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*kleine anmerkung vorweg: wie ich durch recherche erfahren habe, sind skinheads nicht immer automatisch mit rechtsradikalismus gleichzusetzen (was mir vorher nicht bewusst war). es gibt aber durchaus skinheads, die rechtsradikal sind - um die wird es in dieser story gehen.*

7 monate später

Louis' POV:

Die Sonne brannte aggressiv auf meinen Kopf, während ich durch den Frankfurter Stadtwald joggte und spürte, wie ich mit jedem federnden Schritt zumindest ein bisschen ruhiger wurde.

Die Wortfetzen von heute morgen hallten dennoch noch immer in meinen Ohren wieder und ließen mich meine Lippen verbittert aufeinander pressen.

Dass meine älteren Brüder sich permanent stritten und dabei sogar von Zeit zu Zeit handgreiflich wurden, war zwar längst keine Neuigkeit mehr, aber trotzdem ging mir ihr permantes Gockelgehabe tierisch auf den Sack. Ständig mussten sie den Chef markieren und untereinander einen dämlichen Konkurrenzkampf führen - von dem immerhin ich ausgeschlossen wurde, weil ich ja sowieso der Kleine war.

Frustriert ließ ich einen Schrei los und warf dabei die Faust in die Luft, als könnte ich einen Boxsack treffen, danach beschleunigte ich mein Tempo.
Plötzlich umgab mich ein altbekannter Rausch, der mich jedes Mal einholte, wenn ich auf dem letzten Stück der Strecke einen kleinen Sprint einlegte. Ich spürte auf einmal gar nichts mehr, außer die Kühle meiner Haut und das heftige Schlagen meines Herzens gegen meine Brust.

Mein Kopf war schlagartig wie leer gefegt und das nervtötende Pochen in meinem Gehörgang ließ allmählich nach. Stattdessen konnte ich endlich wieder richtig durchatmen.

Das Ganze wäre wahrscheinlich so weiter gegangen, wenn sich nicht wie aus dem Nichts ein fremder Mann mir von hinten genähert hätte, der ebenfalls joggte und versuchte, sich an mir vorbeizuschieben.

Dabei allerdings rempelte er mich mit einer solchen Wucht an, dass ich das Gleichgewicht verlor und über einer der unzähligen Baumwurzeln stolperte. Mit einem erschrockenen Ächzen ging ich der Länge nach zu Boden und blieb einige Sekunden liegen, bis ich den Kopf hob.

Der Rempler starrte mich mit besorgter Miene an und kniete sich direkt neben mich, um hier aufzuhelfen. "Lass mich, Wichser!", spuckte ich in seine Richtung, woraufhin er erst ungläubig blinzelte, ehe er sich wieder aufrappelte und sich durch seine schwarzen Rasterlocken fuhr.

"Ey, sorry Alter. Ich wollte das echt nicht", versuchte er, sich zu entschuldigen, was ich jedoch mit einem gekonnten rechten Haken in sein Gesicht beantwortete. "Verdammter Neger", fauchte ich und wischte mir kurz den Dreck von den Beinen klopfte, dann lief ich die letzten Meter zu unserer Wohnung.

Diese lag ausgerechnet in Sachsenhausen, einem Viertel Frankfurts, das mit seinen zahlreichen Apfelweinkneipen wilde Partymeuten anzog und seinen einst so dreckigen Ruf mittlerweile durch stattliche Villen und Fachwerkhäuser rein gewaschen hatte - abgesehen von meiner Familie.
Wir wohnten im Dachgeschoss eines heruntergekommenen Hauses, das mit Graffiti beschmiert war und garantiert abgerissen werden würde, wenn meine Geschwister nicht regelmäßig die Miete zahlen würden.

Nachdenklich berührte ich einen der Schriftzüge, für den ich verantwortlich war, AUSLÄNDER RAUS, bevor ich den Schlüssel im Schloss umdrehte und die Treppen hinauf jagte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.

Oben angekommen wurde ich sowohl von einer riesigen Rauchwolke, als auch von meinem ältesten Bruder Alec erwartet, der für den Qualm verantwortlich war: Eine Zigarette glimmte zwischen seinen Zähnen, die er mir bei einem schiefen Lächeln zeigte.

"Na, Louis? Warst du wieder beim Anti-Agressions-Traing?", neckte er mich, wofür er bloß einen erhobenen Mittelfinger kassierte. Aus meiner Trainingsjacke schlüpfend wischte ich mir mit einem Ärmel den rasierten Schädel trocken und ließ mich anschließend in der Küche am Tisch fallen.

Dort wurde ich sofort von Jacob und Jake, den letzten beiden in unserer Runde, kritisch beäugt, weshalb ich sie anmotzte: "Was guckt ihr so bescheuert?"
Doch Jake gab mir gar keine Antwort, sondern deutete lediglich auf mein Schienbein, an dem ein rotes Rinnsal hinunterfloss.

Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und eilte ins Bad, wo ich das Blut abwischte und die Wunde vorsichtshalber desinfizierte. Sobald ich wieder zurückkehrte, hielt Alec mir schon eine Bierflasche hin, was mich eine Augenbraue heben ließ.

"Jetzt schon?"

"Frag nicht, nimm!", sagte er streng und drückte mich zurück auf meinen Platz. "Der Aufmarsch wurde genehmigt, am Wochenende geht's wieder raus auf die Straße", verkündete, wobei Stolz mitschwang und die drei in regelrechtes Gegröle voller Vorfreude ausbrachen.

Ich hingegen setzte bloß die Flasche an meinen Mund an und spürte, wie die kalte Flüssigkeit meinen Rachen hinunter rann. Am Wochenende ging es wieder raus auf die Straße.

"Aber erstmal müssen wir zu Sasha. Der hat angeblich auch Neuigkeiten für uns."

Also verschob ich meine Dusche auf später und tauschte meine Sportklamotten lediglich gegen Bomberjacke und Boots ein, damit ich kurz darauf neben meinen Brüdern über den Main gen nächster U-Bahn Station marschierte.

Auf dem Weg dorthin wurden wir durchgehend von den Passanten mit einer Mischung aus Angst und Abneigung beobachtet, was ja auch irgendwie verständlich war, schließlich waren wir vier ausgewachsene Kerle mit Halbglatzen und dem gleichen Outfit, während auf unseren Rücken "Welcome to Germany" unter einer Deutschlandflagge stand. 

Dennoch verkniff ich mir jeglichen beleidigenden Kommentar und setzte stattdessen meine Sonnenbrille auf, um zumindest so tun zu können, als fielen mir die Blicke nicht auf - im Gegensatz zu meinen Brüdern, die jeden Fußgänger finster fixierten.

Nach einer Weile, als wir bereits die Einkaufsstraße erreicht hatten, in der besagte Station lag, wurde ich abermals angerempelt, und wenn ich nicht augenblicklich das Gesicht erkannt hätte, wäre ich wahrscheinlich einfach weitergelaufen.

Doch so blieb ich abrupt stehen und drehte mich zu dem bekannten Mann um. Der hatte mich natürlich auch registriert und legte seine Stirn in Falten. "Scheiß Nazi", knurrte er, gerade so laut, dass ich es hören konnte. Drohend hob ich meine Faust. "War dir ein Schlag noch nicht genug?", zischte ich gefährlich, woraufhin Jake und Jacob mir zu Hilfe kamen.

"Gibt's Probleme?", fragten sie provokant, weswegen ich nur in die Richtung des Schwarzen nickte, der sich inzwischen wieder von mir entfernt hatte. Der plötzliche Ruf einer Frau, die ein Schild der Zeugen Jehovas fest in ihren Händen hielt und auf einer Parkbank neben uns stand, um von dort ihre Parolen lauthals zu verkünden, löste mich aus meiner Haltung und der Typ nutzte die Gelegenheit, um die Flucht zu ergreifen.

"Kommt Männer, weiter."

ein relativ kurzes kapitel zum einstig, aber ich hoffe, es gefällt euch. denn mir macht es unheimlich viel spaß, an dieser story zu schreiben!

und keine sorge, man wird in der story schon noch merken, dass es fanfiction ist.

all the love. xx

Streets of Frankfurt - Larry Stylinson ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt