Blutrausch

Kapitel 46

Magnus Blick verharrte nachdenklich auf mir. Am liebsten hätte ich mich unter seinem Blick hinweg gewunden, jedoch wollte ich keine Schwächen vor ihm zeigen. Also blieb ich stehen, wo ich war, konnte jedoch nicht verhindern, dass meine Blick durch den Raum wanderte. An der Tür blieb er schließlich hängen. Was wenn ich einfach verschwinden würde?

So weit ich mich erinnerte, hatte niemand vorhin die Tür abgeschlossen und wenn ich mich unsichtbar machen würde, wäre Magnus für einen Moment verwirrt und würde nicht sofort reagieren. Ich würde einfach verschwinden können. Und mit etwas Glück, würde ich noch Jason und die anderen befreien können.

Jedoch kam ich noch nicht mal soweit, unsichtbar zu werden. "Silvia war schon immer der festen Überzeugung eine Frau müsse ohne die Hilfe von Männern auskommen", murmelte Magnus nämlich genau in dem Moment, in dem ich mit meinem Plan loslegen wollte, und ließ mich so an Ort und Stelle verharren.

Silvia? Ich dachte wir - na ja wohl eher er - redete von seiner Schwester? "Sie hat es dir nicht gesagt?" Für einen Moment war Magnus undurchdringliche Fassade gefallen und er blickte mich mit einer Mischung aus Neugierde und Verblüffenung an. Doch dann hatte er sich schnell wieder gefangen. "Silvia ist meine Schwester, meine kleine Schwester um genau zu sein. Überrascht?" Seine Worte waren wie ein Tritt in die Magengrube. Er war der große Bruder von Silvia? Warum hatte sie es mir nicht gesagt? So etwas vergaß man nicht zu erwähnen. Mir fiel auf, wie ähnlich ihre Augen waren, auch wenn die von Magnus fest schwarz waren. Beide konnten einen mit ihrem Blick das Gefühl geben, man könne nichts vor ihnen verbergen, da sie einem durch die Augen bis zur Seele schauen konnten.

Auch machten Magnus Worte von vorhin jetzt mehr Sinn. "Ich frage mich, was sie dir noch alles nicht erzählt hat. Hmm...", grübelnd sah Magnus mich an, während ich innerlich immer noch versuchte damit klar zukommen, dass er und Silvia Geschwister waren. Doch mit dem nächsten Satz, brachte er mich komplett aus der Bahn und traf einen wunden Punkt bei mir, von dem ich längst geglaubt hatte, er wäre verheilt. "Fangen wir mal bei deiner Mutter an."

Vor meinen inneren Augen blitze Moms Gesicht auf. Wie sie mich lachend anblickte und ihre Augen noch so voller Lebenslust funkelten.  Ich vermisste sie, ich vermisste sie so sehr, dass sich mein Herz bei dem Gedanken an sie, schmerzhaft zusammen zog. "Rosalinda", murmelte Magnus und schloss dabei die Augen, so als würde er - so wie ich - in Erinnerung versinken. Ich zuckte bei den Namen leicht zusammen. So lange hatte ich ihn nicht mehr ausgesprochen gehört. Unbewusst spannte sich mein Körper an, denn ich hatte Angst vor dem, was jetzt kommen würde. "Silvia und sie waren die besten Freundinnen überhaupt. Unzertrennlich." Magnus machte eine Pause und wartete auf meine Reaktion. Doch ich starrte ihn nur an und versuchte so gut es ging zu verbergen, wie geschockt ich war. Meine Beine fingen an zu zittern und ich fragte mich, warum Silvia mir nichts gesagt hatte und warum die beiden jetzt nicht mehr befreundet waren. Warum Silvia jetzt nicht für meine Mom da war.

Magnus stand auf und ging auf mich zu, doch ich starrte nur ins Leere und versuchte mir Silvia und meine Mom in meinem Alter vorzustellen. Zwei beste Freundinnen. Aber es wollte mir einfach nicht gelingen. "Ich denke, es wäre besser, wenn du dich setzt, Liebes." Magnus vertrauliche Stimme und seine sachte aber bestimmte Berührung an meiner Schulter holten mich in die Gegenwart zurück. Rasch machte ich einen Schritt nach vorne, sodass ich wieder einen sicheren Abstand zwischen mich und Magnus gebracht hatte, und setzte mich nach kurzen Zögern auf das Sofa.

So gut es ging versuchte ich einmal tief durchzuatmen und mich wieder zu beruhigen, da ich die Befürchtung hatte, dass das noch längst nicht alles war. In meiner Brust machte sich ein komisches Gefühl bereit. Ein Mischung aus Wut, Enttäuschung, Angst und dem Gefühl hintergangen worden zu sein. Wieso hatte Silvia mir das alles nur verschwliegen?