Lange grübelte die weiße Fee auf dem Baumstumpf vor sich hin, den Blick stetig auf das mächtige Schloss gerichtet, das von der untergehenden Sonne blutrot gefärbt wurde.
Plötzlich erhellte sich ihre Miene und mit einem Schlag änderte sich das Wetter:
Der violette Abendhimmel verschwand und der aufsteigende Wind trieb dicke graue Wolken über das Land.
Er nahm weiter an Stärke zu und verwandelte sich in einen Sturm, der die Bäume wie wild bog.
Einige Wimpernschläge später begann es wie aus Kübeln zu regnen.
Die Wellen brachen sich vom Wind aufgepeitscht, schäumend an den Felsen.Die Gäste, die gerade in den Schlosshof einfuhren, suchten so schnell sie konnten, den trockenen Schutz des Festsaals.
Die weiße Fee lächelte, dann drehte sie sich einmal um die eigene Achse.
Gleich darauf klopfte es an die mächtigen Türen des Palastes.
Stille kehrte in den prunkvoll geschmückten Festsaal, in dem der Prinz und seine Gäste ausgelassen tanzten und feierten.
Die Wache an der großen Bogentür sah auf Befehle wartend zum Prinzen.
"Wache!
Öffnet die Tür!"befahl dieser, löste seinen Griff um eine hübsche Prinzessin, mit der er soeben durch den Saal geschwebt war und schritt durch die raunende Menge der Gäste.
Sie traten vor ihm ehrfürchtig zur Seite.In diesem Moment öffnete sich die Tür.
Sogleich peitschte eiskalter Regen auf den blank gewienerten Boden.Der Blitz, der nun den dunklen Nachthimmel zackig grell erhellte, entblößte die hässliche Fratze eines alten Mütterchens, das draußen ungeschützt im Regen stand.
Das Wasser hatte die dünnen Lumpen, die es am dürren Leib trug, vollständig durchnässt.
Das fröstelnde Klappern seiner Zähne schien bis in den hintersten Winkel des Schlosses zu hallen."Ich bitte Euch, edler Herr.
Lasst mich eintreten, und Schutz vor dem Sturm suchen."bat sie mit krächzender Stimme, ihre grünen Augen blickten bittend auf den Prinzen.
Verächtlich besah der die Alte und musterte ihre Gestalt so als begutachtete er eine schlachtreife Kuh auf dem Kuhmarkt.
Nach einer Weile antwortete er genervt:
"Geh deines Weges, du alte Mähre! Hier bist du nicht willkommen!
Vielleicht ist im Stall ein Platz für dich, neben dem Ochsen?"Er lachte schallend.
Die Gäste sahen sich unsicher um.Erst als der Prinz sich mit funkelnden Augen umdrehte, fielen sie gezwungen in das Lachen ein.
Er gab den Wachen einen Wink, das Tor zu schließen.
"Halt, wartet!" ,
rief die alte Frau mit zitternder Stimme."Ich...ich habe ein Geschenk für Euch."
Interessiert wandte sich der Prinz wieder der Frau zu.
"Ein Geschenk, sagst du?
Nun denn... Tritt ein."Erleichtert stolperte die Greisin herein.
Sie trug keine Schuhe und ihre Füße waren vor Kälte blau und klamm geworden.Wackelig hielt sie auf den Prinzen zu und reichte ihm eine rote Rose, die in voller Blüte stand.
"Riecht einmal!
Sie duftet wunderbar!"sagte die Alte leise und sah voller Bewunderung auf die Blume.
Der Prinz kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und hob die Rose prüfend in Richtung Nase.
In nächster Sekunde schmiss er sie voller Abscheu zu Boden.
"Das nennst du ein Geschenk??!!"
,
schrie er voller Hass und Wut."Ein Geschenk, das meiner würdig ist?"
Schnell schubste er das alte Mütterchen von sich, so dass es den Halt verlor und zu Boden stürzte.
"Scher dich weg, du alte Eule!
Geh zum Teufel!"geiferte der Prinz in Rage.
Unerwartet flink richtete sich die Alte auf.
Ihre Augen verdunkelten sich, würden gänzlich schwarz.Das Licht erlosch.
Draußen donnerte es.Ein erneuter Blitz schickte sein helles Licht durch die bunten Glasfenster des Schlosses und warf unheimliche Lichtspiele an die Wände.
"Nein, ich verlasse ihn gerade!" gellte ihre Stimme in übermenschlicher Lautstärke über den Prinz und seine Gäste.
Alle wirkten wie versteinert.
Niemand traute sich, eine Bewegung zu tun.Plötzlich begann die alte Frau von innen heraus zu leuchten und verwandelte sich in eine wunderschöne weiße Zauberin.
"Du sollst verflucht sein, Adam!
In deinem Herzen ist keine Liebe zu finden, nur Hass und Grausamkeit!"Der Prinz fiel sprachlos auf die Knie, er zitterte.
"Bitte nicht!
Es...tut mir leid!"Doch die Zauberin schüttelte den Kopf. Ihre weißen Locken schwebten in der Luft.
"Was du getan hast, kann nicht rückgängig gemacht werden!
Du hast deinem Volk und den Menschen so viel Leid zugefügt, dass du es nicht verdienst, ein Mensch zu bleiben!Deine verdorbene Seele soll Gestalt annehmen!"
Der Prinz weinte und flehte die Zauberin um Vergebung an.
Aber diese schwang ihren Zauberstab und belegte das Schloss mit einem furchtbaren Fluch.Dieser Fluch verwandelte den schönen Prinzen in ein abscheuliches Biest und die gesamte Dienerschaft in Gegenstände.
Alle Gäste des Prinzen wurden in ihre Heimat zurück geschickt.
Während sich die unheilvolle Verwandlung fortsetzte, flog die Zauberin so schnell sie konnte, in einen der oberen Räume des Schlosses, in dem ein prächtiger Eichenschrank ruhte.
Sorgsam holte sie das gelb schimmernde Kleid hervor und hängte es vorsichtig hinein.
Dann flog sie wieder hinunter.Das Biest kniete über der Rose und sah ungläubig auf die riesigen behaarten Pranken, die einmal seine Hände gewesen waren.
"Was hast du mir angetan?" brüllte es voller Verzweiflung als es sie erblickte.
Die Zauberin deutete auf die Rose.
"Achte gut auf sie, Adam.
Wenn es dir gelingt, eine Frau zu finden, die du liebst und die dich ebenfalls liebt, noch bevor das letzte Blütenblatt fällt, bist du erlöst und wirst wieder zum Menschen.
Anderenfalls wirst du für immer ein Biest bleiben..."
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Das Märchenkleid
FantasyLouise findet in ihrem Schrank ein geheimnisvolles gelbes Kleid. Sie ahnt nicht, dass dieses Kleid ihr Leben und das ihrer zwei Schwestern für immer verändern wird und sie eine Welt retten müssen, in der nicht alles wie im Märchen endet... Eine For...