03

1.5K 238 131
                                    

Louis' POV:

"Wieso müssen diese beschissenen Bahnen immer so verdammt voll sein?"

Samstagmorgen, kurz vor zehn: meine Brüder und ich verließen, eingeklemmt zwischen zahllosen anderen Leuten, die S-Bahn am Frankfurter Hauptbahnhof. "Keine Ahnung", stöhnte ich, meine Deutschlandflagge fest umklammert und gab mein bestes, weder über meine eigenen, noch über fremde Füße zu stolpern.

Erst, als wir endlich die Rolltreppe erreicht hatten, atmete ich erleichtert auf und legte meinen Kopf in den Nacken. Die Sonnenstrahlen, die durch das verglaste Dach des Bahnhofs fielen, krochen immer mehr in mein Gesicht, sodass ich meine Augen zusammen kniff und beinahe das Ende der Treppe verpasste.

"Mensch, Augen auf!", knurrte Jacob und umfasste blitzschnell meinen Arm, damit ich nicht auf die Fresse flog. "Sorry", murmelte ich bloß, was er mit einem Seufzen quittierte. Doch statt mich weiter in die Mangel zu nehmen, beschleunigte er seinen Schritt, sodass er gleichauf mit Alec war.

Dumpf hörte ich, wie sie miteinander diskutierten und sich ihre Stimme mit den Geräuschen der Menschenmassen um uns herum vermischten. "Ich will da nicht arbeiten", beschwerte sich Jacob zischend bei unserem ältesten Familienmitglied, das ihn daraufhin bloß abschätzig musterte. "Du hast aber keine andere Wahl", entgegnete Alec vollkommen mitleidslos. "Wir brauchen Geld, sonst können wir irgendwann die Miete nicht mehr bezahlen."

Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein schadenfrohes Grinsen auf meinen Lippen ausbreitete und ich meine Hände tiefer in den Taschen meiner Bomberjacke vergrub. Sashas große Neuigkeit von neulich war ein Jobangebot in einem noblen Restaurant gewesen, das Alec sofort Jacob zugewiesen hatte - auch wenn der seitdem hemmungslos protestierte.

Dabei geschah ihm das gerade recht, denn so oft schon hatte ich 400 € Jobs an Tankstellen genommen und hatte oft bis spät in die Nacht geschuftet - für einen Hungerlohn. Als Kellner hingegen würde Jacob deutlich mehr verdienen, bei deutlich besseren Arbeitszeiten.

Diese Gedanken allerdings behielt ich für mich und scannte stattdessen die Umgebung ab - an der Straßenbahnhaltestelle hatte sich ebenfalls ein Pulk an Menschen gebildet, die auf die nächste Bahn in Richtung Zentralbank warteten.

Die einen gehörten deutlich auf unsere Seite, trugen klobige Schnürboots, tranken schon Bier und schwenkten ihre Deutschlandfahnen, während sich andere untergemischt hatten, die heute wahrscheinlich für die Gegendemonstration verantwortlich sein würden: Stämmige Kerle in schweren Lederjacken, die mit Totenköpfen und anarchistischen Sprüchen bemalt waren, dazu dunkle Hosen, an denen Ketten und Nieten bei jeder Bewegung klirrten, und Frisuren, mit denen man garantiert ein Tier mit hätte aufspießen können.

Und auch wenn diese Gestalten uns allesamt abschätzig beobachteten, stach mir ein Typ ganz besonders ins Auge: Er stand nur wenige Meter von mir entfernt, hielt die Hand einer zierlichen Frau neben ihm, und starrte so auffällig, als wolle er, dass ich durch Blickkontakt in Rauch aufging.

Um seine Hüften war eine Regenbogenflagge gebunden und seine Augen erstrahlten trotz der Distanz in einem solchen Grün, dass es beinahe unheimlich war. Aber plötzlich schüttelte er sich und wandte sich wieder der Frau neben ihm zu, die sich daraufhin auf die Fußspitzen stellte, um ihn zu küssen.

"Widerliches Pack", sagte Jake neben mir, weshalb ich mir bloß auf die Zunge biss und langsam nickte, ehe ich eine Zigarette zückte.

Eine halbe Stunde später hatten wir das Ostend erreicht, wo unser Aufmarsch bereits in den Anfängen steckte - eine Bühne war aufgebaut, auf der einige Redner auftreten würden, außerdem spielte über einige Lautsprecher die Band Frei.Wild und das Biergekippe vom Bahnhof wurde hier fortgesetzt.
Dem schlossen sich meine Brüder direkt an und waren binnen kürzester Zeit in ein Gespräch über Flüchtlingswelle und Co. verwickelt, dem ich mich jedoch entzog, um dafür meine Freundin Lena zu suchen.

Sobald ich sie in Anwesenheit ihres Cousins fand, zog ich sie zu mir und platzierte einen Kuss auf ihrer Stirn. "Hey, mein Großer", flüsterte sie Augen zwinkernd und zupfte dabei an meiner Flagge, die ich mittlerweile um meine Schultern gelegt hatte. "Bereit, ein paar Idioten die Köpfe zu rasieren?", scherzte sie, woraufhin ich sie nur an der Taille packte und meine Lippen auf ihre legte. "Mit dir immer", hauchte ich, nachdem wir uns gelöst hatten und wandte mich danach ihrem Cousin Lukas zu.

Wir tauschten einige Befindlichkeitem aus, er prahlte damit, dass er irgendwie einen Afd-Politiker dazu gebracht hatte, nachher hier aufzutreten, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu, weil er mir gefühlt jedes Mal, wenn wir aufeinander trafen, demonstrieren musste, was für ein geiler Hengst er war. Außerdem organisierte Lena uns von ihren Freundinnen jeweils eine Dose Apfelwein, sodass ich mich ablenken konnte.

Kurz darauf war der Platz um uns brechend voll und besagter Afd-Politiker hatte gerade mit seiner Rede begonnen - unter tosendem Applaus und siegessicherem Getöse. Da sie sonst viel zu klein gewesen wäre, hatte ich Lena inzwischen auf meine Schultern genommen, von denen sie fröhlich mit einem Plakat herumfuchtelte, auf dem

"N icht
A n
Z uwanderung
I nteressiert"

stand.

Aber nach nur einigen Minuten waren laute Bässe zu vernehmen und sobald ich den Kopf drehte, sah ich die Meute aus Punks die Straße entlang poltern. Sie schwangen allesamt Regenbogenflaggen und Plakaten mit Sprüchen wie "Vom Sex mit Nazis kriegt man Tripper" oder "Das B in Nationalsozialismus steht für Bildung" - und ehe ich mich versah, mischten sie sich unter uns und schlagartig roch ich den starken Geruch von Rauchbomben.

Schnell ließ ich Lena zurück auf die Erde und versteckte sie beschützend hinter meinem Rücken, während ich überlegte, ob ich mich mit den Punks anlegen oder verschwinden sollte. Allerdings kam ich mit meinen Überlegungen gar nicht so weit, denn urplötzlich stand der Kerl von vorhin vor mir.

Sein Rufen drohte unter dem restlichen Geschrei unterzugehen, aber ich konnte dennoch verstehen, wie er mir "Scheiß Faschist" entgegen brüllte. Gefährlich biss ich die Zähne aufeinander und kam ihm näher. "Scheiß Anarchist", hielt ich dagegen und sah, wie sich seine Augen zu engen Schlitzen zusammenzogen.

"Ihr gehört in den Müll", spuckte er.

"Genauso wie deine kleine Schlampenfreundin dahinten", zischte ich, als ich die Brünette von vorhin hinter ihm identifizierte. Das brachte ihn dazu, seine Nase schnaubend aufzublähen, wobei eine Ader an seiner Stirn zu pochen anfing.
Zwar öffnete er den Mund, doch anstatt etwas zu erwidern, ballte er seine Faust und holte aus.

sorry für den miesen cut... trotzdem hoffe ich, dass euch das kapitel gefallen hat!
es macht nämlich unheimlich laune, die story zu schreiben, i cant believe it.

alles liebe! xx

Streets of Frankfurt - Larry Stylinson ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt