Kapitel 38 - Back in Seoul (5)

802 53 47
                                    




Am nächsten Morgen wachte ich genau dort auf, wo ich eingeschlafen war. Am Küchentisch mit der Sojuflasche vor meiner Nase, dem Kopf auf dem Tisch und getrockneten Tränen, die über meine Wangen geflossen waren. Nur eins war anders. Ich hatte eine Decke um meine Schultern. Vielleicht war Tae es gewesen...? Als ich aufstand und nach den Jungs rief, war ich überrascht festzustellen, dass ich tatsächlich alleine war. Abgesehen davon, dass ich überrascht war, dass ich überhaupt aufstehen konnte, ohne schlimme Kopfschmerzen zu haben. Niemand war zu Hause.

Tae: Kaija?

Kaija: Hi, Tae. Wo seid ihr alle?

Tae: Kaija, du musst sofort herkommen!

Kaija: W-Was ist denn los?

Tae: Schau mal auf das Datum.

Ich tat, was er sagte. Scheiße.

Tae: Wir hatten ein Fotoshootings und danach... naja... ist es wieder passiert. Sonst kann ihn niemand beruhigen.

Kaija: I-Ich... was ist mit Kyra?

Tae: Sie ist komplett überfordert damit... ich glaube sie macht es schlimmer... ich habe sie jetzt von dort weggeholt, sie weint... es ist alles ein wenig stressig gerade. Er braucht dich.

Kaija: Ich bin sofort da.

Tae: Danke! 


---


Tae's P.O.V:


"Hör auf zu weinen, es ist ok." versuchte ich Kyra zu beruhigen, die auf dem Stuhl in einer Umkleide saß, in der sie sich eingesperrt hatte. "Ich kann nicht! Ich bin so eine schlechte Freundin!" schluchzte sie und putzte sich anschließend die Nase. Ja, sie war nicht der aller beste Mensch, aber sie hatte kein schlechtes Herz. Und sie tat mir leid. "Wie wäre es, wenn du mich reinlässt, hm?" Das Umdrehen eines Schlosses folgte und ich öffnete die Holztür zögernd, hinter welcher mich ein verweintes Gesicht erwartete. "Hey." ich lächelte schief. "Sieh mich nicht an, Kim Taehyung, ich sehe furchtbar aus!" fuhr sie mich an und bewarf mich mit ihrem Taschentusch. Ich kniete mich vor ihr hin. "Darf ich dich was fragen?" sie sah unter verschwommener Sicht zu mir auf. "Was denn?" - "Warum bist du mit Yoongi zusammen?" sie verdrehte die Augen und lachte auf. "Was ist bloß los mit euch allen? Warum fragt mich das jeder?" - "Ich denke, das weißt du selbst." - "Aber ich liebe ihn!" wimmerte sie verzweifelt. "Ich meine... es ist eure Entscheidung, aber... wenn ich das mal sagen darf... ihr beiden passt nicht zusammen, Kyra. Er passt so wenig zu dir, wie du zu ihm. Das weißt du. Warum hältst du daran fest?" sie schwieg einen Moment lang und ließ sich meine Worte durch den Kopf gehen, ehe sie mich ansah. Ihre Augen sahen ergeben aus. Ihr Blick kapitulierend. "I-Ich weiß es nicht... zuerst die Sache mit Kaija... und ich mochte ihn und dann... ich konnte das nicht auf mir sitzen lassen. Ich wollte, dass es richtig ist. Ich wollte, dass es passt." Es war das erste Mal, dass sie eine Fehler zugegeben hatte, seit ich sie kannte. Indirekt, aber sie hatte es. "Warum beendest du das Ganze nicht?" - "A-Aber..." - "Kyra..." unterbrach ich sie, ehe sie wieder etwas sagen konnte, dass keinen Sinn ergab. "Ihr tut euch nur selbst damit weh. Das bringt doch nichts. Irgendwann wirst du jemanden finden, der dich wirklich liebt. Jemanden, der dich glücklich macht und der zu dir passt." sie sah auf ein Mal schrecklich traurig aus. "Glaubst du das?" so zerbrechlich und hilflos hatte ich sie selten gesehen. Als wäre die Art, die sie der Welt zeigte nur eine Maske, um ihre Unsicherheit zu verbergen. Sie tat mir leid. "Ich weiß es." dann nahm ich ihre Hand und für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass sie einfach Kyra war. Dass ihre Augen nicht unberechenbar glänzten, sondern aufrichtig. "Danke, Tae." sie lächelte schwach. "Ich bin immer da. Falls du jemanden zum reden brauchst, sag mir bescheid." dann fiel sie mir in die Arme. Sie hatte mich noch nie umarmt und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Erst Recht wusste ich nicht, warum mein Körper begann zu kribbeln. Es war seltsam. Es war unangenehm und trotzdem wollte ich sie noch nicht loslassen und drückte sie fester an mich. "Wie wäre es, wenn du dir heute frei nimmst?" sie löste sich aus meinen Armen und sah mich überrumpelt an. "F-Frei? A-aber wir haben noch Termine! Fotoshootings!" - "Du hast nur noch einen Termin für heute und da fällt uns schon was ein. Geh nach Hause und ruhe dich ein bisschen aus, ok?" sie blickte erleichtert zu mir auf. "Danke." und dann drückte sie mir einen Kuss auf die Wange und warf mich völlig aus der Bahn. Ich fuhr mit meinen Fingern über die Stelle an meiner Wange, auf die sie ihre Lippen gedrückt hatte. Warum fühle ich mich so seltsam? W-Was... ist das?


---

Kaija's P.O.V: 

"Kaija! Gott sei Dank!" rief Jin erleichtert und atmete laut auf. Ich schloss die Tür hinter mir und ging weiter durch den Raum, während ich mich suchend nach ihm umsah. "Er ist dort drüben." Namjoon deutete auf eine Tür am Ende des Ganges und sah mich ermutigend an. Ich zögerte für einen Moment und sah die beiden fragend an, worauf sie mir bestätigend zunickten. Ok, dann los...

Als ich die Tür öffnete, sah ich ihn... Er kniete auf dem Boden. Sein weißes T-Shirt völlig durchnässt, seine Atmung unregelmäßig. Als würde er nach Luft schnappen. Mein Herz zog sich zusammen... es war wie letztes Mal. Als er mich geküsst hatte. Als ich ihm nah war. Als wir uns noch geliebt hatten... Was also sollte ich tun? Hatte ich überhaupt noch das Recht ihn zu trösten? Ihn aufzufangen, wenn er gefallen war? Bei ihm zu sein? Durfte ich ihn anfassen? Durfte ich ihn umarmen? Wie sollte ich mit ihm reden? Ich kniete mich langsam neben ihn. Unsicher. Auch jetzt bemerkte er meine Anwesenheit nicht. Er weinte. Er weint... was soll ich tun? Ich bewegte meine Hand langsam auf seine Schulter zu. Vielleicht würde es ihm helfen? Es wäre das erste Mal seit Jahren, dass ich ihn berühren würde... doch ehe ich dies konnte, machte er mir einen Strich durch die Rechnung, packte mein Handgelenk und sah mich an. Ich zog erschrocken die Luft ein und erwiderte seinen Blick. Er sah gebrochen aus. Wütend. Frustriert. Oh Gott. "Yoon." Yoon. Ich atmete laut auf und wandte meinen Blick ab. "Geh." seine Stimme klang schwach und dennoch befehlend. Für einen Moment überlegte ich, ob ich diesem Befehl, nachkommen sollte. Ich starrte auf die geschlossene Tür, dann sah ich ihn an und dachte an all die zahlreichen Momente, in denen er mir geholfen hatte und bei mir war. "Nein." und damit riss ich mich von seinem Griff los. "YOON! ICH MEINE ES ERNST, VERDAMMT! DU SOLLST VERSCHW-" dass er mich anschrie überraschte mich nicht. Ich hatte diese Reaktion erwartet. Wie hätte es anders sein sollen? Deshalb unterbrach ich ihn, indem ich seine Hand nahm. Ja, seine Hand zu nehmen war schwer. Mein Herz wurde schwer. Es schmerzte. Er war so kalt und so... gewohnt. Warum...? Er sah mich an, als würde etwas mit mir nicht stimmen. Oh Gott... diese Augen. "Y-Yoongi, ich... ich werde bei dir sein. Auch, wenn alles so ist, wie es ist. Diese ganzen Sachen musst du nicht allein durchleben." sagte ich leise. Und das zu sagen war alles andere als einfach. Vielleicht weil ich wusste, dass es nur teils stimmte. Er lachte auf und wischte sich die Tränen von seiner Wange. "Du wirst bei mir sein?" er klang gereizt und verletzt und wütend und ich konnte seinen Blick nicht erwidern. "Und Joo Hyuk und Kyra leisten uns Gesellschaft dabei, hm? Es ist nicht mehr wie vorher, Yoon." Autsch... "Aber... ich meine, dass du-" Er entzog seiner Hand der meinen, ehe ich zu Ende sprechen konnte und ich sah ihn an. "Ich kann nicht mehr deine Hand halten..." ich schluckte schwer. Autsch... "Ich kann dich nicht mehr so ansehen, wie vorher..."fuhr er fort. Autsch... Seine Augen fuhren die Konturen meines Gesichtes nach und jede Stelle begann zu brennen wie Feuer. Ich kämpfte mit den Tränen, obwohl ich nicht Diejenige sein sollte, die in dieser Situation und an diesem Tag hilflos war. "Ich kann... das..." er legte zögernd seine Hand an meine Wange und sah mich mit diesem Blick an. "... nicht mehr tun..." beendete er seinen Satz. Und dann weinte ich. Weil es sich so falsch anfühlte von ihm berührt zu werden und doch so unfassbar richtig. "W-Warum tust du das?" hauchte ich verzweifelt. "Warum weinst du?" fragte er mich stattdessen. "Weil... es... ich...-" begann ich ratlos zu stottern, doch er unterbrach mich, indem er etwas sagte, dass ich nicht erwartet hatte. "Küss mich." ich sah erschrocken zu ihm auf und stellte fest, dass sein Gesicht meinem näher war, als es sollte. Seine Haut... seine Lippen... sein Geruch. Für einen Moment vergaß ich mich völlig und schloss die Augen, doch keine Sekunde später fing ich mich wieder und schüttelte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf. "I-Ich kann nicht..." - "Aber ich kann." und dann kam er mir immer näher und ich wehrte mich nicht mehr. Ich wusste es war zwecklos. Ich konnte ihm nicht Wiederstehen. Niemals. Scheiße. Seine Lippen waren den meinen so nah, dass es unerträglich war. Und gerade, als er die Lücke zwischen unseren Mündern schließen wollte, klopfte es an der Tür. Das rüttelte mich wach und ich entfernte mich schlagartig von ihm. Er seufzte und stand auf. W-Was ist gerade passiert? Völlig perplex saß ich auf dem Boden und beobachtete wie Tae den Raum betrat. "I-Ich wollte nur fragen, ob alles in Ordnung ist..." begann er zögernd und sah uns beide an. "Mir geht es gut." antwortete Yoongi knapp und ging ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei aus dem Raum und ließ mich verwirrt auf dem Boden zurück. "Jikai? Ist alles in Ordnung?" Nein. "Ja." - "W-Warum weinst du?" - "Weil ich verwirrt bin, Tae. I-Ich befürchte, ich habe einfach einen Fehler gemacht."

Die Frage war nur: Was war der Fehler?

--

No more Dreams (No more scars 2) BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt