Kapitel 32

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Leiden hat viele Gesichter. Ein weinendes, ein lachendes, ein wütendes und ein neutrales. Jeder einzelne wählt, welsches Gesicht ihm am besten steht. In manchen Fällen jedoch, hat es nicht die richtige Passform, und wenn man noch so verzweifelt versucht sich richtig anzupassen, so kann die Wahrheit hin und wieder doch nicht verborgen bleiben. Immer wieder schimmern Bruchstücke der Gefühle hindurch. Der perfekteste Mensch, den ich kannte, hatte ein Gesicht aufgesetzt, dass ihm nicht passte. Nicht immer zumindest.

Ich hatte mich der Poesie gewidmet. Wenn ich keine eigenen Worte mehr fand, um das Durcheinander in meinem Herzen zu beschreiben, ließ ich mich von schöneren Worten inspirieren. Mein Kopf war zu chaotisch um sie mit bedacht zu wählen.

Liebe.

Hass.

Liebe?

Was ist Liebe? Gibt es so etwas wie Liebe überhaupt? Wahre Liebe? John Keats würde meine Frage ohne Zweifel für verrückt halten. In seinen Gedichten war Liebe etwas so lebendiges, dass man sich davon nähren konnte.

Pillow'd upon my fair love's ripening breast to feel forever its soft fall and swell

Awake forever in a sweet unrest

Still, still to hear her tender-taken breath

and so live ever- or else, swoon to death

Ich saß auf dem sündhaft teuren Sofa im Wohnzimmer, dass ich mich, als ich die ersten Monate in diesem Haus gelebt hatte, nicht getraut hatte anzufassen. Ich hielt ein Gedichtband in der Hand. Eines, dass Joo Hyuk mir zu meinem Geburtstag  geschenkt hatte.

Er erfüllte mir jeden Wunsch, bevor ich ihn überhaupt aussprechen konnte. Unser Leben war absolut perfekt. Ich war glücklich, er war glücklich, alle waren glücklich. Es waren wieder einige Monate vergangen, in denen ich sehnsüchtig auf die Ankunft meines Halbbruders gewartet hatte. Jungkook würde heute Abend ankommen und bald darauf, würden Tae und Namjoon folgen und mir Gesellschaft leisten, immer wenn Joo Hyuk arbeiten war. Es waren auch weitere Donnerstage vergangen, an denen Joo Hyuk nicht da war. Mysteriöse Donnerstage

Meine Fingerkuppen fuhren langsam über die dünnen Seiten des Buches, während ich jedes einzelne Wort aufmerksam laß:

Doch ist's nicht Neid auf dein so glücklich Los- Nur füllt so schwer mit Glück dein Glück mich an: Dass d-

„Kaija?"

Joo Hyuk.

Ich blickte mit sehnsüchtigen Augen zur Wohnzimmertür. Er lächelte mich an, ließ seine Tasche fallen und kam auf mich zu. „Du bist schon da?" Fragte ich positiv überrascht und umarmte ihn. „Schon? Weißt du wie spät es ist?" Er lachte und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, ehe sein Blick auf dem Buch landete, dass ich noch immer in der Hand hielt. „Kein Wunder. Ich habe es dir gestern erst geschenkt und du bist fast fertig. Wie lange bist du schon am lesen?" - „Eine Weile..." antwortete ich und küsste ihn noch einmal. „Wie es aussieht, muss ich dir wohl bald ein neues kaufen. Wie ist es mit Lord Byron? Magst du seine Gedichte?" Ich rümpfte die Nase, während ich meine Finger sanft durch seine Haare fahren ließ. „Percy Shelley." - „Dann... wollen wir morgen zusammen in die Bibliothek gehen, damit du sicherstellen kannst, dass ich nicht das falsche kaufe? In meiner Mittagspause?" Ich nickte glücklich. „Übrigens... Wolltest du Jungkook nicht vom Flughafen abholen?" Er hob fragend eine Augenbraue. Ich befreite mich ruckartig aus seinen Armen und schnellte zu meinem Handy, dass auf dem Kaffeetisch lag. 19:45!!! „Oh mein Gott! Ich brauche über eine halbe Sunde dort hin! Er wird um 20:00 Uhr sicher schon draußen sein!" Rief ich verzweifelt und fuhr mr frustriert durch die Haare. Joo Hyuk lächelte mich beschwichtigend an. „Wir schaffen das schon noch rechtzeitig. Steig schonmal in den Wagen, ich sage eben Hyuna bescheid." Er reichte mir die Autoschlüssel, gab mir einen Kuss auf die Wange und lief dann mit schnellen Schritten zur Küche. Ich lächelte. Perfekt.

No more Dreams (No more scars 2) BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt