Louis' POV:
Mit einem Seufzen ließ ich das Handy sinken und starrte wieder in die Dunkelheit, in der ich seit einigen Stunden lag, unfähig, mich auch nur einen Zentimeter zu rühren.
Meine Glieder waren unheimlich schwer, so als hätte man meine Knochen gegen tonnenschweres Blei eingetauscht, weshalb ich mich tiefer in meine Bettdecke kuschelte, in der Hoffnung, dadurch diese entsetzliche Kälte zu stoppen, meinen Körper zu durchfluten.
Noch immer zitternd erinnerte ich mich an den Moment zurück, an dem ich Saschas Wohnung betreten und sofort gespürt hatte, wie der Sog mich zurück in meine alten Muster trieb. Sascha versprach, gegenüber Alec noch die Klappe zu halten, bis ich den Mut hatte, wieder auf ihn zuzugehen, sodass ich für die nächste Zeit wohl hier bleiben würde.
Nachdem Jake und Jacob mir noch eine Flasche Bier angedreht hatten, die bitter auf meine Zunge schmeckte, hatten sie sich unter lautem Tosen verabschiedet und mich dann mit Sascha allein gelassen.
Dieser hatte mich in sein Büro einquartiert, dessen Wände in etliche Deutschlandflaggen gehüllt waren - zusätzlich hatte er eine Skizze Hitlers über das schäbige Schlafsofa gehängt, wodurch mir der Raum nochmal mehr zuwider wurde.
Dennoch merkte ich gleichzeitig, wie ich mich auf komische Weise geborgen fühlte. Alte Erinnerungen aus früheren Tagen blitzten in meinem Gedächtnis auf. Lange schlaflose Nächte, die wir zu fünft verbracht hatten, manchmal auch zu sechst, wenn Lena ebenfalls dabei war. Wir hatten viel Alkohol getrunken, deutschen Rechtsrock gehört und oftmals hitzige Diskussion über die politische Lage Europas, explizit Deutschlands diskutiert.
Ich hatte noch Alecs Stimme im Ohr, wie er immerzu betonte, die Ausländer seien an all der Kriminalität Schuld, und man müsse sie einfach abschieben, ohne zu fackeln. Es waren schreckliche Sätze, die in diesen Nächten gefallen waren, aber trotzdem hatte ich den gleichen Ton angeschlagen. Hatte über homosexuelle Paare hergezogen, mich über Behinderte lustig gemacht und mich manchmal beim Blick in den Spiegel nicht mehr wiedererkannt.
Bevor Harry in mein Leben getreten war und alles durcheinander gebracht hatte.
Eine schreckliche Trauer, gefolgt von einer Taubheit, die sich über meinen Brustkorb legte und das Atmen plötzlich unglaublich schwer machte, überkam mich, woraufhin ich mit bebenden Lungen die Augen schloss und innerlich bis zehn zählte.
Danach löschte ich Harrys Nummer aus meinen Kontakten und presste mein Gesicht anschließend tiefer in mein Kissen. Das Vermissen würde mit der Zeit nachlassen, da war ich mir sicher.
Tatsächlich verblasste der Punk vor meinem inneren Auge mit jedem Tag, den ich bei Sascha verbrachte. Er kramte die Lieder alter Bands hervor, deren Texte ich noch immer auswendig konnte und mit jedem Bier, dass ich beinahe täglich in mich reinkippte, wurde mir bewusst, dass ich nicht allzu lange weg gewesen war.
Die Zigaretten schmeckten noch genauso wie vorher, Sascha rasierte mir die Haare wieder gänzlich kurz und die weißen Schnürsenkel meiner Boots tauschte ich gegen neue, damit man sie auch wirklich erkannte.
Innerhalb kürzester Zeit rückte die Woche, in der ich Zuflucht bei Harry gefunden und mich dummerweise in ihn verliebt hatte, komplett in den Hintergrund und ich fand mich in meinem Hamsterrad wieder, das mich zwar nicht glücklich machte, dafür jedoch Struktur bot.
Jake und Jacob kamen ab und zu vorbei, genauso wie Lena, mit der ich wieder regelmäßig schlief. Inzwischen ließen wir sogar das Kondom weg und ließen es drauf ankommen. "Hübsche, kleine blonde Jungs und Mädchen." Davon sprach Lena, wenn sie sich halb betrunken an meinen Schwanz rieb und ihre Hände um meinen Nacken schlang - auch wenn ich eigentlich nichts davon hören wollte.
Es wurde allmählich Sommer in Frankfurt, der Asphalt glühte vor Hitze, Touristen fluteten die Stadt auf der Suche nach urigen Apfelweinkneipen und ich joggte fast jeden Morgen früh der aufgehenden Sonne entgegen, wobei ich nicht wusste, ob ich wegrannte, oder mich fit halten wollte.
Denn obgleich es alles so vertraut wirkte, konnte ich nicht verhindern, dass meine Gedanken manchmal zu der Version huschten, die ich hätte sein können. Manchmal begegnete ich einem Passanten in hellen Jeans oder in DocMartens und dann war da ein unbeschreibliches Stechen in meiner Brust.
Manchmal überquerte ich den Eisernen Steg und hörte auf einmal Harrys Liebesgeständnis ganz nah an meinem Ohr, fast so als stünde er direkt hinter mir.
Eines Tages spielte mir meine Wahrnehmung einen solchen Streich, dass ich abrupt stehen blieb und ächzend in die Knie ging. Meine Augen brannten, meine Finger kribbelten unangenehm und ich schnappte schwer atmend nach Luft. Und das nur, weil ich in der fernen Menschenmasse einen Punk entdeckt hatte, dessen Nieten besetzte Hose bei jedem Schritt klirrte.
"Fuck", fluchte ich, ehe ich mich wieder aufrappelte und beschloss, den Heimweg anzutreten. Sobald ich bei Sascha angekommen war, stellte ich mich unter die Dusche und ließ so lange kaltes Wasser auf mich prasseln, bis Kribbeln nachließ.
Hinterher schlüpfte ich in ein zumindest halbwegs sauberes T-Shirt und Cargohosen im Tarnlook, bevor ich wenig später neben Sascha in der Küche hockte und ihm beim Telefonieren zusah.
Kaum dass er nach einer Weile aufgelegt hatte, taxierte er mich mit forschem Blick und hob herausfordernd eine Augenbraue.
"Das war Alec."
Mir blieb spontan das Herz stehen und ich wagte nicht, zu fragen, was sie besprochen hatten - mehr als ein paar nuschelnde Zustimmung hatte Sascha nämlich nicht von sich gegeben.
"Er will dich heute Abend sehen."
Immerhin hatte er noch nicht den direkten Wunsch geäußert, mich umzubringen.
Nichtsdestotrotz war ich vorsichtig, weswegen Sascha mir Mut machend auf die Schulter klopfte. "Es ist Zeit, nach Hause zurückzukehren, findest du nicht?" Da ich dem nicht sonderlich viel entgegenzusetzen hatte, nickte ich tapfer und versprach, später pünktlich in unserer Stammkneipe aufzutauchen.
Bis dahin zog ich mich ins provisorische Gästezimmer zurück und griff zu dem Fotoalbum, das auf Saschas Schreibtisch herumflog und all die Erinnerung meiner Kindheit beherbergte, die noch nicht von Ideologien, Hass und Hetze regiert worden war.
Bilder, auf denen ich noch ein kleiner Hosenscheißer war und von meinen älteren Brüdern durch den Garten gejagt wurde, reihten sich neben Schnappschüssen, auf den wir fünf Jungs in Seen schwimmen gingen, Frösche im Wald sezierten und so viel Eis aßen, dass unsere Münder völlig verschmiert waren und uns hinterher kotzübel wurde.
Wenn ich diese Fotos mit meinem jetzigen Gemütszustand verglich, war es schwer zu glauben, dass der kleine Kerl mit den nussbraunen Haaren und dem vorwitzigen Grinsen tatsächlich ich war. Schließlich freute ich mich auf der einen Seite zwar irgendwie, Alec wiederzusehen, aber trotzdem hatte ich Schiss.
Um mir nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, begann ich, meine wenigen Sachen zusammenzupacken - vielleicht würde ich heute Abend wieder zurückziehen.
Währenddessen stolperte ich auch über die Klamotten, die ich bei dem Treffen mit Lena angehabt hatte - ich hatte sie bei meiner Rückkehr achtlos unter das Sofa geschmissen und beinahe vergessen. Jetzt allerdings vergrub ich meine Nase in dem weichen Stoff und musste mit Erschrecken feststellen, dass sich unter den schwachen Duft von Lenas Parfüm der herbe Geruch Harrys mischte.
Schlagartig ließ ich das Oberteil wie eine heiße Kartoffel fallen und fischte stattdessen nach der Jogginghose, auf die noch der Fleck von der Frankfurter Grünen Soße, die ich an jenem Abend gegessen hatte, prangte.
Gerade wollte ich sie auch einfach zu dem Shirt werfen, als ich in den Taschen eine kleine Visitenkarte ertastete.
Ohne lange zu Überlegen wusste ich, dass es die war, die Nia mir noch zuvor zugesteckt hatte, eigentlich mit dem Wunsch, Lena abzusagen. Es waren die Kontaktdaten von der Tante dieser Sophie, die angeblich Psychologin war.
Und obwohl ich wirklich vorhatte, mich Alec zu stellen, tastete ich nach meinem Handy und wählte die angegebene Nummer.
meinungen? ich liebe euch. xx
(ps: wer grüne soße nicht kennt, sollte sie unbedingt mal probieren! ist ein gericht aus frankfurt, wird oft mit kartoffen gegessen. mega lecker, wenn man mich fragt.)
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Streets of Frankfurt - Larry Stylinson ✔️
FanfictionHarry Styles. Das ist der Kerl, der sein Studium abgebrochen hat, über und über mit Tattoos übersät ist und gemeinsam mit seinen Freunden Naziaufmärsche blockiert. Louis Tomlinson. Das ist der Kerl, der die Schule abgebrochen hat, sich den Kopf ras...