Kapitel 27

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Ich drehte mich um und ging, kam allerdings nicht weit. Mein Handy klingelte. Seufzend nahm ich den Rucksack vom Rücken und kramte nach meinen Handy. Jackie. Leicht genervt ging ich ran, wobei ich das Genervte so gut es ging versuchte zu unterdrücken, denn schließlich konnte Jackie dafür nichts.

„Elli, wo steckst du? Warum bist du nicht zum Unterricht erschienen?", bestürmte Jackie mich gleich. Aus dem, was sie sagte schloss ich, dass nur ein paar, wahrscheinlich nur Jason, Erik, Mike und Silvia, von meinem Verschwinden wussten.

„Ähm, mir ging's nicht so gut. Kannst du Jason von mir grüßen, falls du ihn siehst?" Ich konnte mir das letzte einfach nicht verkneifen, denn auf einmal verspürte ich die Lust, jeden zu Reizen. Ihn zu ärgern und zu nerven.

„Was redest du da für einen Mist, Elli? Du kannst das Jason doch selber sagen! Und wo bist du überhaupt? Ich hab..." Ich legte auf. Ich hatte keine Lust mich mit Jackie zu streiten. Nein Jackie wollte ich nicht ärgern. Dafür lag sie mir zu sehr am Herzen. Seufzend machte ich das Handy aus und packte es wieder in den Rucksack. Plötzlich legten sich zwei Hände auf meine Schultern. Bevor ich aufschreien konnte, legte sich eine dritte auf meinen Mund. Panisch versuchte ich mich umzudrehen, doch die Hände auf meinen Schultern reagierten blitzschnell. Ohne das ich recht wusste, was geschah, waren meine Hände auf meinen Rücken, fest gehalten von zwei starken Händen. Verzweifelt versuchte ich in die Hand, die mir den Mund zuhielt zu beißen. Erfolglos.

„Jetzt!" Die Stimme kannte ich, das war Erik. Warum sah er mich auf einmal? Das verstehe ich nicht, aber wahrscheinlich lag es dran, dass ich meine Gabe noch nicht perfektioniert hatte. Bevor ich mir überhaupt weitere Gedanken darüber machen konnte, was er sagte, hörte ich Mikes fordernde Stimme.

„Also. Wir müssen ein paar Regeln festlegen. Erstens: du wirst dich fürs erste nicht mehr abschirmen. Zweitens: du wirst aufhören dich zu wehren und zu schreien. Drittens: du bleibst immer in unserem Blickfeld, sodass wir dich im Augen behalten können. Hab ich etwas vergessen?"

Noch während Mike sprach, entspannte sich mein ganzer Körper. Ich wollte mich wehren, wollte um mich schlagen, wollte wegrennen, aber irgendetwas hinderte mich daran.

„Du kannst sie jetzt los lassen", sagte Mike zu Erik.

Der ließ mich widerstandslos los. Ich rieb mir meine Handgelenke und drehte mich um. Wütend funkelte ich die beiden Jungs an. Mike hatte wieder sein freches und selbstsicheres Grinsen aufgesetzt. Eriks Gesichtsausdruck verriet gar nichts. Ich hatte keine Ahnung, ob er sich ärgerte, ob er enttäuscht war, ob er froh war, keine Ahnung.

„Ich werde nicht mitkommen", zischte ich.

„Oh doch, das wirst du. Du hast uns schon genug Ärger bereitet." Erik sah mich düster an und ging los. Ich weiß nicht warum, aber ich dackelte ihm hinterher. Es war so, als ob ich keinen Freien Willen mehr hatte.

„Was hab ihr mit mir gemacht?", fragte ich entsetzt.

„Mike hat nur dafür gesorgt, dass du uns nicht noch einmal entwischt.Und jetzt sei still!" Erik war ganz ruhig. Zu ruhig. Das war die Ruhe vor dem Sturm. Aber was für einen Sturm? Ich beschloss ruhig zu bleiben und abzuwarten und erst einmal mit zu kommen. Was konnte dran schon falsch sein?

Mike hatte also dafür gesorgt, dass ich nicht nochmal abhaute. Aber wie? Ich meine er hat doch nur gesagt, ich soll nicht abhauen. War das etwa seine Gabe? Andere beeinflussen? Ein Schauder lief mir den Rücken runter. Ich wollte abhauen, unsichtbar werden, aber dieses etwas hinderte mich daran. Dieses etwas, dass von Mike kam, oder war es sogar Mike selbst?

„Da wären wir", Erik blieb stehen. Ich auch. Vor uns stand ein schwarzes unauffälliges Auto. Erik deutete auf die Tür und ich stieg ein. Erik mir hinter her. Er sah mir kurz in die Augen. Mir war das egal. Sollte er doch meine Gedanken lesen. Ich starrte gerade aus und versuchte an nichts zu denken.

„Mike! Du musst sie wieder los lassen. Du hast es fast zulange strapaziert!" War Eriks Stimme panisch? Nein ich denke nicht. Sie war die Ruhe vor dem Sturm.

„Sie würde aber sofort wieder ab hauen."

„Gib mir mal meine Tasche."

Ich hörte dem Wortwechsel zu. Aber ich verstand den Zusammenhang nicht. Wollte ihn nicht verstehen. Ich könnte wenn ich wollte, aber ich wollte nicht, es wäre zu anstrengend.

„Was ist das?"

„Setzt dich neben sie. Jeremy fahr los. Und jetzt lass sie los."

Plötzlich wurde eine Last von meinen Schultern genommen. Mein Geist war wieder hellwach. Panisch sah ich mich um. Mike sah mich skeptisch an. Dann sah ich Erik an. Erik! Sofort schirmte ich mich ab. Er hatte gar nichts in meinen Gedanken zu suchen.

„Ich hasse euch. Alle beide! Lasst mich hier raus! Sofort!" Meine Stimme war fester als ich erwartet hatte. Ich hatte ein panisches Kreischen erwartet.

„Daraus wird wohl nichts", sagte Erik ruhig. Diese beschissene Ruhe in ihm ging mir langsam echt auf die Nerven. Aber bevor ich etwas erwidern konnte, spürte ich ein Stich in meinem linken Arm. Ich sah an dem Arm runter und sah eine Spritze.

„Was?", fragte ich schwach und entsetzt.

„Ruh dich aus. Du hast noch viel vor dir."

Meine Augen fielen zu. Ich blinzelte, wollte nicht einschlafen.

„Warum?", schaffte ich gerade noch zu sagen, bevor ich ins tiefe Schwarz gezogen wurde.

BlutrauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt