13.

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Laura

Ich ziehe mir wieder eigene Klamotten an. Eine Jeans, ein Oberteil. Ganz normal. Wegen der Selbstachtung Schminke ich mich ein wenig und lege mir Schmuck an. Ich mache mir einen Kaffee und hole meine Unterlagen für die Uni. Ich habe noch eine Stunde bis ich los fahre, um Rico zu treffen. Auf dem Weg werde ich tanken und vorher die Wäsche in die Maschine schmeißen. Ich habe ein paar Nachrichten bekommen aber ich lese sie nicht. Ich habe nicht die Kraft dafür.

Während ich so in meinem Wohnzimmer sitze und meinen Laptop starte fällt mir die Tiefe Stille in meinem Heim auf. Ich laufe zu meinem Radio und schalte es ein. Mal sehen. Vielleicht fühle ich mich so weniger einsam.
Ich beginne zu arbeiten und lausche dem Sender nicht einmal. Es tut nur gut etwas zu hören. Und dann trifft mich ein Name den der Typ sagt. Bausa, sagt er. Die neue Single, Platz eins in den Charts. Im nächsten Moment beginnt dieses Lied. Ich mag den Song eigentlich, es ist ein schönes Lied. Aber mir läuft ein kalter Schauer den Rücken runter, als er zu singen beginnt. Ich weiß, dass einige der Nachrichten auf meinem Handy von ihm sind. Ich habe seinen Namen gelesen. Doch ich fühle mich noch nicht bereit sie zu lesen. "Ich komm wieder wenn sie ruft, deine Liebe ist nicht echt aber dafür ist sie gut....", ist meine Liebe echt? Verdammt, was rede ich da! Ich liebe ihn nicht. Ich stehe auf ihn, ja. Ich finde ihn attraktiv, wie Sau, aber ich liebe ihn nicht. Ich kann nicht mehr lieben. Ich klatsche meine Hand auf das Radio, sodass die Musik aufhört. Was auch immer, denke ich, das muss ich mir nicht geben. Damit stelle ich meinen PC auf Standby und meine Gefühle ebenso. Standbymodus all over.

Ich schnappe mir den Wäschekorb und blicke nochmal in den Spiegel. Ich sehe mitgenommen aus, doch Rico wird es auf meine nächtlichen Aktivitäten schieben und nicht weiter fragen. Gott sei dank. Meine Handtasche und die Autoschlüssel in der Hand klemme ich mir den Wäschekorb zwischen Hüftknochen und Oberarm und mache mich auf den Weg.

Mein TT ist eiskalt. Ich bin drei Tage nicht gefahren. Zur Uni fahre ich meistens mit der Bahn, um mich nicht jeden Tag mit der Parkplatzsuche und den Spritkosten herumzuschlagen. Als ich den Motor starte hebt sich meine Laune. Es ist der Wahnsinn, wie sehr ich dieses Auto vergöttere. Ich fahre zu einer Tankstelle, tanke mein Baby und hole mir noch eine Cola. Ein paar Kalorien auf meinen sonst leeren Magen. Wieder bei meinem Auto packt mich der Größenwahn. Wie eine Geisteskranke heizte ich aus der Tanke und lenke meinen Wagen in Richtung Autobahn. Ich habe noch eine Dreiviertelstunde Zeit, das reicht für eine Runde Vollgas. Ich schnappe mein Handy und öffne Spotify. Mit Technobeats aus den Lautsprechern und Drehzahl 5000 ziehe ich links an allen vorbei und habe endlich den Kopf frei. Das Wetter ist noch immer sonnig und trocken und langsam kann ich wieder Lächeln. Mein Baby lässt mich nie im Stich.

Später sitze ich mit Rico in einem Billiglokal und mache mich über meine Pizza her. Er erzählt mir gerade im Schnelldurchlauf seine Woche. Scheint ziemlich unspektakulär gewesen zu sein, doch die Witze die er einwirft und seine charmante Art machen die Story wieder zu einem echten Lacher. Mit ihm habe ich nie das Gefühl Sorgen zu haben. Ich höre ihm gerne zu und kann aber auch genauso viel erzählen ohne Angst haben zu müssen, dass er mich für irgendwas verurteilt. Am Ende seiner Geschichte habe ich Tränen in den Augen vor lachen. "Und wie war deine Woche Kleine Maus?", ich beruhige mich allmählich und überlege. Ich beschließe, ihm nichts von Bausa Schrägstrich Julian zu erzählen. Einerseits, weil es nicht viel zu erzählen gibt, andererseits, weil es ja sowieso vielleicht vorbei ist. Weil ich ihn aber auch nicht belügen will trinke ich einen Schluck und zwinkere geheimnisvoll bevor ich erzähle: "Ich hab jemanden kennen gelernt.", seine Augen werden groß. Er grinst von einem Ohr zum Anderen. Er freut sich aufrichtig. Wie süß! "Echt? Erzähl mir alles.", ich lache "Naja viel ist noch nicht passiert, ich hab ein paar mal was mit ihm gemacht und einmal bei ihm geschlafen aber wir waren zu besoffen für Sex. Wir haben uns noch nicht mal geküsst.", und in dem Moment in dem ich die Worte ausspreche erwacht meine Libido. Warum hat er mich nie geküsst? Warum habe ich ihn nie geküsst? Ich schiebe es auf meine Zurückhaltung wegen Patrick. Aber jetzt, da die Wahrheit ausgesprochen wurde, ist es als stünde ich nicht mehr in Patricks Schuld. Und ich will Ju. Ich will ihn küssen. Ich will das er mich küsst. Ich will das er mich berührt - überall. Rico sagt irgendwas, doch ich denke tatsächlich nur an Baui, seine Hände, seinen Mund und letztendlich seinen Schwanz. Im Restaurant. Die Worte meiner Mutter fallen mir ein "Es überfällt dich überall und du kannst nichts dagegen tun, glaub mir." Scheiße, und wie! "Mäusemaus?", ich schüttle die Gedanken ab "Hm?", Rico lacht "Du brauchst definitiv seinen Schwanz.", ich schlucke. Manchmal habe ich wirklich Angst, Rico könnte Gedanken lesen. "Ich glaube auch, ja.", lache ich. Und meine es absolut Ernst.

Wieder zuhause angekommen lade ich mir dann auch mal Bausas Album runter. Ich höre mir das ganze Ding an. Dreifarbenhaus. Ich kenne einige Mädchen die dort arbeiten. Im Business kennt man sich eben. Sind allesamt sehr lieb, aber jetzt will ich sie - jede einzelne - umbringen. Weil sie ihn hatten. Hunderte Male. Und ich? Eigentlich auch. Doch er weiß noch immer nichts von Baby. Ich fühle mich noch immer nicht so gut deshalb aber es ist erträglich. In genau dem Moment kommt eine Nachricht. Sie ist von ihm. Mein Herz macht einen Hüpfer. Gott, wie heftig ist das. Wenn man Gefühle zulässt scheint sich die gesamte angestaute Masse auf einmal über einen zu ergießen. Ich lese die Nachricht zehn Mal durch, nur weil sie von ihm ist. Und dann noch drei Mal um den Inhalt zu verstehen.

An: Laura
Bausa: Bitte schreib

Ich kann mich einen Moment nicht bewegen. Was soll ich ihm schreiben? Ich weiß nicht wie ich mit all dem umgehen soll. Ich entsperre mein Handy und schinde Zeit indem ich ihn umspeichere. Julian. Weil er so heißt und für mich schon seit einiger Zeit nicht mehr nur der  'Bausa' ist.
Dann überwinde ich mich, öffne die App und seinen Chat. Heilige Scheiße! Locker zehn Nachrichten. Die meisten sind ein einfaches "Es tut mir so leid bitte schreib zurück" dann noch zwei mal "hallo?" und ganz oben - heute Morgen - zwei längere Texte:

An: Laura
Julian: Hey. Ich weiß du hasst mich jetzt aber du hast mir das nie erzählt schau mal ich bin ein eifersüchtiger Mensch und ich mag dich deshalb hab ich das gemacht. Ich will dich ganz für mich allein da bin ich ehrlich und ich bin so wie ich bin und ich änder mich nich für jemanden

An: Laura
Julian: und es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid Kleines. Meine Wohnung ist so leer ohne dich und ich schreib nie so schwul das soll was heißen .. verzeihst du mir das? Lass treffen und reden

Und dann noch eine. Bei der ich Grinsen muss.

An: Laura
Julian: ich bezahl dich auch ;)

Dann kam nur noch stündlich, dass es ihm leid tut. Ich überlege eine ganze Weile bevor ich mich zu einer Antwort durchringen kann. Ich hoffe, dass ich keinen Fehler mache.

An: Julian
Laura: wann hast du Zeit

Ich sperre mein Handy und schließe die Augen, konzentriere mich ganz auf meine Atmung. Okay, ich hole ihn mir. Das wird Meiner. Das Geräusch einer neuen Nachricht verursacht eine Gänsehaut an meinem ganzen Körper.

An: Laura
Julian: Morgen Abend?

Ich überlege gerade als noch eine Nachticht kommt. Morgen will ich nicht, Dienstag? Dienstag sehe ich ihn sowieso, er weiß es nur noch nicht. Mal schauen ob er Baby sehen will wenn er doch jetzt Laura will.

An: Laura
Julian: es tut mir wirklich leid

Ich schüttle den Kopf. Wie paranoid er ist!
Hoffentlich ist das nicht immer so, ich kann das nicht haben. Und für einen Mann, der andauernd fremdzwitschert und in jedem Club schon locker die Hälfte hatte ist er ziemlich Besitzergreifend.

An: Julian
Laura: sagtest du bereits. Mittwochabend? Morgen hab ich Vorlesung. Dienstag geht nicht.

Was gelogen ist, aber ich brauche Zeit für mich um mir darüber klar zu werden was ich gerade getan habe. Seine Antwort kommt praktisch sofort.

An: Laura
Julian: ich hol dich ab wann hast du aus?

Ich schaue in meinem Kalender nach. Uff, um sieben abends.

An: Julian
Laura: Erst um 7 😰

An: Laura
Julian: ok ich warte dann da wo ich letztes Mal stand. Muss los geh Studio babe bis Mittwoch

Okay. Er ist also wieder im Studio. Ich bin froh, dass er dort ist. Da ist er in seinem Element und kann frei atmen. Mit einem Lächeln widme ich mich wieder meiner Hausarbeit. Die Wäsche hänge ich später auf bevor ich mir zum ersten Mal seit langer Zeit einen Salat zuhause zubereite.

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