dann treffe ich die Wand!" "Die Wand ist jetzt völlig egal, wirf einfach!" Und da warf Klara. Die Vase traf die Wand wie eine Bombe und sie explodierte förmlich: Unmengen einziger Scherben flogen durch die Luft und landeten mit den Stängeln knisternd auf dem Boden. Ein Seufzen entwich Klara und sie entspannte sich merklich. "Besser?"fragte Alina und Klara nickte. "Okay, ich bringe die Stängel zum Kompost und ihr kümmert euch um die Scherben!"befahl "Alice 2" triumphierend, sammelte die Stängel auf und marschierte hoch erhobenen Hauptes hinaus. Überrumpelt taten Klara und Louise, was ihnen aufgetragen worden war und holten Besen und Staubsauger. "Das hat echt gut getan!" teilte Klara Louise mit, nachdem sie die Scherben beseitigt hatten und zum ersten Mal an diesem Tag erahnte Louise ein Lächeln auf den Lippen ihrer Schwester. Dann verzogen sich ihre Lippen ebenfalls zu einem Grinsen. "Ja, das ist Alina: Sie ist zwar verrückt, aber sie weiß immer, was zu tun ist. Übrigens: Ich muss dir noch was zeigen!"
Einige Minuten später saßen die drei Schwestern auf der Ledercouch im Wohnzimmer. Klara hatte das gelbe Kleid in den Händen und begutachtete es mit funkelnden Augen. "Es ist wunderschön!" , flüsterte sie. "Bis auf den Riss!" Vorwurfsvoll sah sie Klara an. "Könntest du nicht besser aufpassen?" Aber Louise blieb keine Zeit zu antworten, denn in diesem Augenblick kam Melina näher. Ihre blauen Augen begannen zu leuchten als sie das Kleid erblickte. "Wo habt ihr das denn her?" fragte sie verwundert. "Ich habe es im Schrank gefunden." , informierte Louise ihre Oma. "Du hast es mir doch nicht einmal geschenkt, oder?" Melina schüttelte ihren Kopf, so dass ihre kurzen weißen Locken flogen. "Wenn ich dir so etwas geschenkt hätte, würde ich mich daran erinnern! Darf ich mal?" Klara reichte ihr das gute Stück. "Es muss genäht werden." , schlussfolgerte Melina als sie den Riss sah. "Ich werde mich gleich heute darum kümmern. Wenn es fertig ist, solltet ihr es unbedingt anprobieren! Es ist etwas ganz Besonderes..."
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Das Märchenkleid
FantasyLouise findet in ihrem Schrank ein geheimnisvolles gelbes Kleid. Sie ahnt nicht, dass dieses Kleid ihr Leben und das ihrer zwei Schwestern für immer verändern wird und sie eine Welt retten müssen, in der nicht alles wie im Märchen endet... Eine For...