Kapitel 7

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Kapitel 7:

"Jeta ... ich, es ..." setzte er an und ich wusste augenblicklich was jetzt kommen würde. "Ich weiss nicht was in mich gefahren ist, es tut mir so leid. Ich wollte das nicht ... es ... ich schäme mich so" schluchzte er und ich glaubte ihm jedes Wort, aus tiefstem Herzen.

Albert war zwei Personen - zwei Persönlichkeiten, die mich manchmal in Frage stellen ließen, ob es sich um ein- und dieselbe Person handelte. Wenn er betrunken oder high war, war er das Monster, dessen Anblick ich nicht ertragen konnte und auf das ich einen unglaublichen Hass hatte.

Wenn er nüchtern war, war er ein Mann der gelitten hatte und in dessen Kopf ein Krieg stattfand. In dem Zustand war er ein Mann, für den ich ein unglaubliches Mitleid und eine Zuneigung empfand, wie für kaum jemanden.  So hatte ich ihn die ersten sechs Monate unserer Ehe kennen gelernt. Damals hatten wir noch viel miteinander gesprochen und unser gemeinsames Leid geteilt. Wir hatten beide ein ähnliches Schicksal erlitten und das hatte uns von Anfang an verbunden. Wir waren  nicht ineinander verliebt und es war schnell klar, dass das mit uns keine Bilderbuchliebe war, sondern eine Partnerschaft, eine  tiefe Freundschaft, die sich schnell entwickelt hatte. Im nüchternen Zustand war er der verständnisvollste Mann auf Erden.

„Oh ... Albert ... „ sagte ich, während mir eine einzige Träne die Wange herunter kullerte und ich an die unzähligen Male dachte, in denen ich versuchte hatte böse auf ihn zu sein. Ich setzte mich neben ihn und lehnte mich an seine Schulter. Wir schwiegen beide und blieben lange Zeit in dieser Position. Die Wärme, die wir uns dabei gaben, brauchte keine Worte, um zu wissen, dass wir einander was bedeuteten.

Wehmütig dachte ich an die Zeit, als er noch er selbst war und noch nicht getrunken hatte.

Zeitsprung - 29. November 2015:

Ich kam gerade vom Joggen zurück und stellte meinen iPod auf die Nachttischkommode. Das Joggen hatte echt gut getan. Nicht nur, dass ich dadurch eine tolle Kondition und eine knackige Figur bekam, es war auch Balsam für die Seele. Nur so konnte man seinen Kopf freikriegen und ein bisschen Ordnung in der Psyche schaffen – ich fühlte mich wie neugeboren. Da hörte ich Onkel Azem sagen: „Bije. A po vjen tek dhoma e pritjes? E kemi nje muhabet me tye". Verwundert sagte ich: „Po, mixhe. Erdha" und ging vorsichtig ins Wohnzimmer, wo Onkel Azem und seine Frau auf dem Sofa saßen und mich traurigen Blickes anstarrten. „A ka dicka?" sagte ich und starrte die beiden mit offenem Mund an, wie immer auf das Schlimmste gefasst.

„Jo. Asgje. Ti e din qe na tye te kemi si bijen ton" setzte Onkel Azem an und hatte dabei absolut Recht. Sie hatten mich immer wie ihr eigenes Kind behandelt. Selbst Tante Merita, Onkel Azem's Frau, war mir immer wie eine Mutter gewesen. Auch wenn ich eher verschlossen war und nicht gerne viel von mir preisgab, hatte sie immer versucht für mich da zu sein und in eine Mutterrolle zu schlüpfen. 

Ich erinnerte mich an die Zeit, als ich zum ersten Mal meine Periode bekommen hatte und stundenlang im Bett lag und geheult hatte. Tante Merita war reingekommen, hatte mich in die Arme genommen und war den ganzen Abend bei mir geblieben. Ich musste ihr nicht mal sagen, was los war. Sie hatte Bescheid gewusst und war für mich dagewesen, als ich eine „Frau" geworden war. Um nur ein Beispiel zu nennen.

„Sdi si me ja nis, bije ... gestern bei der Veranstaltung für den Nationalfeiertag hat mich ein junge angesprochen. Albert. Er meinte, er sehe dich jetzt schon zum zweiten Mal bei dieser Veranstaltung und würde gerne in Kontakt treten. Er hat mir versichert, dass er nur ernste Absichten hat. Ich habe einen guten Eindruck von ihm bekommen ... ich will, dass du weißt, dass ich dich niemals zu etwas zwingen würde, bije, aber ich will dir Gutes und wollte es ansprechen ..." sagte er den Tränen nahe und umarmte mich. „Okay, jetzt bloß nicht heulen, Jet" dachte ich. Das zwar zu viel Emotion auf einmal für mich. Ich biss mir auf die Unterlippe, um die Tränen zu verhindern, während ich zu Tante Merita schaute, die hilflos daneben saß und schluchzte was das Zeug hielt ...

....

Zwei Wochen und vier Treffen später hatten Albert und ich uns entschieden den Bund der Ehe einzugehen – wir hatten in unseren Treffen viel über unser Leben, über Religion und über alle möglichen Aspekte des Lebens gesprochen. Er war, der erste Mann, mit dem ich eine Beziehung hatte, der mich geküsst und mich entjungfert hatte. Ich glaubte zu wissen, dass wir beidseitig keine „Schmetterlinge im Bauch" hatten, aber wir waren beide nicht die Typen dafür, die an bedingungslose Liebe mit Schmetterlingen im Bauch, Schwindelgefühle, Zittern vor Aufregung und so glaubten - zumal ich schon 24 und er 34 war. Aber er war ein guter Mann, er hörte zu, erzählte, verstand und behandelte mich gut. Wir waren wie zwei Seelen, die einander gut taten – zwei Seelen die zusammen gehörten, wenn auch mehr freundschaftlich als liebestechnisch. Liebe wurde sowieso schon immer überwertet oder falsch verstanden in der heutigen Zeit.

....

Sechs Monate und 6 Tage waren vergangen, seit wir uns entschieden hatten den Rest des Lebens gemeinsam zu verbringen. Wir hatten keine Hochzeit gefeiert – wir waren beide kein Fan von Tramtram. Daher hatten wir uns lediglich standesamtlich das „Ja" gegeben. Ich hatte ein schlichtes weißes Kleid von H&M angezogen und hatte meine Haare wellig frisiert.

Als ich einen Job als Krankenschwester bekommen hatten, waren wir ein bisschen weiter weg gezogen, was bedeutete, dass ich meinen Onkel sehr selten sah. Wir telefonierten aber in regelmäßigen Abständen.

An diesem Tag hatte ich Frühschicht gehabt. Als ich nach Hause gekommen war, hatte ich die Hausarbeit gemacht – gebügelt, Wäsche gewaschen, geputzt und gekocht. Ich wartete auf Albert, damit ich das Abendessen servieren konnte. Als es schon 18 Uhr war und er noch immer nicht von der Arbeit kam, machte ich mir langsam Sorgen. Ich versuchte ihn anzurufen, doch er ging nicht ran. „Komisch" dachte ich.

Gegen 20 Uhr, als ich unruhig auf und ab lief und dachte Albert sei was passiert, öffnete er die Tür. „Oh shyqyr. Ich habe mir solche Sorgen gemacht ..." sagte ich und rannte auf ihn zu. Und dann kam, das womit ich niemals gerechnet hätte ...

Një jet me tyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt