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Louis' POV:

„Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?", fragte ich skeptisch, als ich Samstagvormittag vor dem riesigen Gefängnisgebäude stand, dessen Fassade mit Grafittizeichnungen verziert war.

„Ja, natürlich. Du gehörst zu uns, ist doch klar, dass du mitkommst!", meinte Harry und gab mir einen kleinen Schubser. Erst wollte ich weiterhin protestieren, doch sobald auch Nia mich sanft gen Eingang schob und mir zuflüsterte, dass ich mir keine Sorgen machen sollte, gab ich mich geschlagen.

Flüchtig warf ich ihr einen Blick zu, den sie mit einem Lächeln quittierte, wobei die dunklen Schatten unter ihren Augen jedoch nicht verdeckt wurden. Irgendwas schien sie herumzutreiben und eine leise Ahnung verriet mir, dass ich involviert war – bestimmt wusste sie, dass Harry und ich miteinander geschlafen hatten. Und obwohl die beiden eine offene Beziehung führten, hatten wir wohl eine Grenze überschritten, denn seit jener Nacht schlief Harry im Wohnzimmer, während ich die Rumpelkammer bezogen hatte.

Auf der einen Seite bereitete mir dieser Funke Hoffnung, so klein er auch sein mochte, weiche Knie, aber auf der anderen Seite tat mir Nia unendlich leid, zumal sie nach wie vor total zuvorkommend war und weder mir noch Harry einen Vorwurf zu machen schien. Sie stritten sich nicht, schwiegen sich beim Frühstück nicht an und wirkten auch sonst nicht anders als vorher – wenn da nicht Nias verräterische Augenringe wären und die Trauer in ihrer Miene, wann immer Harry und ich uns zu zweit unterhielten.

Ein lautes Rufen riss mich aus meinen Gedanken und als ich den Kopf hob, erkannte ich, wie Niall, Zayn und Liam auf uns zugerannt kamen. „Sorry, unsere Bahn hatte Verspätung", keuchte Niall außer Atem und stützte sich auf den Knien ab, um sich zu beruhigen. „Verdammt, ich sollte definitiv mehr Sport machen", fluchte er, was mir ein leises Kichern entlockte.

Prompt taxierte er mich mit seinem Blick und runzelte erst die Stirn, ehe er zu lachen begann und mir auf die Schulter klopfte. „Hey, Kumpel", begrüßte er mich, woraufhin ich zu grinsen begann und innerlich einen kleinen Freudentanz aufführte. Es tat unglaublich gut, endlich akzeptiert zu werden.

Diese Akzeptanz wurde allerdings jäh unterbrochen, kaum dass wir das Gefängnis betraten und in einen riesigen Raum kamen, in dem alte Couches kreuz und quer verstreut standen, auf denen sich einige Menschen tummelten.

Sofort unterbrachen sie ihre Gespräche und scannten mich mit Argusaugen, wobei ihnen mein rasierter Schädel und das Tattoo am Hals sauer aufstießen. Einige Gesichter erkannte ich sogar von früheren Demos, auf denen ich ihnen noch lauter Schweinereien vor die Füße geworfen und mich mit dem ein oder anderen geprügelt hatte.

„Was will denn der Nazi hier?", drang plötzlich eine tiefe Stimme vom anderen Ende des Raumes zu uns, weshalb ich instinktiv den Kopf einzog und mich zum Gehen wenden wollte. Ich war hier nicht erwünscht, völlig zurecht.

Dennoch packte Harry mich am Handgelenk, sodass mir nichts anderes übrigblieb, als dem riesigen Kerl, dem die Stimme gehörte, dabei zuzusehen, wie er in seinen schweren Springerstiefeln und ausgefranzten Jeans, an denen einige Ketten und Nieten klimperten, auf mich zukam.

Sein dunkelroter Irokese und die dunkelgeschminkten Augen wirkten düster und gefährlich, wodurch ich schwer schluckend einige Schritte nach hinten tat. Harry schien schon, sofern man ihn nicht kannte, sehr angsteinflößend, doch der Hüne überragte ihn locker um zehn Zentimeter mehr und rümpfte abfällig die Nase, nachdem er vor mir zum Stehen gekommen war.

„Raul, das ist Louis. Er ist einer von uns", versuchte Harry zu erklären – vergebens, da Besagter bloß abschätzig schnaubte und mich einmal umrundete. „Harry, Harry, Harry. Du kannst doch nicht einfach einen Ex-Nazi hier reinschleppen, der bis vor einer Woche noch fröhlich den Hitlergruß gemacht hat", sagte er tadelnd.

„Er war-", setzte nun auch Niall an, was Raul nur mit einer Handbewegung unterband. „Ich weiß schon, Sophia hat mir alles erzählt. Trotzdem bin ich misstrauisch. Was ist, wenn er lügt und nur hier ist, um uns im Endeffekt fertig zu machen?"

„Das will ich nicht", brachte ich zwischen zitternden Lippen hervor, weswegen er argwöhnisch eine Augenbraue hob. „Wie können wir uns da sicher sein?", bohrte er weiter, bevor ausgerechnet Nia mit einem genervten Stöhnen die Arme in die Luft warf.

„Verdammte Scheiße, Raul! Du bist links und führst dich hier gerade auf, als seist du unser Anführer! Finde den verschissenen Fehler!" Beschützend hakte sie sich bei mir ein und zeigte auf eine freie Sofahälfte, wo ich mich hinsetzen konnte.

„Danke", raunte ich ihr erleichtert zu, wofür sie mir zuzwinkerte. „Keine Ursache. Raul ist ein Wichser, mach dir nichts aus ihm." Sie quetschte sich neben mich und schielte zu Niall und Harry, die noch leise mit Raul diskutierten, bis sie sich letztendlich zu uns gesellten.

Mittlerweile hatte mich zwar einigermaßen beruhigt, aber trotzdem konnte nicht verhindern, dass mir einige Tränen verstohlen übers Gesicht liefen – wobei ich mir nicht sicher war, ob es wegen Raul war oder viel mehr wegen der Tatsache, dass Nia mich trotz allem in Schutz genommen hatte. Sie hatte wirklich jedes Recht, mich zu hassen. Und doch hockte sie jetzt neben mir und zwinkerte mir abermals aufmunternd zu.

Wenig später lauschte ich Raul und den anderen, wie sie darüber debattierten, wie sie einen ihrer Verbündeten aus der U-Haft bekamen. Er hatte wohl eines nachts zwei ziemlich miesmutigen Polizisten seinen nackten Arsch gezeigt und war dafür eingesammelt worden.

Auch wenn ich die Reaktionen der Polizei vollkommen verstehen konnte, schwieg ich nur und konzentrierte mich stattdessen irgendwann auf Harry, der auf der Armlehne saß und mit einer Hand meinen Rücken kraulte.

Sobald die Sitzung vorbei war und man eine Unterschriftenkampagne angeleiert hatte, gingen einige Bierflaschen durch die Runde. Doch obgleich mir ein bisschen Alkohol zur Entspannung wahrscheinlich gutgetan hätte, entschied ich, dass es Zeit für mich war, zu gehen.

Kurz darauf stand ich vor dem Gerichtsgebäude, das sich neben dem alten Polizeigefängnis befand und steckte mir eine Zigarette an. Den Rauch genüsslich einatmend legte ich den Kopf in den Nacken, damit ich in die wärmende Sonne blinzelte.

Nach einer Weile tauchte Harry neben mir auf und drückte mir eine Bierflasche in die Hand. „Wo willst du denn hin?", neckte er mich, woraufhin ich seufzte. „Ich gehör hier nicht hin, Harry. Immerhin hast du Raul gehört. Ich bin ein Ex-Nazi. Ich sollte nicht bei einem Treffen der Antifa sein."

„Ach Lou...", murmelte er niedergeschlagen. „Mach dich nicht immer so fertig." „Doch Harry, das mache ich. Ich hab einer Menge Menschen weh getan, hab sie beleidigt, diskriminiert und ins Krankenhaus geschlagen."

Er stellte sich hinter mich, um seine Arme um mich zu schlingen und seinen Kopf auf meiner Schulter abzulegen.

„Das warst nicht du, Louis", säuselte er, weshalb ich nur erneut seufzte.

„Und Nia verletze ich auch noch."

Er drückte mich fester.

„Nein. Du sollst deine Gefühle nicht verstecken. Das hast du schon viel zu lang gemacht. Außerdem werden wir eine Lösung finden."

Ich hob eine Augenbraue. „Wofür eine Lösung?"

Er kicherte und küsste sanft meinen Nacken.

„Dafür, dass ich diese Gefühle irgendwie erwidere."

Mein Herz machte einen Aussetzer.

„Und wie soll die Lösung heißen?", fragte ich weiter, woraufhin er mit den Achseln zuckte. „Weiß ich nicht. Noch nicht. Kommt Zeit, kommt Rat."

Er küsste mich ein letztes Mal zwischen die Schulterblätter, dann stellte er sich wieder neben mich und ergriff meine Hand. „Jetzt ist sowieso erstmal dein Leben wichtig. Du brauchst dringend einen Neustart. Und ich weiß auch schon, womit wir anfangen. Komm mit, ich kenne den besten Friseur der Stadt."

etwas unspektakulär, ich weiß. aber für die kommenden kapitel habe ich so einiges geplant, also seid gespannt! all the love, ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen. xxx

Streets of Frankfurt - Larry Stylinson ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt