Der Brief

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Riddle konnte es nicht glauben. Er konnte nur auf dem Bett sitzen und auf die Stelle starren, an der Saphir vor wenigen Sekunden noch gelegen hatte.
Oder waren es Minuten? Stunden? Es hätten Tage sein können und er hätte es nicht bemerkt.
Langsam, wie in Trace, hob er die Hand und legte sie sich auf die Brust. Wie um sich zu vergewissern, dass sein Herz noch schlug. Er fühlte sich so leer, obwohl er seinen Herzschlag an seinen Fingern spüren konnte. War das überhaupt sein Herz?
Er erhob sich. Ging auf die Stelle zu. Nichts deutete mehr auf ihre Anwesenheit dort vor kurzer Zeit hin.
Dumbledore saß noch auf dem Boden, die Ampulle, aus der ihr was eingeflößt hatte, in der Hand. Der Professor seufzte leise und berührte die Fließen. Sie waren noch warm.
Er sah zu Riddle auf. Ein trauriges Lächeln auf den Lippen. „Selbst im Tod ist sie noch einzigartig! Eine Blume, die einfach nicht auf die normale Art verwelken will!"

Riddle seufzte tief. Drehte einen Umschlag zwischen den Fingern, auf dem in Saphirs Handschrift sein Name stand. Er saß allein auf einem Sofa vor dem Kamien im Gemeinschaftsraum der Slytherins. Das Feuer knisterte und warf grüne Schatten auf seine Knie. Der Professor hatte ihm den Brief gegeben. Er hat auf dem Nachttisch von Saphirs Krankenbett gelegen.
Riddle seufzte erneut. Sollte er ihn wirklich lesen? Wollte er sich das an tun? Die Leere in seiner Brust war schon schlimm genug.
„Hey."
Er hob den Kopf und sah seinen engsten Freund Abraxas, der hinter ihm stand. Er umrundete das Sofa und setzte sich neben Riddle auf das weiche Leder. „Willst du ihn nicht öffnen?"
Riddle sah wieder zu dem Pergamentumschlag hinab. Dieses Papier wirkte so unschuldig. Und doch war Riddle sich sicher, dass es die Geheimnisse von Saphir Dawn Dumbledore enthielt.
„Ich bin nicht sicher", murmelte er leise. Es fiel ihm schwer, seine tiefsten Gedanken anderen, und sei es auch Abraxas, mitzuteilen. Seine momentane Gefühlslage war einfach zu ungewohnt, zu aufgepeitscht.
„Wenn ich diesen Brief lese, wird Saphirs Tod etwas endgültiges haben."
Abraxas drückte seine Schulter und betrachtete den Umschlag in den Händen seines Freundes. Die Schrift auf dem Umschlag war geschwungen, elegant und an einigen Stellen leicht verschmiert, als wäre Wasser darauf getropft. Die Tinte schimmerte leicht im Feuerschein. Als hätte sie zwei Farben. Wenn das Feuer darüber flackerte, nahm es eine eigenartige rote Färbung an und wurde wieder grün, wenn das Licht wieder verschwand.
„Es scheint etwas darin zu sein", meinte er schließlich. Vorsichtig nahm er Riddle den Brief aus der Hand. Die Hände seines Lords und Freunds fielen ihm in den Schoß. Er wehrte sich nicht.
Abraxas öffnete den Umschlag und drehte ihn herum, ohne den Brief herauszuholen. Etwas kaltes, rundes fiel ihm in die Handfläche.
„Ein Ring?!"
Riddle drehte sich zu ihm und nahm ihm den kühlen Silberring aus der Hand. Bedächtig strich er mit den Fingern darüber. Er war wunderschön! Und er hatte Saphir gehört. Sie hat ihn immer am linken Ringfinger getragen. Nie abgelegt und jetzt lag er in seiner Hand. Ein einfacher, schlichter Silberring ohne Verzierungen und doch war er Saphir unendlich wichtig gewesen.
Er seufzte. Jetzt konnte er sich wohl nicht mehr davor drücken.
Er streckte die Hand aus, wackelte kurz mit den Fingern. Abraxas lächelte leicht und legte ihm den Umschlag in die Hand. Mit fliegenden Fingern zog er das Pergament heraus. Es lag dick und weich in seiner Hand.
Vorsichtig faltete er es auseinander. Und las. Blinzelte, las erneut. Und erneut und erneut und erneut. Er musste den Brief fast acht Mal lesen, bevor er dessen Kontext komplett verstand. Lag vielleicht auch an Saphirs grauenhaften Art den Brief zu schreiben.
Er sah den Ring an, schob ihn sich vorsichtig auf den linken Ringfinger und las den Brief ein weiteres Mal durch.

Riddle,
ich finde es scheiße Briefe zu schreiben. Liegt vielleicht daran, dass ich beschissen darin bin. Aber hey, ich sterbe bald und mir ist echt langweilig. Da macht man echt alles, um sich ein wenig abzulenken. Auch blöde Briefe schreiben, obwohl ich kaum die Feder halten kann. Dabei würde ich dir viel lieber einen Eimer Wasser über den Kopf kippen. Oder dir Schnee in den Kragen stopfen. Oder dich zum Lachen bringen. Aber du kennst mich besser, als du denkst, darum weißt du das ja. Ich will, dass du das nicht vergisst, egal was du gleich lesen wirst, welche Geheimnisse ich dir über mich offenbaren werde. Du kennst mich! Besser, als jeder andere!
Mein erstes Geheimnis: Ich komme aus der sagenumwobenen Zukunft! In der du der größte Arsch aller Zeiten bist, keine Nase mehr hast und wir auf verschiedenen Seiten stehen. Deshalb weiß ich zum Beispiel auch, dass du der Erbe Slytherins bist und die arme Myrthe auf dem Gewissen hast. Schäm dich! Auch dein kleiner Plan mit der Unsterblichkeit und der Weltherrschaft ist mir nicht unbekannt. Ich bin schließlich ein schlaues Köpfchen. Aber hey, zurück zum Thema. Durch einen beschissenen Zufall, von dem ich nicht weiß ob ich ihn schlecht oder gut finden soll, bin ich in der Zeit gut 50 Jahre zurückgesprungen. Nachrechnen will ich das jetzt nicht, ist mir zu anstrengend. Naja, jedenfalls kannst du dir jetzt sicher einige Antworten auf viele Fragen selber geben. Warum ich dein Schauspiel zu Beginn sofort durchschaut habe, dich einfach so gut kannte oder immer frech war und keine Manieren hatte. Tada, eine andere Erziehung kann eine Menge ausmachen. Allerdings musste ich nach einiger Zeit herausfinden, dass dieser enorme Zeitunterschied verdammt gefährlich ist. Dieser Zusammenbruch von mir, war die erste Auswirkung der Zeit auf meinen Körper. Zuvor hat mich mein Zauberblut beschützt, doch die Zeit gewinnt immer. Ich sterbe, weil mein Körper dem Druck nicht stand halten kann. Und wenn du das liest, bin ich wahrscheinlich auch tot, oder mein Plan ist auf gegangen und ich bin in die Zukunft zurückgesprungen. Dann werden wir uns ganz bestimmt wiedersehen. Und wenn du dann immer noch so ein verdammter Wichser bist, dann reiß ich dir den Arsch auf. So, damit hätte ich Punkt eins meiner To-Write-Liste abgearbeitet und endlich mal wieder ausgiebig geflucht.
Dann zum zweiten Punkt. Also, rein theoretisch sind wir die größten Erzfeinde, die auf dieser Welt existieren können. Du bist der Erbe Salazar Slytherins und ich bin... der Erbe Gogric Gryffindors, also der mit dem Löwe, der sich mit deinem Vorfahren zerstritten hat. Mein Name ist also nicht Dumbledore, mit dem bin ich ganz bestimmt nicht verwandt, sondern Saphir Dawn Gryffindor. Der Name hat mir schon den ein oder anderen Ärger eingebrockt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, sind wir fast schon wie Romeo und Julia. Wenn wir das gleiche beschissene Ende haben, wie die beiden, dann jag ich dich durch den Himmel und töte dich gleich nochmal. Nur das du Bescheid weißt. Also kein Selbstmord aus Selbstmitleid, kapiert? Das passt nicht zu dir!
Irgendwie bin ich jetzt schon beim dritten und letzten und wichtigsten Punk an gekommen. Alle guten Dinge sind drei, nicht war? Eigentlich wollte ich diesen Punkt weg lassen, will dein armes Herz schließlich nicht überfordern und du hast ja jetzt schon so einiges erfahren, immerhin habe auch ich meinen Stolz. Aber ich habe das Gefühl, dass ich den dieses eine Mal über Bord werfen sollte. Also ich... Ich finde, du solltest das mit deiner Seele lassen. Falls mein Wort noch was wert ist, dann zerstöre deine Seele nicht weiter. Ich hatte in den letzten zwei Monaten ein paar mal einen Blick auf sie werfen können, und bitte glaub mir, wenn ich sage, dass sie wunderschön und einzigartig ist. Sie ist das, was dich zu dir macht. Sie macht dich einzigartig! Zu etwas ganz Besonderen und das liegt nicht nur an deinem mächtigen Zauberblut. Oder deinem Erbe. Vergiss nicht wer du tief in deinem Innern bist. Wer du warst, als du zusammen mit mir gelacht hast. So sehr du diesen Namen auch verabscheust und hasst, du bist Tom Vorlost Riddle und auch wenn du mich für dieses Gefühl auslachen und verspotten wirst und womöglich Recht hast und ich die dümmste Kuh auf Erden bin,... ich liebe dich über alles!

Wir werden uns wieder sehen,

Saphir Dawn Gryffindor

Times Gryffindor & Slytherins ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt