Kapitel 60

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Kapitel 60:

Luan

„Die schlechte Nachricht ist: Wir konnten das Baby leider nicht mehr retten".  Der Arzt sah uns mitfühlend an.

Ich hörte ihre Cousine laut weinen. Auch mir war zum Weinen zumute. Auch wenn es nicht mein Baby war, ich wollte dennoch nicht, dass Jeta sowas passiert.

Und mit diesen Nachrichten verließ uns der Arzt.

„Oh Gott. Die arme, arme Jeta. Sie wird wahnsinnig werden" schrie ihre Cousine.

„Sie wird ja so wahnsinnig vor Trauer werden" murmelte sie schließlich immer leiser, als sie keine Kraft mehr zum weinen hatte.

„Das...das..das tut mir ja so leid. Ich fühle mit ihr. Ich ... auch wenn das Kind nicht meins war. Es ist schrecklich" sagte ich, während ich einen tiefen Schmerz in meinem Herzen verspürte.

Ihre Cousine sah mich stumm an. Sie überlegte ziemlich lange, ehe sie begann mit mir zu sprechen:

„Luan. Du.. bist nicht auf dem neuesten Stand".

„Was meinst du?". Verwundert starrte ich sie an.

Sie atmete tief durch. „Ach. Es gibt so vieles, was du nicht weißt, und eigentlich ist es nicht meine Aufgabe dir das alles zu erzählen. Aber ich kann einfach nicht mitansehen, wie du nur Halbwahrheiten kennst. Das Baby ... es ... Jeta hat dich angelogen".

Ich starrte sie noch unglaubwürdiger an. „Was ... was meinst du mit angelogen?" stotterte ich nichtsahnend.

„Als sie dir erzählt hat sie sei schwanger. Da war sie es nicht. Albert hat sie erpresst..schlimm erpresst. Deshalb musste sie dir das sagen". Sie schniefte, während sie fortfuhr.

„Er hat sie gegen ihren Willen, erpresserisch in ein anderes Land verschleppt. Er hat von euch Wind bekommen und hat keine Gnade mehr gekannt. Glaub mir, Jeta ist vollkommen unfreiwillig in die Schweiz gezogen. Sie hat vollkommen unfreiwillig gelogen. Sie liebt dich immer noch".

„Dieser verdammte Hurensohn" schrie ich wie wildgeworden. Ich hatte es geahnt, ich hatte es verdammt nochmal geahnt. „Ich werde ihn umbringen. Ich werde ihn verdammt nochmal umbringen". Wütend ging ich hin und her und überlegte wie ich ihn dafür büßen lassen konnte.

„Ähmm ... ja..das ist wohl nicht mehr nötig. Er ist gestorben. Überdosis und so".

Was? Ich konnte das gerade nicht fassen? Fassungslos rekonstruierte ich die Informationen, die sie mir gerade gegeben hatte. Tot? Jeta liebte mich? Jeta war frei. Frei von diesem Monster. Ich war noch nie der Typ gewesen, der sich an dem Leid anderer Menschen erfreute, aber zu hören, dass er tot war, hatte mich einfach erleichtert. Dieser Hurensohn hatte es nicht anders verdient. Er hatte Jeta einfach viel zu viel Leid hinzugefügt. Auch wenn Jeta ihn immer in Schutz nahm.

„Oh"  war alles was ich in dem Moment sagen konnte. Ich hatte immer noch nicht eins und eins zusammen gezählt, die Hauptmessage verstanden. Bis Jetas Cousine schließlich deutlich wurde.

„Und das Baby... Das ist von dir...War von dir" sagte sie, während ihr ein weiterer Schluchzer entkam.

„Mein Baby? MEIN Baby? Unser Baby?" flüsterte ich verzweifelt, mehr zu mir selbst, als zu ihr. Mein Baby war tot? Ich setzte mich hin, da ich in diesem Moment jegliches Balancegefühl verlor. Ich war kurz davor in Ohnmacht zu fallen. Unser Baby. Sie hatte es verloren. Ein großer Schmerz breitete sich in mir aus. Tränen entkamen mir, während ich zitterte vor Trauer.

„Wa... warum hat sie mir das nicht gesagt?" fragte ich zwischen Tränen.

„Sie.. sie hat es erst vor kurzem erfahren. Sie hat ziemlich mit sich gekämpft, bis sie  sich entschieden hat sich dir anzuvertrauen. Deshalb ist sie ja auch zu dir gefahren. Sie wollte endlich für klare Verhältnisse sorgen.

„Oh Gott. Mein armer kleiner Engel. Und dann hat sie diese dämliche Nutte gesehen und hat sich in Lebensgefahr begeben. Nur weil ich so ein verdammtes Arschloch zu ihr war. Wegen mir hat sie unser Baby verloren". Schuldgefühle überkamen mich. Ich wollte mich in diesem Moment selber ohrfeigen.

„Das ... das ist nicht deine Schuld. Sie .. es war wohl so geschrieben" sagte sie.
Geschrieben. Wie ich dieses Wort hasste. Was war noch so an Leid für sie vorher bestimmt? Ich kannte keine Person, die in ihrem Leben so viel Leid erlebt hatte. In diesem Moment schwor ich mir, dass ich dafür sorgen würde, dass sie kein Leid mehr erlebt und dass ich sie auf Händen tragen würde, damit auch sie einmal Glück erleben konnte.

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Ich war die ganzen zwei Tage im Krankenhaus geblieben. Ich war nur zum Duschen nach Hause gegangen. Auch wenn ich nicht zu ihr durfte, war es mir das wert. Shqipe und ich hatten uns geeinigt, dass wir ihrem Onkel vorerst nichts sagen würden, damit wir sie nicht zusätzlich belasteten. Shqipe war zurück gefahren, um keinen Verdacht zu schöpfen.

Ich hatte auch sehr viel zu verarbeiten gehabt die letzten Tage. Ich war heilfroh, dass meine wunderschöne Jeta noch am Leben war und dass uns das Leben eine zweite Chance gab. Aber ich war auch echt traurig über den Verlust unseres gemeinsamen Kindes. Ich hatte auch eine große Angst davor, ihr davon erzählen zu müssen.

Als sie aus dem künstlichen Koma erweckt wurde, hatte ich endlich die Möglichkeit sie zu sehen. Sie schlief sehr viel und ich konnte nichts weiter tun, als diese wunderbare Frau, diese Kämpferin, voller Liebe zu betrachten.

Ich saß da, hatte nichts gegessen. Nicht geschlafen. Und dennoch wollte ich nichts mehr als ihre Stimme hören. Den Klang ihrer wunderschönen Stimme.

Schließlich vernahm ich ein Geräusch. Sie räusperte sich schwach. Sofort sprang ich auf und ging auf sie zu.

„Wo ... wo bin ich?" sagte sie verwirrt.

„Oh Baby .." sagte ich erleichtert und legte meine Stirn auf ihre.

Sie sah mich an und lächelte schwach: „Lu .. Luan .."

„Ich liebe dich ... über alles" platzte es aus mir heraus, während ich ihr ganzes Gesicht gierig mit Küssen bedeckte.

„Ich – liebe – dich – auch" flüsterte sie und sah mich an. Dieser unschuldige Blick, voller Wärme, voller Liebe. Nichts wollte ich im Moment lieber sehen.

Wir genossen diesen Moment. Bis der Arzt reinkam.

Er lächelte sie an. „Frau Veseli, schön, dass ich sie so gut beieinander sehe".

„Dok .. Doktor ... wie geht es meinem Baby?" fragte sie vorsichtig und fuhr sich mit der Hand durch ihren Bauch. Oh Gott. Mein Herz setzte in dem Moment aus. Mein ganzer Körper versteifte. Mein armer Engel. Sie würde das nicht überstehen. Ich nahm ihre Hand und drückte sie ganz fest.

Der Arzt sah erst mich, dann Jeta an. „Frau Veseli. Wir konnten leider nichts mehr für das Baby tun".

Jeta brauchte eine Weile, um diese Worte zu verdauen.

„Nein. Nein. Bitte sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist" schrie sie und brach hysterisch in Tränen aus...

Një jet me tyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt