25.

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Baby

Zwei Wochen später klammere ich mich wieder mit eiserner Kraft gegen das Metall und schlinge meine Beine elegant um die Pole. Im Hintergrund läuft Vulnerable von Tinashe. Ich kenne das Lied schon auswendig so lange tanze ich hier schon. Noch immer habe ich mein kleines Geheimnis für mich behalten. Julian denkt bis heute ich hätte viel zu lernen und verbringe deshalb die nächsten zwei Tage zuhause. Er kommt nicht mehr in den Club was mich offengestanden zutiefst beruhigt und ebenso beeindruckt. Er hält tatsächlich die Treue wie ich mir auch von den Huren im Dreifarbenhaus und dem Saunaclub zwei Häuser weiter habe sagen lassen. "Baui?", meinten sie "Der war seit einigen Wochen nicht mehr hier.", damit klackerte die Brünette Botoxschlampe hochnäsig weiter. Ich habe nichts gegen die Prostituierten hier. Die meisten sind ganz okay. Aber diese finde ich so widerlich das ich ihr nur alte eklige Säcke auf den Leib wünsche. Anyways. Giulia beobachtet mich den ganzen Abend lang mit einer seltsamen Intensität. Ich werde nicht schlau daraus doch so wie ich ihre direkte Art einschätze, wird sie mir am Ende meiner Schicht den Grund nennen.

"Baby kommst du in die vier?", ruft eine der beiden neuen. Ich nicke. Schon wieder Séparée. Mühselig unterdrücke ich ein Augenrollen. In letzter Zeit finden sich hier nur noch Schmierlappen ein, da die Preise gesenkt wurden.
Der Typ sitzt in einer lässigen Position auf dem Sofa und grinst mich durch seine gelblichen Zähne an. "Hey Hübsche.", murmelt er. Seine Stimme ist erstickt. "Hey Hübscher.", gebe ich kokett zurück und spiele mädchenhaft mit meinen Haaren. "Lapdance oder Pole?", meine Standartfrage. "Lap.", geil! Ekelhaft. "Kostet mehr.", er schüttelt den Kopf "Egal.", und ich beginne auf ihn zuzuschreiten.

Zwei Stunden später begebe ich mich in die sechs. Ein weiterer Séparéekunde. Ich öffne die Tür und schließe sie hinter mir ohne auf den Kunden zu achten. Als ich mich umdrehe bleibt mir fast das Herz stehen. Was tut sie hier?! Ich bleibe abrupt stehen. "Das ist also dein Nebenjob.", ich starre sie an. "Sofie?", sie nickt "Achwas?", ich schlucke "Jeder muss irgendwie Geld verdienen.", sie nickt "Du meldest dich nicht mehr.", ich presse die Lippen aufeinander. Das stimmt. "Tut mir leid.", murmle ich. Sie lächelt und ihre Züge werden weicher. "Wie lang machst du das schon?", fragt sie und klopft auf das rote Sofapolster. Ich folge ihrer Aufforderung und setze mich. "Keine Ahnung. Ein Dreiviertel Jahr vielleicht.", sie nickt. "Sag mal zahlst du grade für mich?", sie nickt wieder und beginnt zu lachen. "Ja! Du bist jetzt meine persönliche Stripperin.", ich pruste los. Wie dumm! "Du bist doch blöd.", sie nickt "Ich wollte dich nicht in der Uni darauf ansprechen.", und wir sitzen eine Weile schweigend da. Mir fällt zum ersten Mal auf wie spärlich die Räume eigentlich möbeliert sind. Ein Sofa, eine Pole, eine Kommode. Die Fenster sind schwarz verkleidet und lassen kein Tageslicht rein. Es ist eigentlich wie ein Gefängnis. Nicht zum ersten Mal frage ich mich, wieso Leute gerne in so eine Festung von Oberflächlichkeit und Vertuschung gehen. Sofie beobachtet mich mit einem halben Schmunzeln von der Seite. "Ich wollte immer wie du sein. Du bist so schön und hast eine so krasse Figur. Außerdem hast du dein Leben so gut im Griff.", ich senke den Blick und denke über die Definition von 'im Griff haben' nach. Im Grunde genommen versuche ich nur zu überleben. "Ich glaube, damit hast du ein völlig falsches Bild von mir.", ich zögere damit ihr Informationen zu geben. Sie lacht. "Das glaube ich jetzt auch. Wieso lässt du dich so schikanieren? Was ist denn passiert?", ich seufze. Deshalb rede ich nicht über diesen Job. Die Leute kriegen das in den falschen Hals. Ich mag den Job. "Nichts. Ich mache das von mir aus. Aus freien Stücken.", sie beginnt an ihrer Unterlippe zu nagen. Ihre blonden Locken stehen kraus in alle Richtungen ab und mir fallen die tiefen Augenringe auf. Irgendetwas belastet sie offensichtlich. "Was ist los Sofie?", sie schnaubt kurz. "Vorhin ist hier ein blonder Typ reingelaufen und hat sich doch bei dir an die Pole gesetzt vorne.", ich erinnere mich. "Das ist mein Freund.", oh! Verlegen senke ich den Blick. "Wirklich?", sie nickt "Ich habe schon eine Weile gespürt das es krumme Dinge dreht. Aber sowas hätte ich nicht erwartet. Er geht auch zu Nutten.", ich versuche betroffen dreinzublicken. "Scheiße.", sie nickt. "Vermutlich sollte ich dich jetzt hassen.", und dann: "Du bist mit Bausa zusammen hab ich recht?", überrascht starre ich sie an. "Woher weißt du das?", sie lacht "Er holt dich seit drei Wochen immer wieder von der Uni ab und jedes Kind sieht wie eure Augen strahlen wenn ihr euch seht.", ich kann mein Lächeln nicht unterdrücken. Julian. "Ja es stimmt. Aber erzähl es bitte keinem. Genauso wie das hier.", ich deute auf die Pole um meine Worte zu unterstreichen. Sie verdreht die Augen und blickt mich amüsiert an "Ich bitte dich. Als wäre ich eine Verräterin.", ich nicke beruhigt. "Ist er gut im Bett? Ich mein die Musik die er macht ist schon sexy.", ich pruste los. "Ja der Sex ist gut. Aber hör mir mit der Mucke auf. Egal wo er ist, was er tut, er singt.", sie beginnt auch zu lachen "Kann ich mir vorstellen.", ich nicke und spiele mit meinen Fingern "Letztens hat er in der Dusche gerappt was er gerade tut.", ich ahme seine Gestik nach und trällere den berühmten Bausa-Dusch-Song vor mich hin. Sofie lacht Tränen. "Wirklich jetzt?", ich lache ebensfalls "Ja! Und beim kochen dasselbe. Also wenn er mir mal dabei hilft.", sie grinst. Plötzlich wird sie ernst. "Laura ich will das wir Freundinnen sind.", ihre blauen Augen fixieren mich. "Okay.", sie lächelt.

"Baby kommst du kurz?", ich bin gerade dabei nach meiner Schicht in Richtung Umkleide zu laufen als Giulia aus dem Dunkel tritt. Ich folge ihr wortlos in das Büro des Chefs. Mein Puls schlägt schneller, was wohl passiert ist?
"Baby. Setz dich Kleines.", ich gehorche und versuche nicht auf die anzüglichen Blicke meines Arbeitgebers einzugehen. "Was gibts?", lenke ich seine Aufmerksamkeit wieder auf mein Gesicht. "Hör zu: du bist hier eine der besten im Laden. Wir wollen dir eine bessere Position geben. Natürlich bekommst du dann auch eine Lohnerhöhung.", ich schnappe nach Luft. Oh! "Ich kann aber nicht mehr arbeiten. Ich studiere doch.", Giulia nickt "Das meinen wir nicht. Der Chef und ich wollen dir die Personalleitung übertragen. Du musst schauen wer sich halten kann und wer rausfliegt.", bitte was?! "Das kann ich nicht. Ich kenne doch die Mädchen kaum.", mein Chef lacht. Sein Lachen Klingt hohl und röhrend. Mich durchfährt ein Schauder. Für einen Moment wünschte ich, Julian wäre da. Doch ich verdränge den Gedanke schnell. Nicht hier. "Glaub mir Liebes. Du hast dazu das geeignete Know-how. Es geht weniger um die Menschen als um die tänzerischen Fähigkeiten.", er klopft mit seinem Kuli immerzu auf den Tisch. "Wieso jetzt plötzlich?", mir dämmert schweres. "Der Club wird restauriert und ich habe neue Vertragspartner. Wir erhöhen die Preise und das Ambiente wird eleganter. Meine Geschäftspartner und der Hauseigentümer sind nicht begeistert von der dreckigen Atmosphäre hier drinnen. Sie wollen einen eleganten und unscheinbaren Laden.", ich rümpfe die Nase "Im Rotlichtbezirk?", Giulia grinst "Ich hab auch gesagt, das macht keinen Sinn. Aber sie verkaufen den Laden sonst und wir wären alle arbeitslos.", ich blase die Backen auf. "Und was ist meine Position in dem ganzen?", wie soll ich über die Stripperinnen entscheiden? Manche kenne ich kaum. "Personalleiterin. Wie oft noch? Das ist ein einfacher Job glaub mir.", mein Chef legt den Kopf schief und versucht scheinbar niedlich auszusehen. Ein misslungener Versuch.
"Und mein Gehalt?", er lacht "Ihr seit doch alle gleich. Alles Geldgeile Schlampen.", ich beiße mir auf die Zunge um ihm nicht zu antworten. Bei dir schon, Arschloch! Stattdessen zucke ich nur mit den Schultern. "Ich zahle dir sechshundert mehr. Monatlich.", okay. Das ist ein gutes Angebot. Und bei genauerem Überlegen scheinen sich Personalchefs nicht zu überanstrengen. "Ich denke darüber nach.", beende ich das Gespräch und stehe auf. Ich bin müde und möchte das nicht jetzt entscheiden. "Okay. Geh heim du bist durch für heute.", mein Chef erhebt sich höflicherweise ebenfalls. "Ich weiß. Danke.", damit verlasse ich den Raum und schnellstmöglich auch den Club.

In meinem TT verharre ich einen Moment in der schützenden Dunkelheit des verhangenen Stuttgarter Morgens. Personalleiterin in einem Stripclub. Macht sich sicherlich super in einem Lebenslauf. Scheiße!
Die gähnende Stille um mich herum und die Müdigkeit hüllen mich in eine seltsame, watteartige Zufriedenheit. Das Blut dröhnt in meinen Ohren und ich habe einen leichten Tinnitus von der vorangegangenen Musik im Club. Sechshundert Tacken sind eben sechshundert Tacken. Langsam lege ich die Rolle der Nacht ab. Mein nächster Gedanke gilt Julian. Ich kann spüren wie mein Puls sich beschleunigt. Fast kann ich seinen Geruch in der dünnen Luft im Auto riechen. Heute Abend gehen wir ein bisschen in die Stadt. Ich überlege, Sofie und Luca zu fragen ob sie sich dazugesellen wollen doch vorher müsste ich Ju fragen. Voller Zuversicht und Vorfreude mache ich mich auf den Weg nachhause. Ich habe noch viel Haushalt und Schlaf nachzuholen bevor ich fit genug für Saufgelage bin.

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