Kapitel 35 - Back in Seoul (2)

1K 52 20
                                    







Es war schön alle wiederzusehen. Das war es wirklich. Ich hatte vermisst, wie Jin sich in der Spiegelung des Löffels die Haare zurecht zupfte, wie Alexa ihn dafür ausschimpfte, weil sie der Meinung war, es sähe eingebildet aus, wie Namjoon die Sahne mit der Gabel vom Kuchen kratzte, weil er Sahne hasste, wie Jimin mit seinen Sitznachbarn unnötige Gespräche begann, wenn ihm auch nur ein wenig langweilig wurde, wie Jungkook mit einem blauen Kugelschreiber auf seine Serviette irgendwelche Zeilen schrieb, die ihm wohl durch den Kopf gehen mussten, wie Tae von allen und allem Bild machte... Er saß einfach stumm dort. Ein schwarzes Sakko, ein weißes Hemd, drei Knöpfe auf und keine Fliege. Er hatte die ganze Feier über kein Wort gesagt. Nicht zu Namjoon, oder sonst wem. Er war einfach still gewesen. Mich wunderte, dass er Kyra nicht mitgenommen hatte, doch es schein niemand anderen zu wundern und wenn ich darüber nachdachte, was Tae und Namjoon mir über ihre Beziehung verraten hatten, dann wunderte es mich vielleicht doch nicht mehr allzu sehr.

„Hallo Patentantchen." Vernahm ich eine Stimme neben meinem Ohr und zuckte erschrocken zusammen. Als ich seinen typischen Duft vernahm lächelte ich. „Na, Vater meines Patenkindes?" Er grinste und ließ sich seufzend auf den leeren Platz neben mir fallen. „Meine Eltern möchten dich gerne sehen. Sie liegen mir schon in den Ohren damit." Erzählte er und deutete auf den Tisch am anderen Ende des Pavillons. Ich lachte. „Und? Dein Vater...?" Begann ich vorsichtig. Dieses Thema war schon immer ein wunder Punkt bei meinem besten Freund gewesen. Hyeon's Vater war ein Perfektionist mit allem und am meisten, wenn es um seinen Sohn ging. Natürlich wollen die meisten Eltern ihre Kinder glänzen sehen, aber Hyeons Vater, war ein wenig anders. Egal, was sein Sohn tat, welche Entscheidungen er darf, welche Freunde er hatte, es war nie gut genug. Nichts war je gut genug. Ich hatte einmal gesagt, dass Hyeon mein bester Freund geworden war, weil er die Gabe hatte die Welt mit anderen Augen zu sehen. Diese Gabe war ihm nicht angeboren. Er hatte sie sich zu eigen gemacht, weil er nicht in einer Welt leben wollte, in der er, als der, der er war, nicht ausreichte. Weil er sich weigerte die Welt schwarz zu sehen, nur weil sein Vater sie in dieser Farbe bemalte. Hyeon wollte bunt sein. Und wenn er bunt sein wollte, dann war er bunt. Und wenn er merkte, dass ich begann nach dem „dunklen Pinsel" zu greifen, dann hielt er mir einen farbenfrohen Tuschkasten vor die Nase. Er zeigte mir, dass das Rot von Rosen schöner war, als das Rot  von Blut, oder dass das Braun meiner Lieblingsschokolade viel bedeutender war, als das Braun des Autos meiner Eltern. Er malte meine Welt.

„Kiki???" Ich bemerkte erst in diesem Moment, dass er seiner Hand vor meinem Gesicht herum wedelte, um meine Aufmerksamkeit wiederzuerlangen. „Du träumst schon wieder." - „Ich träume bunt." Er lachte und kniff mir grinsend in die Wange.

„Kiki..." - „Wae?" mein Blick wandte sich nicht von dem bodenlangen Fenster in seinem Wohnzimmer ab, aus dem ich den Regen in Gedanken vertieft beobachtete. „Woran denkst du, huh? Ich habe bestimmt 3 Minuten deinen Namen gesagt." Er musterte meinen bedrückten Gesichtsausdruck unzufrieden und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es ist nichts." - „Sag schon." - „Ich will nicht drüber reden." Er seufzte und setzte sich neben mich auf den Boden. „Magst du den Regen?" Fragte er mich und seine Stimme war mit einem Mal um einiges sanfter und geduldiger als zuvor. Ich zuckte mit den Schultern. „Manchmal ist er beruhigend... aber manchmal macht er mich einfach traurig." Er wusste, warum Regen mich manchmal einfach
traurig machte. Es war wegen dem Unfall...
„Weisst du...." Begann er. „Wenn du so vor dich hin träumst... auch, wenn alles trüb aussieht... dann träume bunt." Ich sah fragend zu ihm. Er lächelte schief. „Ich meine... wenn du an traurige Dinge denktst, siehst du in deinen Gedanken schöne Farben? Ein strahlendes Gelb oder ein wunderschönes Meerblau oder Schweinchenrosa?" Ich kicherte. „Was? Das ist total be-„ - „Siehst du? Schon musst du lachen? Schweinchenrosa macht nicht traurig und gelb und blau auch nicht. Also... wenn du an etwas trauriges denkst, dann denke bunt. Träume bunt." Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Das ergibt keinen Sinn." - „Das sagst du nur, weil du es noch nicht ausprobiert hast. Stell dir vor, du denkst an einen Serienmörder, der in seinen schwarzen Klamotten Nachts durch die Nachbarschaft zieht. Gruselig, oder?" - „Ein wenig vielleicht." - „Und jetzt stell dir vor seine Hose wäre pink, seine Schuhe gelb, sein Oberteil hellgrün und auf der Maske, die er vielleicht aufhat sind rote Herzen. Würde dir das Angst machen? Ich glaube nicht." - „Ich habe aber nicht an einen Serienmörder gedacht." - „Es geht ums Prinzip, Kleines." - „Du bist verrückt." - „Deswegen magst du mich." Ich sah wieder aus dem Fenster. „Bunt träumen also..." murmelte ich vor mich hin und grinste ungläubig. Als ich dann wieder den Regen beobachtete, hatte er eine ganz andere Farbe... und dann musste ich lachen und er lachte mit, weil er genau wusste, dass er mich mal wieder ein Stückchen verändert hatte.

No more Dreams (No more scars 2) BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt