8. Kapitel

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Entsetzt starrte ich sie an. „Greifen denn gar keine Lehrer ein?"
Sam antwortete nicht. Es war, als hätte dieser Streit etwas faszinierendes an sich. Sie konnte gar nicht die Augen davon lösen, so wie viele anderen hier in der Mensa.
„Sam?"
Verwirrt drehte sie sich zu mir um. „Ach so, die Lehrer würden selbst parteiisch sein. Jeder hält hier zu seiner Natur."
Ich riss erstaunt die Augen auf. „Was?! Das ist hier immer so?" Doch Sam hörte mir schon gar nicht mehr zu, was ich ihr allerdings nicht verübeln konnte, weil der Streit sich gerade dramatisierte. Weitere Stimmen erhoben sich, Fäuste flogen und wenn ich mich nicht irrte, blutete da jemand. Ich schluckte. An frühstücken war nicht mehr zu denken. Ob das hier öfter so abging?
„Lass uns lieber schon mal zum Unterrichtsraum gehen.", murmelte Sam. „Das wird mir hier zu heftig ..."
Ich nickte nur stumm.

Als erstes hatten wir eine Doppelstunde Werwolfunterricht. Sam erzählte mir, dass es dafür einen extra Raum gab. Man musste einmal die Mensa durchqueren und dann rechts abbiegen. Der Trainingsraum, wie sie es nannte, entpuppte sich als kleine Sporthalle. In der Mitte und an der rechten Wand des Raumes befand sich jeweils eine flache Matte. Auf der linken Seite hingen drei große Sandsäcke. An der Wand daneben befand sich ein Whiteboard. Es gab auch hier eine Art Erker. Nur war dieser im Gegensatz zu meinem Zimmer komplett offen und von einer weichen Matte an der Wand ausgekleidet. Das sah nach Kämpfen aus ...
„Und? Cool, nicht?" Sam sah mich begeistert an.
„Ja, super cool!", log ich und ich hoffte das man mir meine Unsicherheit nicht anmerken konnte.
Da wir früher da waren, befanden sich außer uns nur zwei andere im Raum. Ein durchtrainierter Junge und ein recht schlankes Mädchen mit auffallend schwarzen Haaren.
„Wer unterrichtet das denn?", fragte ich leicht skeptisch. Nur zu Sicherheit ...
„Chris. Er ist nett, aber ziemlich hart.", antwortete Sam. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Als ich ihn das erste Mal sah, hatte ich schon ziemlich großen Respekt vor ihm. Er ist so groß und muskulös und irgendwie einschüchternd. Aber Angst haben braucht man echt nicht. Er tut in Wahrheit keiner Fliege etwas zu leide." Sie lächelte mich aufmunternd an.
Ich versuchte ein ebenfalls Lächeln - Mehr schlecht als recht.

Zehn Minuten später betrat ein riesiger Typ, um die dreißig, mit Muskeln bepackt, den Raum. Das war er. Sam hatte nicht übertrieben. Er war etwa eins neunzig groß und ich mit meinen knappen eins siebzig fühlte mich neben ihm wie ein Kind. Hinter ihm kamen auch Jeff, der ein blaues Auge hatte, Nadine und Cherry, Luke, die beiden Mädchen von gestern Abend und fünf weitere herein. Sie alle trugen normale Klamotten.
„Hi!", rief Chris. Seine Stimme war noch dunkler, als ich es erwartet hatte. Es war beinahe ein Grollen, das aus seiner Kehle kam! „Setz euch bitte in einen Halbkreis."
Wir folgten seiner Anweisung. Rechts von mir saß Sam und links von mir Luke. Er lächelte mich an. Ich erwiderte sein Lächeln zaghaft.
„Also, es gibt einen Neuzugang." Er nickte mir zu. Schlagartig wanden sich alle Köpfe zu mir. Ich wurde rot. „Stell dich bitte kurz vor!"
O Gott, bitte nicht. Schüchtern blickte ich in die Runde. Erwartungsvoll sahen alle mich an. „Ich ... äh, bin Lia Williams und bin sechzehn Jahre alt. Ich habe bis jetzt in San Francisco gelebt und erst vor kurzem erfahren, dass ich ein ... Werwolf bin." Puh, gar nicht so schwer! Trotzdem glühten meine Wangen und ich hätte sie am liebsten mit meinen Händen gekühlt.
„Danke dir! Gut, nehmt euch eure Trainingsanzüge und zieht euch um. Danach tut ihr euch in Zweiergruppen zusammen. Ich sage dann, was ihr machen müsst." Chris stand auf und ging zu seiner Tasche. Er griff hinein und reichte mir einen schwarzen Ganzkörperanzug. „Die hier sind extra für Werwölfe entwickelt. Wenn ihr euch verwandelt, verhindert das reißfeste Material, dass es reißt und ihr nackt dasteht." Er grinste und deutete auf zwei unauffällige Türen in der Wand hinter den Boxsäcken. „Da sind die Umkleiden."
Sam wartete bereits vor einer der Türen auf mich.
„Wo ist dein Anzug?", fragte ich, als wir hintereinander den engen Raum betraten. Er war nur spärlich von einer nackten Glühbirne an der Decke beleuchtet und es gab eine Reihe Spinde und gegenüber davon eine Bank.
„Hier", sagte sie und öffnete ihren Spind. Darin befanden sich ein paar Flaschen Wasser, Deo und ihr Anzug. Sie zerrte ihn heraus und begann ihre Sachen auszuziehen.
Ich ging zu dem einzigen noch freien Spind, er war ganz hinten oben, und inspizierte ihn. „Kann ich eine Flasche Wasser von dir haben? Ich hab nichts dabei.", fragte ich Sam kleinlaut.
Die nickte sofort. „Klar! Hier." Ich nahm die Flasche entgegen und stellte sie in mein Fach.
Fünf Minuten später versammelten wir uns in Zweierteams wieder im Trainingsraum. Sam und ich bildeten ein Team.
„Ok, für den Start in die Woche machen wir einen Parcours.", erzählte Chris. „Immer zwei Teams teilen sich eine Station. Nach sieben Minuten wird gewechselt." Er teilte die Teams den Stationen zu. Wir waren mit Jeff und Luke zuerst bei den Sandsäcken. Da es nur drei gab, war ich als Neue diejenige, die leer ausging. Sam war so konzentriert am zuschlagen, dass ich sie nicht unterbrechen wollte und Jeff ... war Jeff. Es blieb also nur Luke, der gerade seine Finger etwas dehnte.
Ich hatte noch nicht einmal etwas gesagt, da fiel ihm auch schon auf, dass ich noch ohne Sandsack war. „Hey, willst du bei mir mit boxen?"
Ich nickte erleichtert. „Danke!"
„Mach du ruhig zuerst." Seine Augen strahlten mich förmlich an. Das machte mich irgendwie nervös.
„Ich kann aber noch keinen der Schläge.", gab ich zu.
Luke nickte, als hätte er das wissen müssen. „Ach so, klar. Also, ich zeig dir mal die Basics." Er rückte ein Stück näher und ich wich unwillkürlich etwas zurück. Es schien ihm jedoch nicht aufgefallen zu sein. „Du musst deinen Daumen oben an deine Faust legen. Ungefähr so. Und dann so zu schlagen." Er machte es vor. „Versuch du es mal!"
Ich trat zögerlich vor den Sack und schlug so fest zu wie ich konnte - Der Boxsack bewegte sich keinen Millimeter. Peinlich berührt wand ich mich ab.
„Gar nicht mal schlecht!", lobte er mich, doch ich glaubte ihm kein Wort. Sicher meinte er es nur nett. „Du musst nur aus dem ganzen Arm schlagen, nicht bloß mit dem Handgelenk. Stell dich breitbeiniger hin. Ja, gut so!"
„Stationswechsel!", rief Chris plötzlich und meine Boxlehrstunde war vorbei.

Werwolfsnacht - Die Chroniken von IntoriaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt