"Hi! Schon wieder da?", fragte Sam als ich die Tür aufschloss und unser gemeinsames Zimmer betrat.
"Ja, ich ... hatte doch nicht so Lust auf Boxen.", antwortete ich. Hoffentlich fiel ihr nicht auf, dass ich gerade jemand ziemlich besonderen getroffen hatte. Ich schlenderte auffällig unauffällig durch ihr Zimmer zu meinem hinüber.
"Ist irgendwas passiert? Du bist irgendwie so komisch." Sam unterbrach ihre Arbeit an den Hausaufgaben und sah vom Schreibtisch hoch.
Mist.
"Nein, gar nichts." Ich ging mit schnellen Schritten in mein Zimmer und sagte durch den Türspalt: "Mir ist nur eingefallen, dass ich auch noch was machen muss. Also dann ..." Mit diesen Worten schloss ich die Tür und ließ mich anschließend erleichtert dagegen fallen. Ich schloss die Augen. Raphaels Gesicht tauchte vor mir auf. Sein Lächeln, seine haselnussfarbenen Augen, der muskulöse Körper ... Ich schreckte wegen meiner eigenen Gedanken zusammen. Was war nur mit mir los? Der Typ war total eingebildet und hielt sich für den Größten, wieso also konnte ich nicht aufhören an ihn zu denken? Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich so sein Bild daraus verbannen.
Okay, ich musste irgendetwas tun! Hausaufgaben? - Dazu fehlte mir die Konzentration.
Eine e-Mail an Mom schreiben? - Über was denn? Dass ich einen Vampir getroffen hatte und auf der Abschussliste der Lehrer stand? Nee.
Mich mit jemandem treffen? - Eigentlich machten die anderen ja gerade Hausaufgaben, aber Luke könnte ich fragen. Er hatte mir immerhin angeboten, mir Tauchen beizubringen. Und ich sollte ihm beim Zeichnen helfen. Ja, wieso nicht.Zehn Minuten später ging ich mit Luke durch ein kleines Waldstück, was die Zufahrt zu Overtum vom Schimmersee abtrennte. Luke hatte sofort eingewilligt, als ich ihn gefragt hatte, wie es um sein Tauchangebot stand. Innerhalb von wenigen Minuten hatte er sein Equipment zusammengesucht und wir waren aufgebrochen.
"Und du bist dir sicher, dass du das wirklich machen willst?", fragte er noch einmal nach.
"Ja!", lachte ich. "Absolut."
"Okay. Tauchen ist nicht für jeden was. Der See ist recht tief und man kann schnell Panik bekommen, wenn es dunkel wird oder man das Gefühl hat, nicht mehr genug Sauerstoff zu haben."
"Versuchst du gerade mir das Ganze auszureden?" Ich sah ihn strafend an.
"Nein, ich bereite dich nur auf die bevorstehende Situation vor!", erklärte Luke und wich einem Baum aus.
"Na klar ...", murmelte ich. "Weißt du, beim Zeichnen gibt es auch einige Gefahren. Du könntest dir zum Beispiel mit einem Bleistift in die Hand stechen oder aus Versehen ein Radiergummi verschlucken ...", zählte ich kichernd auf, wobei ich fast über eine Wurzel gestolpert wäre.
"Haha." Er blieb ernst. "Tauchen ist wirklich eine gefährliche Sache. Noch besser wäre es eigentlich, wenn du einen Tauchschein hättest. Hast du eigentlich schon mal einen Tauchkurs gemacht?"
Ich schüttelte den Kopf. "Aber das wird schon gut gehen." Ich wusste selbst nicht, woher ich diesen Elan nahm.
"So fangen die meisten Unfälle an ...", sagte Luke.
Ich ignorierte ihn.
Mittlerweile waren wir beim See angekommen. Es war Nachmittag und die Aprilsonne schien auf die glatte Wasseroberfläche, die türkisblau schimmerte. Daher hatte der Schimmersee wohl auch seinen Namen. Ein leichter Wind zog über den See und ich fröstelte leicht. Die Bäume wogen sich im Wind. Plötzlich drückte mir Luke eine Taucherbrille in die Hand.
"He, was ist das denn für ein komisches Teil!" Ich betrachtete die neongrüne Brille mit Nasenschutz skeptisch.
"Eine ganz normale Taucherbrille.", antwortete Luke und drückte mir einen Neoprenanzug in die andere Hand. „Zieh den an, sonst frierst du dir im Wasser einen ab."
„Und wo?" Ich sah mich skeptisch um. Von einer Umkleidekabine oder eine alte Holzhütte war weit und breit nichts zu sehen.
„Hinter einem Baum?", schlug Luke grinsend vor. Er legte seine Brille und seine Flossen raus.
„Was grinst du so blöd?", pampte ich ihn an.
Er antwortete nicht und grinste bloß weiter vor sich hin.
Ich drehte mich um und marschierte zu einem besonders dicken Baum.
Wenig später war ich umgezogen.
„Wills du nicht auch deinen Anzug anziehen?", fragte ich verwundert als ich wieder bei ihm war, weil er immer noch in seinen normalen Klmotten da saß.
„Ich hab meinen schon drunter.", antwortete er triumphierend und zog Pullover und Jeans aus. Mistkerl.In meiner kompletten Montur fühlte ich mich schließlich wie ein Pinguin. Die Flossen machten es unmöglich zu laufen, die Brille machte es unmöglich zu atmen und der Schnorchel ließ meinen Atem dann so klingen, wie der von Darth Vader.
Luke marschierte wie selbstverständlich zum Rand des Sees und hielt probehalber eine Hand ins Wasser. „Gar nicht mal so kalt.", stellte er fest.
„Und jetzt?" Ich hatte es mit Babyschritten zum Ufer geschafft und war schon völlig fertig.
„Geht's ins Wasser!", rief er. „Mach mir einfach nach." Er stieg mit watenden Schritten ins Wasser und stürzte sich schließlich hinein.
Ich folgte seinem Beispiel, wenn auch nicht so gut wie er. Dann begann Luke zu tauchen und seine Flossen gaben ihm Antrieb. Erst tauchte er nur an der Oberfläche, aber dann auch hinunter.
Ein paar Minuten später kam Luke wieder hoch. „Komm! Das macht Spaß!"
„Ich weiß nicht ...", sagte ich unsicher und ließ meine Arme durch das Wasser gleiten.
„Du musst nur deinen Kopf ins Wasser stecken, dann geht alles von allein!", rief Luke und spritzte mich nass.
„Okay, okay!", lachte ich und holte tief Luft. Dann legte ich meinen Kopf auf das Wasser und sah durch die Brille auf den Grund des Sees. Dort tummelten sich hunderte von bunten Fischen und Algen wiegten im Rhythmus der Strömung. Ich versuchte auszuatmen - Es war ganz einfach! Man konnte super leicht atmen und dabei die Fische beobachten. Vorsichtig paddelte ich mit den Flossen los. Sie gaben so viel Auftrieb, dass ich nichts sonst tun musste, sondern trieb einfach weiter.
"Gut!", hörte ich seine Stimme. "Und jetzt halt die Luft an und tauch etwas runter!"
Ich tauchte erstmal wieder auf. Prustend strich ich mir die Haare aus der Stirn. Luke stand keine fünf Meter von mir entfernt. "Los, versuch es!"
Ich nickte, holte noch einmal tief Luft und tauchte unter. Ein leichter Druck bildete sich auf meinen Ohren, als ich tiefer und tiefer in den See eintauchte. Es wurde etwas dunkler, aber viel weiter wollte ich eh nicht tauchen, deshalb änderte ich meine Position und stand nun praktisch senkrecht im Wasser. Mit ein paar sanften Flossenschlägen war ich wieder an der Oberfläche. Ich schwamm etwas weiter nach vorne, wo Luke auf mich wartete und wo ich stehen konnte. Ich riss mir die Brille vom Kopf.
"Wow! Du hast es geschafft!", rief er und nahm mich in den Arm.
"Ich weiß! Es war so cool das alles zu sehen! Ich kann es kaum glauben, die ganzen Fische und die Farben dort unten sind ..."
Mein Redeschwall wurde jedoch unterbrochen, als Luke mich küsste. Mitten auf den Mund.
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Werwolfsnacht - Die Chroniken von Intoria
WerewolfEs geschah in einer Vollmondnacht... Ich sah hoch. Vor mir stand der hübscheste Junge, den ich je in meinem Leben gesehen hatte. Seine Haut war schneeweiß, seine Haare dunkelbraun und seine Augen waren haselnussfarben. "Oh, ein Werwolfmädchen." Er...