Kapitel 46

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Kapitel 46:

Jeta

Ich zitterte am ganzen Körper und wartete gespannt darauf, wer sich hinter der Tür verbergen würde. 1000 Fragen gingen mir durch den Kopf. Was wenn Luan es war? Was, wenn er uns gefolgt war?

Einerseits freute ich mich über diesen Gedanken, Hoffnung keimte auf, andererseits machte er mir unheimlich große Angst. Wie würde er reagieren? Wie würde Albert reagieren? Würde Albert ihm etwas antun? Diesem Psychopathen war momentan alles zuzutrauen.

Als er die Tür öffnete ging ich vorsichtig zu ihm und sah nach, wer es war. Ich musse dazwischen gehen, wenn etwas passieren sollte.  Er sah mich erst mahnend an, machte schließlich jedoch gute Miene zum bösen Spiel.

Eine Frau Anfang dreißig, offensichtlich eine Albanerin, stand vor der Tür, ein kleines Kind im Arm.

Enttäuschung und Erleichterung machten sich zeitgleich in mir breit.

„Mirmbrema. Ich hoffe ich störe nicht. Ich wollte euch nur willkommen heißen in der Nachbarschaft, auch wenn es schon spät ist. Der Eigentümer hat uns erzählt, wir würden neue albanische Nachbarn bekommen". Sie plauderte munter weiter „Wir sind hier fast nur Albaner, i kena do turk, ansonsten nur Albaner". Sie lachte ausgelassen und wiegte ihr Kind hin und her. „A keni fmi?" fragte sie und strahlte mich an. Ihr deutscher Dialekt war schwer und so typisch für die Schweizer.

Mir wurde bei dem Gedanken, ein Kind von Albert zu bekommen schlecht.

„Ehhh joo. Skemi" sagte ich knapp, immer noch vollkommen fertig.

Albert sah mich an und setzte sein falsches Lächeln auf, ehe er mir sanft über den Kopf strich. Reflexartig versuchte ich auszuweichen, was die Nachbarin zu irritieren schien. Sie sah erst mich, dann Albert an und versuchte aus der Situation schlau zu werden.

Albert lachte ausgelassen. „Oh, meine arme Frau. Sie ist so fertig von der Reise, dass sie nicht mehr bei ihren Sinnen ist. Danke für deinen Willkommensgruß. Kommt doch morgen auf einen Kaffee vorbei" lud er sie ein und spielte damit den perfekten Albaner. Oh nein, bitte nicht. Ich hatte nun wirklich keine Lust Friede Freude Eierkuchen mit jemandem zu spielen, der mich schlug und mir das Leben zur Hölle machte, so nett die Nachbarin auch schien.

Die Nachbarin verabschiedete sich schließlich mit einem: „Gute Nacht ihr Turteltäubchen". Ob ihr Kommentar sarkastisch war - keine Ahnung. Wie Turteltäubchen sahen wir jedenfalls nicht aus.

Als wir wieder alleine waren, verspürte ich wieder diese Angst. Er kam auf mich zu und sah mich böse an.

„Glaubst du etwa, ich habe nicht gemerkt, dass du dachtest, dass das dein Stecher ist? Pass mal auf du Flittchen", er sprach ganz leise „du wirst hier keinen Fuß mehr alleine aus der Wohnung setzen. Du wirst ewig hier drinnen schmorren, bis ich entscheide, es soll anders sein. Ab jetzt ist dein Schicksal nur noch in meinen Händen. Und wenn du dich trauen solltest auch nur irgendetwas anzustellen, dann werde ich nicht nur dich, sondern auch jeden deiner Lover umbringen, gnadenlos. Das verspreche ich dir bei meinen toten Eltern".

Ich versuchte das Zittern unter Kontrolle zu bekommen und mied seinen Blick. Meine Augen brannten. Ich wäre in diesem Moment einmal mehr am liebsten zusammengebrochen ob der Hilfslosigkeit die ich empfand. Ich nahm jedoch all meinen Mut zusammen und versuchte mich zu beherrschen.

Endlich trat er von mir. Erleichterte atmete ich stumm aus und biss mir auf den Finger, um ja keinen Ton von mir zu geben. Er schloss die Tür und schnappte sich den Schlüssel, ehe er wieder ins Schlafzimmer ging.

Ich rannte ins Badezimmer und brach dort weinend zusammen. Ich verriegelte die Tür, ehe ich meinen Emotionen freien Lauf lassen konnte. Verzweifelt betrachtete ich mein Spiegelbild. Es glich nicht einmal annähernd jenem, dass ich noch vor ein paar Tagen sah. Jenes glückliche Spiegelbild, für das Luan verantwortlich gewesen war. Luan. „Oh Luan" flüsterte ich und versuchte verzweifelt meine Tränen zu stoppen. Ich hatte ja noch nicht mal mehr ein Bild von ihm, an das ich mich anlehnen konnte. Alles was ich hatte waren Erinnerungen.

Ich betrachtete mich erneut, meine äußeren Wunden, die ich vergebens versucht hatte zu überschminken. Meine Augen, die nur noch ein leeres Nichts waren. Schließlich fiel mir das Tattoo ein. Das Tattoo. Das einzige, das mir von Luan geblieben war. Und die Kette, die ich um hatte. Ich zog mir die Bluse aus und strich sanft  über das Tattoo: „Nje jet me ty". Ach, wenn wir gewusst hätten, dass „nje jet me ty" nur einige Wochen gedauert hätte...

Müde legte ich mich auf den Badezimmerboden. Die Fließen waren eiskalt, doch es tat mir gut, denn der Schmerz lenkte mich ab. Ich blieb liegen und weinte solange, bis meine Augen immer müder wurden und ich schließlich einschlief...

- Eine grüne Wiese. Luan, braungebrannt, in weiß gekleidet. Seine große, mächtige Statur wirkt magisch in dieser weißen Kleidung. „Schatz, kommst du?" fragt er mich und lächelt mich strahlend an. Die Farbe seiner Zähne steht jener seiner Kleidung in nichts nach. Ich nehme seine Hand, die sich so warm und vertraut anfühlt. Mein Magen dreht sich fast um vor Verliebtheit.  Ich halte sie. Doch dann entreisst er sie mir. „Luan" schreie ich und sehe ihn nur noch verschwommen. „Luan"...

Schweissgebadet wachte ich im Badezimmerboden auf...

Një jet me tyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt