Der Schluss eines Märchens

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Einige Tage später saßen Louise, Jonathan, Klara, Tassilo und Alina unter einem großen Eichenbaum im Schatten. Hinter ihnen thronte das Schloss des Nordens.
Die Schwestern hatten sich an den Händen gefasst und hielten still inne. So dankbar waren sie für diesen Augenblick und dass sie alle überlebt hatten!

Nach einiger Zeit gingen Klara, Tassilo und Alina Hand in Hand zurück ins Schloss von Adam und Belle.
Dort wurde heute der erste Teil eines dreitägigen Festes zu Ehren von Alina und der Wiedervereinigung der drei Königsfamilien gegeben.

Louise und Jonathan standen sich gegenüber.

"Sollen wir auch hinein gehen?" ,

fragte Jonathan und lächelte.

"Immerhin werde ich heute Abend zum Prinzen gekrönt."

Louise versuchte zurück zu lächeln, doch der Gedanke an das, was nun kommen würde, trieb ihr Tränen in die Augen.

"Ich freue mich für dich, Jonathan.
Du wirst bestimmt einmal ein guter König."

Jonathan strich ihr sanft über den Arm.

"Das hoffe ich...
Aber das geht nicht von alleine." ,

Unsicher sah er zu Boden.

"Louise, ich weiß, dass es gerade sehr viel für dich ist....

Aber trotzdem muss ich dir sagen, dass ich, seit wir uns das erste Mal gesehen haben, ständig an dich denken muss:
Dein Lächeln, deine Augen..."

Sanft strich er mit dem Finger über ihre Wange.

"Mehr als alles in der Welt wünsche ich mir, dass du mir dabei hilfst, ein guter König zu sein.
An meiner Seite als Königin des Nordens."

Louise Herz hüpfte bei seinen Worten.
Ihr erging es ebenso.

Schon vom ersten Augenblick an, in dem sie sich gesehen hatten, zog sie sein Blick magisch an.

Jedoch spürte sie in gleicher Weise, dass sie zu etwas anderem bestimmt sein sollte.

"Jonathan, ich...." ,

versuchte sie, ihm ihre widersprüchlichen Gefühle zu schildern.

Seine erwartungsvollen Augen verursachten ihr Gewissensbisse.

Wie schnell würde sich sein Blick verändern, wenn sie ihm gleich die Wahrheit sagte!

Nur noch einen Moment wollte sie diesen vertrauten Augenblick auskosten.

Schnell stellte sie sich auf die Zehenspitzen und berührte seine Lippen mit den ihren zu einem zaghaften Kuss.

Überrascht erwiderte ihn Jonathan und legte die Arme um Louise.

Doch bevor er inniger werden konnte, löste sich Louise aus seinen Armen.

"Ist das ein ""Ja""?"

fragte Jonathan hoffnungsvoll lächelnd.

Louise Augen liefen über, ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle.

"Jonathan, ich kann bei deiner Krönung leider nicht dabei sein.

Ich muss nämlich selbst zu einer Zeremonie."

"Einer Zeremonie?
Zu welchem Anlass?
Ist er denn so wichtig?"

fragte der baldige Prinz enttäuscht.

"Oh ja, das ist er.
Ich...ich werde zur weißen Fee ernannt."

Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich.

"Das ist jetzt nicht wahr, oder?"

fragte er mit belegter Stimme.

"Wenn das heute Abend geschieht, werden wir nie..."

Er räusperte sich verstimmt.

"Dann können wir nie eine gemeinsame Zukunft haben."

"Ich weiß."

wisperte Louise traurig, von Schuldgefühlen übermannt.

"Nichts mehr habe ich mir gewünscht als dich an meiner Seite zu haben.
Und jetzt...bin ich allein."

murmelte Jonathan voller Kummer und lehnte sich gegen den Stamm der mächtigen Eiche, die vor dem Schloss in den Himmel empor wuchs.

"Nein, das bist du nicht.
Dafür werde ich sorgen.
Ich verspreche es."

erwiderte Louise und besiegelte ihr Versprechen mit einem letzten Kuss.

Dann lief sie schnell in den Wald und suchte die vom Mond beschienene Lichtung auf.
Dort warteten die elf Feen bereits auf sie.

Nach einiger Zeit kehrte die weiße Fee zurück. Als sie zum Schloss zurück flog, erblickte sie unter sich plötzlich Klara, die allein unter den Bäumen stand. Schnell landete sie neben ihr.

"Klara, was tust du denn hier?"

Erschrocken sah die andere auf.
"Louise! Ist die Zeremonie schon vorüber?"

"Ja ist sie. Was ist jetzt los? Warum schleichst du so spät allein zwischen den Bäumen herum?"

Klara seufzte.

"Es ist Tassilo.
Er kann sich erinnern:
Bevor ihn die Magie der schwarzen Fee in einen Drachen verwandelt hat, war er es, der unserer Schwester aufgetragen hat, dich zu töten!"

Er war der Grund, warum Alina mit einem Rasiermesser ins Zimmer kam!"

Geschockt erstarrte Louise.

"Wieso hat er das getan?"

"Er sagte, dass die schwarze Fee ihn in einem Glaskäfig gefangen hielt und sie ihn dazu gezwungen hat, Alina aufzutragen, dich zu töten.

Ansonsten hätte sie seiner Mutter Schlimmes angetan.

Sie wollte, dass sich die Prophezeiung nicht erfüllt.

Und ich weiß nicht, ob ich ihm das verzeihen kann, wenn ich daran denke, dass Alina hätte sterben können."

Klara schluchzte laut auf und verbarg ihr Gesicht an Louise Schulter.

Die weiße Fee suchte lange nach den richtigen Worten.

"Was er getan hat, war ein schwerer Fehler.
Aber er hat es nur für seine Mutter getan.
Seine Angst um sie war so groß, dass er deshalb den Willen der schwarzen Fee ausgeführt hat.

Hätten wir das an seiner Stelle nicht auch getan?"

Beide sahen sich lange an.

Das MärchenkleidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt