Zurück in der Zukunft

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Ein heftiger Wind fegte über die Plattform des Astronomieturms, pfiff um ihn herum. Und nicht nur um den Turm.
Auf dem Geländer, das als Absperrung diente, um die Schüler vor der Tiefe zu schützen, saß ein scharlachroter Vogel mit goldenen Federn. Kluge Augen folgten dem heftigen Wind über einen schwarzen, scharfen Schnabel hinweg. Gefährliche Klauen umschlangen das Metall des Geländers. Ein Phönix in seiner ganzen Pracht! Nicht nur irgendein Phönix. Der Phönix Fowkes. Der Phönix, der die Zwillingsfedern für die Zauberstäbe von Harry Potter und Tom Riddle gegeben hatte. Der Phönix, der Saphir die Feder für den Trank gegeben hat.
Der Wind traf schwungvoll auf den Boden des Turms, direkt vor dem Phönix. Innerhalb weniger Sekunden hatten sich feine Staubpartikel auf dem Boden verteilt und zu einem dicken Teppich gehäuft.
Asche!
Der Phönix legte den Kopf leicht schief. Für einige lange Minuten passierte nichts. Dann bewegte sich der Ascheteppich. Verformte sich. Als wäre der Wind zurückgekommen, schoss die Asche in die Höhe. Und ein Mensch erhob sich, stieg aus seiner Asche wieder auf. Wurde wiedergeboren.
Feuerrote und goldene Locken ergossen sich über helle, golden schimmernde Haut. Einige, der wunderschönen Strähnen wurden mit der Länge zu weichen Federn. Der nackte Körper einer Frau kämpfte sich aus der Asche, die in alle Richtungen verstreut wurde. Über den ganzen Körper der Frau erstreckte sich goldenes und rotes Gefieder. Lange Gliedmaßen, die Arme elegant wie prächtige Schwingen und sogar mit Federn überzogen, die Zehennägel leicht gekrümmt und lang wie Krallen. Ein scharf geschnittenes Gesicht mit vollen, blutroten Lippen, kantigen Wangenknochen und einer elegant geschwungenen Nase, die an einen scharfen Schnabel erinnerte. Goldene und rote Wimpern warfen Schatten auf die hellen Wangen. Dann öffneten sich die Augen. Flüssiges Gold brannte um schwarze Pupillen. Waberte und schwamm darum herum. Loderte wie pures, heißes Feuer. Waren scharf, wie die eines Vogels. Adleraugen, oder besser gesagt, Phönixaugen!
Die Augen zuckten umher, nahem die Umgebung war. Dann richteten sie sich auf den Phönix, der in aller Ruhe auf dem Geländer saß und sie mit schief gelegtem Kopf betrachtete. Wie der Phönix zuvor legte auch das Mädchen den Kopf schief. Ihr Nacken knackte bei der eigenartigen Bewegung laut. Dann verzogen sich die blutroten Lippen zu einem schiefen Lächeln.
Einst waren diese glühenden Augen stechend Lila und diese Haare und Federn auf ihrem Kopf Blau. Nichts davon war noch vorhanden. Weggespült von der Zeit und der Feder des Phönix. Vielleicht hatte sich das Aussehen der Frau verändert, doch dieses Grinsen war der Beweis dafür, dass Saphir in diesem Körper, so verändert er auch sein mochte, steckte. Frech und unendlich sanft zur gleichen Zeit.
Ehrfürchtig streckte Saphir die Hand aus und berührte den Phönix am Kopf, streichelte vorsichtig und hauchzart, wie die Berührung eines Schmetterlingflügels, durch das Gefieder des Vogels. Spürte die Weichheit und Zartheit der Federn auf ihrer Haut. Sie fuhr sich selbst durch die Haare. Sie fühlten sich genauso an. Weich und fedrig.
„Ich danke dir, Fawkes! Dafür, dass du mir das Leben gerettet hast." Saphir schloss die Augen und lehnte ihre Stirn gegen den Kopf des Phönix. Eine einzelne Träne rann ihre goldene Wange hinab. Eine Träne des Glücks. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft.
Ein Lachen blubberte in ihr hoch. Sie lachte. Warf den Kopf in den Nacken und lachte dem Wind ins Gesicht, dabei war es ihr komplett egal, dass sie keinen Fetzten Stoff am Leib trug.
Begeistert richtete sie sich auf. „Was hat sich denn verändert? Hat sich überhaupt etwas verändert?" Enthusiastisch lehnte sie sich über das Geländer und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Aus dem Lachen, wurde eine extrem genervte Grimasse. „Will er mich verarschen?" fauchte sie empört. Eine Armee von schwarz gekleideten Todessern spazierte über die Brücke auf das Schloss zu.
Fawkes stupste sie mit dem Schnabel an und sie drehte sich zu ihm um. „Was?" murrte sie und er legte nur den Kopf schief. Sie grinste und stupste seinen Schnabel mit ihrer Nase an. „Mach dir keine Sorgen, Fawkes. Ich hab ihm versprochen, ihm den Arsch auf zu reißen, wenn er böse wird. Mir fällt schon was ein."
Seine schwarzen Augen sahen sie weiterhin unverwandt an. Sie blinzelte ihn an. „Was willst du mir sagen?"
Mit einem hellen Schrei breitete er die Flügel aus und strich mit den Federn über ihre Wangen, berührte ihre Nase mit seinem Schnabel und lehnte seine Stirn gegen ihre. Saphir schloss die Augen und lehnte sich in diese seltsame Umarmung hinein. Bilder flackerten vor ihren Augen auf. Von Dingen, die nicht so waren, wie zuvor. Welche Entscheidungen Tom Riddle getroffen hatte und welche nicht.
Nach einer gefühlten Ewigkeit trennte Fawkes sich von ihr und sie blinzelte erst einmal. Neigte nachdenklich den Kopf zur Seite und tippte sich mit einem spitzen Fingernagel, der wie eine Kralle gekrümmt war, gegen die Lippen. Sie gab einen nachdenkliches "Mh" von sich. Sie war nicht im Jahre 1997 gelandet. Sondern in 1977. Harry Potter würde erst in drei Jahren zur Welt kommen. Also würde sie in einem Jahr zur Welt kommen. Diesmal schien die Zeit ihrem Körper jedoch nicht zu zu setzen. In ihren Adern glühte die Feder eines Phönix'. Da hatte die Zeit irgendwie doch keine Chance. Das hieß, die hatte eine Chance auf ein Leben zusammen mit Tom Riddle, ohne dem Tod ausgesetzt zu werden. Dieser Phönix war wirklich gerissen!
Saphir schnalzte nachdenklich mit der Zunge. Die Generation der Rumtreiber war noch in Takt. Nur bei den Weasleys fehlten nur noch zwei und die Familie war komplett. Naja, Molly und Arthur hatten eben früh angefangen. Also waren Abraxas Malfoy, Alphard und Cygnus Lestrang, Orion Black und all die anderen noch am Leben. Erfreuliche Nachrichten. Und ihre Kinder hatten mittlerweile eigentlich alle ihren Abschluss. Die Blacks, Lestrangs und Malfoys gehörten weiterhin zu Riddles innerem Kreis. Er hatte seine Überzeugungen und seinen Abscheu gegenüber der Muggle nicht aufgegeben. Jedenfalls nicht ganz.
Muggleabstämmige und Halbblüter waren immer noch weniger wert, als die Reinblüter, verdienten jedoch nicht mehr den Tod. Oder so ähnlich. Aber er wollte weiterhin den Mugglen beweisen, dass sie nicht die höchste Spezies auf dem Planeten waren.
Saphir schnalzte mit der Zunge. Die Große Schlacht von Hogwarts war also gute zwanzig Jahre vorverlegt worden. Riddle hatte es irgendwie ziemlich eilig. Er schreckte zwar immer noch nicht vor Mord und Tod zurück, um seinen Überzeugungen den Weg zu ebnen. Aber er schätzte das Leben weitaus mehr und bei dieser Schlacht wurde noch niemand getötet, zwar waren einige tödlich verletzt worden, doch mit den Fähigkeiten von Madame Pomfrey war das keine große Sache.
Saphir rieb sich das Kinn, wie andere vermutlich ihr Ziegenbärtchen. „Interessant!"
Es hatte sich tatsächlich einiges verändert. Durch die erhöhte Menschlichkeit in Riddles Herzen. Anscheinend hatte er auch keine weiteren Horkruxe erschaffen. Aber da gab es eine Veränderung, bei der Saphir ein wenig traurig wurde. Niemand, außer den Zauberern, die sie in den Vierzigern in Hogwarts getroffen hatte, kannten sie. Eigentlich war sie ja noch gar nicht geboren. Sie war in Hogwarts noch nicht zur Schule gegangen und würde es auch nie tun, wenigstens nicht in dieser Zukunft, hatte nicht den Hausmeister Filch und seine Katze gemeinsam mit den Weasleyzwillingen aufs Kreuz gelegt und mit Hagride im Wald Fangen gespielt. Okay, es war nicht wirklich Fangen. Fred, George und Saphir waren in den Wald marschiert, einfach nur weil es verboten war, und Hagride hat einen ganzen Tag damit verbracht, sie wieder herauszuholen.
Diese Tage gab es nur noch in Saphirs Erinnerungen. Schade drum, aber es ließ sich nicht ändern.
Saphir lächelte und legte die Hände auf ihre Brust, in der ihr Herz kräftig und gleichmäßig schlug. Sie würde all diese wertvollen Erinnerungen im Herzen tragen. Und wer weiß? Ihr jüngeres Ich würde in einem Jahr geboren werden, erleben, was für sie bereits Vergangenheit war und 1997 ins Jahr 1944 reisen, um den Kreislauf zu schließen.
Ihr Blick glitt zu Fowkes.
„Du bist ein richtiges Schlitzohr!" schimpfte sie spielerisch mit erhobenem Zeigefinger. „Ich werde sehen, was sich machen lässt. Immerhin bin ich der Erbe Gryffindors und anscheinend jetzt auch ein halber Phönix." Sie lachte. Der Laut ging jedoch in ein leichtes Schnauben über.
„Aber zuerst sollte ich mir was zum Anziehen besorgen", meinte sie mit einem Blick an sich hinab.

Times Gryffindor & Slytherins ErbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt