„Mrs Williams, richtig?" Mr Gilbert setzte sich hinter seinen massiven Schreibtisch aus Eichenholz. Der Raum war mit dunklem Holz vertäfelt und hatte nur ein Fenster an der linken Seite, durch das man gegen die Hauswand des Schlosses guckte. Ich setze mich ihm gegenüber auf einen Stuhl. Er musterte mich eingehend.
Ich nickte langsam.
„Dass Sie zur Unruhestifterin werden würden, war eine Überraschung für mich." Er setzte eine Lesebrille mit goldenem Rahmen auf und zog eine Akte aus seiner Schreibtischschublade. Scheinbar war es meine. Er durchblätterte sie langsam. „Sie sind nie negativ aufgefallen, haben gute Noten, auch Ihre Mutter war hier an der Schule und hatte nie Schwierigkeiten, Sie haben hier anständige Freunde gefunden, na ja von Jeff mal abgesehen ...", zählte Mr Gilbert auf. Er fuhr sich durch seine kurzen grauen Haare. „Wieso also passieren diese, nun ja, Vorfälle?"
Ich senkte den Blick. Was sollte ich darauf antworten? Ich fühlte mich schrecklich unwohl, von der Tatsache, dass ich nur eine Decke trug, mal abgesehen. „Ich ... ähm, weiß nicht genau Sir."
Er zog beide Augenbrauen hoch. „Ach nein? Und wer sonst soll wissen, wieso das passiert?"
Ich schwieg. Ich wusste es nicht! Wirklich nicht! Es war einfach so über mich gekommen, immerhin war ich erst seit drei Tagen ein Werwolf. Da konnte man doch wohl keine Perfektion erwarten.
„Gut. Dann kommen wir eben ohne Begründung zur Maßnahme. Ich muss Sie zu extra Kontrollunterricht verdonnern. Sicher hat Sie Mrs Andrews schon darauf hingewiesen." Er sah mich mit durchdringendem Blick an.
„Ja.", murmelte ich leise.
„Sie werden am Samstag von acht bis dreizehn Uhr Kontrolltraining bei Chris haben. Wenn die Vorfälle dann nicht aufhören, bekommen Sie eine Verwarnung. Haben wir uns verstanden?"
Ich nickte.
„Gut." Er stand auf. „Sie finden allein hinaus."
Damit war ich entlassen. Ruckartig stand ich auf und wickelte die Decke enger um mich. Dann verließ ich ohne ein weiteres Wort den Raum.Sam und die anderen sah ich erst beim Abendbrot.
„Du musst wirklich zum Extratraining?", fragte Sam ungläubig während sie sich ein Steak auf den Teller hievte.
„Jap." Ich lud mir ein Stück Nacken auf den Teller. Extra roh - Lecker!
„Oh man! Pass echt auf! Nicht, dass du noch von der Schule fliegst ..." Sie sah mich warnend an.
„Keine Sorge! Das wird schon nicht passieren.", beruhigte ich sie. Auch wenn ich mir da nicht so sicher war. Die Regeln hier waren ziemlich streng. Aber ich meine, was hatte ich schon verbrochen? Okay, ich hatte zwei Mal einen anderen Schüler angegriffen und ein bisschen zu viel geredet, aber deshalb schon solche Maßnahmen? Etwas übertrieben, würde ich sagen.
Wie aus dem Nichts tauchte Luke auf. „Ziemlich cool, wie du damit umgehst!" Er sah mich bewundernd an. Der hatte mir gerade noch gefehlt!
„Danke.", murmelte ich und deutete Sam zurück zum Tisch zu gehen, doch sie dachte nicht im Geringsten daran.
„Hey Luke, nimm auch was von dem Steak! Das sieht heute besonders gut aus." Sam klimperte mit den Wimpern. Ich verdrehte die Augen.
„Okay. Ja, du hast recht! Sieht echt gut aus." Er legte sich eins auf den Teller.
„Hättest du Lust nachher noch in den Computerraum zu gehen?", fragte sie gespielt beiläufig und tat so, als würde sie das Buffetangebot betrachten.
„Kommen die anderen auch?", fragte Luke und sah in meine Richtung. Oh man!
„Äh ..." Sam war irritiert. „Ja, glaub schon. Ich hab sie noch nicht gefragt, ich dachte nur, es wäre eine gute Idee."
Ach, Sam. Sie würde wohl nie mit ihm reden können. Geschweige denn, sich mit ihm treffen.
„Okay, ich frag mal die anderen!" Und damit war Luke weg.
Ich legte Sam einen Arm um die Schulter. „Das war doch schon ein guter Versuch!"
Sie sah mich perplex an. „Oh Gott! Hat man mir angemerkt, dass ich auf ihn ...?"
„Nein, nein!", beruhigte ich sie schnell. „Und selbst wenn, er ist ein Junge, die merken gar nichts!" Auch nicht, das man nicht auf sie stand.
„Puh!" Sie lachte nervös. „Zum Glück!"Nach dem Abendbrot trafen wir uns alle im Computerraum, der überraschend leer wahr. Wir zogen die Stühle in die Mitte des Raumes und bildeten einen Kreis.
„Okay, cool und was jetzt?", fragte Jeff und kratzte sich am Kopf.
„Wie wär's mit einem Spiel?", fragte Sam und schlug ihre Beine übereinander.
„Und welches?" Ich sah sie fragend an.
„Na ja, die typischen: Wahrheit oder Pflicht, Sieben Minuten im Himmel, Flaschendrehen und der, der dran ist muss eine peinliche Geschichte erzählen ...", zählte sie auf.
„Ich wäre für Wahrheit oder Pflicht!", rief Mary-Ann. Alle anderen nickten zustimmend.
„Wer fängt an?" Sam sah fragend in die Runde.
„Ich!" Jeff meldete sich freiwillig.
„Wahrheit oder Pflicht?"
„Pflicht."
„Wer stellt die Aufgabe?", fragte Sam.
„Ich hab eine!", rief Rosa aufgeregt. „Also, du musst zehn Sekunden lang einen Song deiner Wahl singen."
Jeff grinste. „Das ist doch einfach." Er überlegte kurz und sang dann ziemlich schief Knockin' on Heaven's Door. Alle johlten und klatschten als er fertig war.
„Wer opfert sich als nächstes?", rief Jeff. Die Neonlampen spiegelten sich in seinen Augen als er lachte.
„Ich!", sagte Luke und hob die Hand.
„Okay, die Jungs sind hier also die Mutigen!" Mary-Ann lachte. „Wahrheit oder Pflicht?"
„Wahrheit."
„Hat jemand eine Aufgabe?"
„Ich habe eine!", rief Rosa wieder.
„Du schon wieder!", grinste ich, war aber insgeheim froh, dass ich sie nicht sagen musste.
„Okay, stehst du auf Lia?"
Shit.
Es herrschte Totenstille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so leise war es auf einmal. Ich hielt die Luft an. Wieso, verdammt, hatte sie ausgerechnet diese eine Frage gestellt?!
„Ähm ...", machte Luke. Er war rot geworden und sah unsicher auf seine Hände. „Scheiße Mann, ich denke ja."
Ich sah zu Sam hinüber. Sie starrte ausdruckslos auf den Boden und schien konzentriert. Vielleicht versuchte sie, nicht zu weinen. Ich dachte an Chris' Worte beim Training: „Also Sam, du liebst den Falschen und er wird dich nie beachten!" Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen und hätte sie getröstet, aber dann wäre sie wahrscheinlich ausgerastet, da ich die letzte Person war, die sie trösten konnte.
„Leute, lasst uns Schluss machen!", verkündete Mary-Ann, wofür ich ihr sehr dankbar war. Schweigend standen wir auf und räumten die Stühle zurück. Dann gingen wir ohne ein Wort auf unsere Zimmer.
DU LIEST GERADE
Werwolfsnacht - Die Chroniken von Intoria
Manusia SerigalaEs geschah in einer Vollmondnacht... Ich sah hoch. Vor mir stand der hübscheste Junge, den ich je in meinem Leben gesehen hatte. Seine Haut war schneeweiß, seine Haare dunkelbraun und seine Augen waren haselnussfarben. "Oh, ein Werwolfmädchen." Er...