Kapitel 39

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„Du bist ja doch da“, stellte er trocken fest und in seinen Augen blitzte für einen Moment eine gewisse Abscheu gegen mich auf, worauf hin ich nur die Arme vor der Brust verschränkte und ihn stumm anstarrte. „Wieso hast du dann nicht auf mein Klopfen reagiert?“ Ben musterte mich misstrauisch, so als ob ich etwas zu verbergen hatte.

„Vielleicht weil ich alleine sein wollte?“, erwiderte ich und versuchte meine Stimme dabei nicht zu eisig klingen zu lassen.

„Ist Derek nicht bei dir?“, wollte Ben wissen, ohne auf das von mir gesagt weiter einzugehen. Seine Worten führten dazu, dass irgendwo in mir sich ein Schalter um legte und ich gereizt erwiderte: „Ja warte kurz, ich glaube er ist im Schrank, nein warte unter Bett“, ich guckte erst in meine Schrank, dann unter das Bett, „Oder nein, vielleicht hat er sich ja doch unter meiner Bettdecke versteckt. Oh, da ist er auch nicht. Komisch gerade eben war er noch da...“

„Elodie es reicht!“ Ben funkelte mich wütend an und ich zuckte ein wenig zusammen, da er mich Elodie und nicht wie sonst Elli genannt hatte. Immer wenn jemand mich Elodie nannte, bedeutete das Ärger. Ich versuchte weder erschrocken, verängstigt oder sonst wie drein zu gucken, sondern starrte Ben weiterhin mit einem bohrenden Blick an und unterdrückte jegliche Gefühle, indem ich die Mauer aus Eis wie damals ,immer wenn es Ärger gab, errichtete.

„Was fragst du dann, wenn du schon siehst das Derek nicht hier ist?“, giftete ich zurück. Meine Frage ignorierend trat Ben einen Schritt weiter ins Zimmer. „Weist du wo er hin ist?“ „Woher sollte ich das wissen, bin ich Gott oder so?“ Provozierend reckte ich Ben mein Kinn entgegen.

„Keine Ahnung vielleicht hatte er es dir gesagt, nachdem er dir in den Wald gefolgt war, weil du heute morgen in der Eingangshalle wütend an ihm vorbei gerauscht bist, ohne ihn zu beachteten, und er mit dir reden wollte.“ Mit jedem Wort klang er gereizter, was ich mit Genugtuung registrierte.

„Er hat aber nicht mit mir geredet.“

„Natürlich, ich hab doch gesehen, wie er dir in den Wald nachgerannt ist.“ Er setzte einen trotzigen Blick auf und verschränkte selbstsicher die Arme vor der Brust.

"Ach stimmt jetzt erinnere ich mich. Er hat nach mir gerufen, und als ich mich umgedreht hatte,  hat er sich doch tatsächlich in einen Vogel verwandelt und ist davon geflogen", erwiderte ich und war gespannt auf seine Reaktion. Natürlich erkannte Ben, dass ich log, aber nicht weil es seine Gabe war, sondern weil die Lüge so offensichtlich war, dass selbst ein zweijähriger sie erkannt hätte. Wütend presste Ben die Lippen zusammen, weil er erkannte, dass ich ihm zum Narren hielt, und er dazu noch nicht mal wusste, was der Wahrheit entsprach von dem, was ich sagte, da ich mich vor ihm schützte. Das führte dazu, dass er seine bis jetzt mühsam zurückgehaltene Wut nicht mehr versuchte zu unterdrücken. Die Abneigung, die er zu mir hatte, flammte erneut in seinen Augen auf und ich konnte den Ekel, den er mir gegenüber hegte, deutlich spüren. Fast hörte ich seine Gedanken, die immer und immer wieder schrien, dass ich ein Monster sei.

"Oder nein warte, ich hab gewartete, bis er vor mir stand und dann hab ich ihm die Zähne in den Hals geschlagen und von seinem Blut getrunken, bis er tot zu Boden sank. Das ist es doch, was du denkst. Ich bin ein Monster und hab mich nicht im Griff." Zornig funkelte ich ihn an, und legte in die Worte all den Selbsthass, den Ekel mir selbst gegenüber und die Wut über mich und all die anderen, die sich in mir aufgestaut haben.

"Das ist nicht lustig, darüber macht man keine Witze! Du weist, dass das nicht stimmt", presste Ben gezwungen hervor, doch die Blässe und die Sorge, die sich in seinem Gesicht breit machten, verrieten ihn. Denn genau das hatte er befürchtet. Genau deswegen war er hierher gekommen, um sich zu vergewissern, dass ich Derek nichts getan habe.

BlutrauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt