Aurora hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen, um das viele Blut nicht sehen zu müssen, das sich bestimmt rasch ausbreitete.
"Es überrascht mich zu sehen, dass immer noch ein Stück des Biests in euch steckt." , tönte die schwarze Fee in Richtung Adam und durchbrach die entsetzte Stille. "Grausam, gepaart mit dem Willen, jedem Schaden zuzufügen, der nicht nach eurer Pfeife tanzt."
Ungläubig nahm Aurora die Hände herunter und blickte verschreckt auf die Fee, die sich nun langsam mit sichtlichem Genuss die Klinge aus der Brust zog. Nicht ein Tropfen Blut klebte daran! Kaum war die Spitze des Schwertes aus ihrer Brust gewichen, schloss sich die Wunde in Sekundenbruchteilen.
"Wie...w....wie....k...ann....das....s....sein?" stotterte Adam verstört und taumelte zurück. Belle hielt ihn fest. "Ihr seid wirklich töricht, mein König!" , belehrte ihn die dreizehnte Fee hämisch. "Wenn ihr auch nur den Hauch einer Ahnung meiner Wenigkeit hättet, dürfte Euch bekannt sein, dass es unmöglich ist, mich zu töten!"
Sie schnippte mit dem Finger und einen Wimpernschlag später fanden sich alle sechs im Gang, der zu den Verliesen führte. Leuchtende Fackeln erhellten die Dunkelheit spärlich. Ängstlich kauerte sich Aurora an Philipp, der daraufhin ihre Hand suchte und sie fest mit der seinen verschloss.
"Wo sind wir?" Was will sie hier mit uns?" fragte sie ihn leise.
"Ich weiß es nicht, Röschen. Ich weiß es nicht." versuchte er liebevoll, sie mit ihrem Kosenamen zu beruhigen, denn auch er war sich nicht sicher, was die schwarze Fee von ihnen wollte.
"Darf ich vorstellen, meine Majestäten: der dunkle Kerker!" lachte diese und bedeutete ihnen, ihr zu folgen. Sie taten ein paar Schritte, bis die Fee vor einer ziemlich verwahrlost aussehenden Zelle stehen blieb.
"Ich dachte, Ihr möchtet ihr vielleicht "Hallo" sagen?" fragte die dreizehnte Adam und bot ihm mit einer einladenden Handbewegung und "Voila", die Zelle an.
Langsam gewöhnten sich Adams Augen an die Dunkelheit und er trat näher an die Gitterstäbe heran. Der verfaulter Geruch nach Fleisch stieg ihm in die Nase und als seine Augen die Ursache erfassten, stieß er einen markerschütternden Schrei aus. Belle ließ erschrocken seine Hand los, die anderen zuckten erschrocken zusammen.
"Adam. Was siehst du?" fragte Belle und sah ängstlich zur schwarzen Fee, die mit verschränkten Armen neben ihnen stand.
"Ich sehe..." , aber die schwarze vollendete seinen Satz. ".....sein jetziges Zuhause." Blitzschnell senkte sie ihre Hand und im nächsten Moment fand sich Adam hinter den Gittern wieder.
"Nnneeeiiinnn!" schrie Belle entsetzt und zerrte an den Stäben.
"Was habt Ihr getan?" fragte Adam zitternd. Er konnte nicht schreien, eine kalte Hand schien sich um seine Kehle zu schlingen.
"Das soll jeden von Euch lehren, mich nie wieder zu stören!" , zischte die schwarze Fee. "Und sagt es euren Untertanen! Wenn sich einer von euch hier je wieder blicken lässt, ob König oder Stalljunge, wird ihn dasselbe Schicksal ereilen!"
"Nein, Adam!" , schrie Belle, ihre Stimme überschlug sich.
"Lasst ihn frei! Lasst ihn frei!"
Die Fee schüttelte beinahe bedauernd den Kopf. Ihre Lippen formten sich zu einem einen Schmollmund.
"Nein, das kann ich leider nicht tun, Liebes." , ihre Stimme wurde härter. "Aber ich kann ihm große Schmerzen zufügen, wenn ihr jetzt nicht in Eure Reiche zurück kehrt!"
Plötzlich öffneten sich mehrere Türen in der Mauer, deren Existenz bis zuvor noch nicht bewiesen war und Philipp, Aurora und James liefen hinaus. "Schneewittchen, komm!" rief James besorgt und fasste die Hand seiner Frau. "Belle, wir müssen gehen!" Die Stimme Schneewittchens drang gedämpft an Belle's Ohr. Doch sie war wie in Trance.
Den Blick auf ihren Mann im Verlies gerichtet, verharrte sie bewegungslos auf der Stelle.
"Belle, bitte geh!" , brüllte Adam ihr zu. "Es wird alles gut. Ich komme schon hier raus, warte nur ab!"
Aus Belle's bernsteinfarbenen Augen flossen verzweifelte Tränen. Die Zeit schien still zu stehen.
"Du hast mir versprochen, dass ich dich nicht verliere! Nun habe ich unser Kind und auch noch dich verloren!" schluchzte sie laut.
"Komm Belle, lass uns gehen!" schrie ihr Schneewittchen mit voller Lautstärke ins Ohr. Endlich gelang es ihr, die fassungslose Königin des Ostens hinaus zu zerren.
Adams Stimme schallte ihnen nach:
"Du hast mich nicht verloren, Belle und wirst es nicht! Ich werde zurück kommen und unser Kind auch!"
Dann schlossen sich die mysteriösen Türen und verschluckten den König des Ostens."Ach dieser unerschütterliche Optimismus!" , schwelgte die schwarze Fee im Scherz. "Einfach bewundernswert!"
Ohne Adam noch eines Blickes zu würdigen, ließ sie ihn im Dunkeln zurück.
Als schließlich Stille einkehrte und sich der König seiner verdrießlichen Lage bewusst wurde, drang ein Schluchzer aus seinem Hals und er sank zusammen. Die aufbauenden Worte, die er Augenblicke zuvor seiner Frau zugerufen hatte, kamen ihm wieder in den Sinn und gleich darauf fasste er neuen Mut.
"Ich werde heraus kommen!" , sprach er sich selbst Mut zu. "Es wird alles gut."
Da drang erneut der Gestank von Verwesung an seine Nase. Das schreckliche Bild, dessen Zeuge er zuvor geworden war, schob sich vor sein inneres Auge. Noch bevor er sich in Zeitlupe um hundertachtzig Grad wendete, wusste er schon, was er zu sehen bekommen würde:
Eine zusammen gesunkene Gestalt kauerte in einer Ecke der Zelle. Die strähnigen weißen Haare der Frau hingen zu beiden Seiten herunter und bedeckten nur dürftig ihre kranke Haut, mit aufgerissenen und eitrigen Wunden übersät. Ihre Augen standen offen und starrten leblos auf den verschmutzten Boden, auf dem Ratten und anderes Ungeziefer nach Nahrung suchte.
Kaltes Entsetzen überkam Adam und er stolperte blindlings rückwärts auf die gegenüber liegende Seite des Verlieses. Aber viel Platz hatte er nicht. Er musste sich vorerst damit begnügen, gut einen Meter zwischen sich und der Leiche zu haben.
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Das Märchenkleid
FantasyLouise findet in ihrem Schrank ein geheimnisvolles gelbes Kleid. Sie ahnt nicht, dass dieses Kleid ihr Leben und das ihrer zwei Schwestern für immer verändern wird und sie eine Welt retten müssen, in der nicht alles wie im Märchen endet... Eine For...