Der Besuch

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Wie manche bestimmt gemerkt haben sind Teile der Geschichte an echte Ereignisse angelehnt.

(2012: Rückblick 4)

Pov. Dima
Es war Ende Herbst und der Winter stand vor der Tür. Der Wind der über die Straßen wehte blies Laub auf. Mit schnellen Schritten ging ich den Gehweg an den Hausfassaden entlang. Schon seit einer Stunde eilte ich ziellos umher, ohne Halt zu machen. Ich musste meinen Kopf frei kriegen. Viel zu viele wirre Gedanken schwirrten in meinem Kopf umher, zu viele Fragen blieben unbeantwortet und bereiteten mir Kopfschmerzen. Etwas außer Atem blieb ich stehen. Es war Abend geworden und die Luft zunehmend kälter. Trotz pausenloser Bewegung fror mich und ich zog die dünne Jacke, die ich anhatte, fester um mich. Ich blickte mich um und betrachtete die Gegend in der ich gelandet war. Viel zu sehr damit beschäftigt, mich mit den Ereignissen der letzten Stunden auseinander zu setzen, hatte ich nicht darauf geachtet wohin meine Füße mich getragen hatten.

Gelandet war ich in einem kleinen Park mit Bäumen, dessen Laubwerk im dämmrigen Licht in allen Orangetönen leuchtete. Der Anblick hatte etwas Melancholisches und ich schloss die Augen um die angenehme Stille auf mich wirken zu lassen. Nach einer Weile ging ich ein Stück in den Park hinein und setzte mich auf eine Parkbank. Ein kleiner Teich lag vor mir und die Wasseroberfläche spiegelte den Mond wieder, der nun am Himmel zu sehen war. Es wirkte alles so friedlich und mein sehnlichster Wunsch war, es für immer hier zu bleiben. Diesen Moment für immer einzufrieren. Doch die Realität sah anders aus, bald würde die Nacht hier alles in Schwarz einhüllen und die Temperaturen in den Minusbereich fallen lassen. Hier konnte ich nicht bleiben, das war sicher. Nur hatte ich keine Ahnung, wo ich hin sollte. Zurück in meine Wohnung konnte ich nicht, sie gehörte schließlich Felix und von dem wollte ich nichts mehr wissen. Ich fischte mein Handy aus meiner Hosentasche.

Das grelle Licht des Displays stach in meine Augen, als ich es entsperrte und auf meine Kontakte ging. Freunde und Familie wohnten viel zu weit weg. Es gab nur eine Person die mir jetzt noch helfen konnte. Es klingelte wenige Male, bevor ich hörte wie die Person abnahm. „Julien, hier ist Dima", meldete ich mich „Ich denke ich weiß jetzt was du bei unserem letzten Treffen meintest. Könntest du mich abholen?"

Frierend saß ich auf der Parkbank und starrte ins Leere, während ich darauf wartete, dass Julien mich abholte. Ein Auto bog in meine Richtung und hielt an. Steif stand ich auf und öffnete die Beifahrertür. Schweigend stieg ich in den Jaguar. Kein einziges Wort fiel, als wir zu seinem Haus fuhren. Dort angekommen Stieg ich aus, und ging nach ihm durch die Haustür. Ich war todmüde, der Tag war viel zu anstrengend gewesen und hatte meine vollste Kraft erschöpft. Es war mir im Moment egal wo ich war und was ich hier tat. Jeder war mir egal. Ich wollte nur meine Ruhe. Ich fühlte mich ausgelaugt und das einzige an was ich denken konnte, war Schlaf. Ich zog meine Schuhe aus, schmiss meine Jacke auf den Boden und ging weiter in das Haus hinein. Ich gelangt in ein Wohnzimmer und entdeckte ein Sofa. Ohne mir weiter Gedanken über irgendetwas zu machen, steuerte ich darauf zu und ließ mich darauf fallen. Gleich darauf war ich eingeschlafen.

Als ich die Augen aufschlug schienen mir die ersten Sonnenstrahlen, der noch tief stehenden Sonne, ins Gesicht. Panisch sah ich mich in der fremden Umgebung um, bis mir wieder einfiel wo ich war und was gestern geschehen war. Ich ließ den Kopf in meine Hände sinken. Nach der Veröffentlichung von Bossaura war, durch die negative Analyse von Julien, der Hate gegen mich gestiegen. Nun hatte sich herausgestellt, dass dies alles abgesprochen worden war und Kolle davon gewusst hatte und nun saß ich auf dem Sofa von Julien. Wie passte das alles zusammen und was machte ich hier überhaupt?

Plötzlich musste ich niesen und ein „Gesundheit", kam vom anderen Ende des Raums. Ich drehte mich um und sah wie Julien in Boxershorts und T-Shirt gerade das Wohnzimmer betrat und an mir vorbei in die Küche ging, die sich in einer Ecke des Wohnzimmers befand. „Hast dich wohl gestern erkältet, aber was machst du in einer so kalten Jahreszeit auch noch um die Uhrzeit draußen?" „Willst du dir nicht was anziehen?", stellte ich eine Gegenfrage, ohne auf seine Frage zu antworten. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du noch hier bist", gab er nur als Antwort und verschwand für einige Minuten, nur um angezogen wieder zu kommen. Er schmiss mir einen von seinen Merchpullovern zu, der einen Jokeraufdruck hatte. „Zieh den an", meinte er, bevor er sich wieder in die Küche begab. Ich wollte seine Hilfe nicht, doch ich fand meine Jacke nicht und da ich ohne Decke geschlafen hatte, war mir in dem dünnen T-Shirt, das ich anhatte, trotz der angenehmen Raumtemperatur, kalt. Vermutlich hatte ich mich von der eisigen Nacht gestern noch nicht vollständig aufgewärmt. Wiederwillig schlüpfte ich in den Pulli.

Ich dreht mich zu Julien als dieser anfing zu reden: „Da du noch nicht abgehauen bist, schätze ich mal, dass du niemanden hast zu dem du gehen kannst. Außerdem hättest du mich sonst vermutlich nicht angerufen. Ich meine ausgerechnet mich? Nachdem was ich in der Vergangenheit gemacht habe, kann ich mir vorstellen, dass du mich nicht besonders gut leiden kannst. Du kannst aber so lange hierbleiben wie du möchtest, du musst auch nicht mit mir reden, wenn du nicht willst". Es war ungewöhnlich ihn so zu sehen. Vom Schlaf waren seine Haare noch leicht zerzaust und er sah etwas unsicher aus, wie er da so stand. Leicht am Küchentresen angelehnt, während er nervös seine Hände knetete. Ich kannte ihn sonst nur von seiner arroganten, selbstverliebten Seite. „Danke für das Angebot", gab ich ihm als Antwort. Er nickte nur und verschwand aus dem Wohnzimmer.

Noch war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich hierbleiben wollte, jedoch konnte ich auch nirgendwo sonst hin. Ich besaß kein eigenes Auto und mein gesamtes Geld lag noch in Kolles Wohnung, also konnte ich mir auch kein Ticket für einen Bus oder ähnliches kaufen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass dies nur noch 2% Akku hatte. Telefonieren konnte ich also auch vergessen. Ich steckte hier also fest. Mein Magen knurrte und ich sah zum Kühlschrank hinüber. Julien hatte mir zwar seine Hilfe angeboten, doch ich musste mir trotzdem eine Lösung überlegen wie ich hier wieder wegkam. Ich stand auf und fand einen Apfel in einer Obstschale. Ich war kein großer Fan von Obst, aber gerade war mir alles recht. Mit schlechtem Gewissen begann ich zu essen und dachte daran, dass ich noch vor nicht allzu langer Zeit Julien meine größte Verachtung entgegengebracht hatte. Ich nieste noch einmal, bevor ich mich auf einen Stuhl fallen ließ.

Fürs erste sollte ich versuchen ein Ladekabel für mein Handy zu organisieren. Julien war nirgends zu sehen und so wartete ich ab, bis er wieder kam. Nach einigen Minuten hörte man Schritte, die eine Treppe hinunter stiegen. Julien hatte sein T-Shirt gegen etwas Langärmliges ausgetauscht, dazu hatte er zerrissene Jeans an. „Ich werde mich mit 'nem Kumpel treffen, bin in ein paar Stunden wieder da." Die Haustüre viel ins Schloss und man hörte den Motor seines Autos aufheulen. Erwartete er von mir dass ich hier blieb? Er ließ mich einfach so alleine in seinem Haus? An seiner Stelle hätte ich nicht so ein großes Vertrauen in eine fremde Person, sodass ich ihr einfach mein gesamtes Haus für mehrere Stunden überließ. Schließlich kannten wir uns kaum. Weg konnte ich hier sowieso nicht. Eine Möglichkeit war hunderte Meter zu Fuß zu gehen, aber dafür fühlte ich mich nicht gesund genug.

Inständig hoffte ich, dass ich kein Fieber bekam. Auch noch krank in einer fremden Wohnung zu liegen, war das Letzte was ich jetzt brauchte. Ich sah das Festnetztelefon an, doch mein Handy hatte sich mittlerweile ganz ausgeschaltet und ich konnte keine einzige Nummer auswendig. Was mir jetzt noch übrig blieb, war ein Ladekabel zu suchen. Im Erdgeschoss befand sich die Garderobe, durch die man ins Wohnzimmer gelangte, wo auch die Küche war und ein Tisch mit Sesseln stand. Eine Treppe führte nach oben. Dort fand man sich auf einer großräumigen Fläche wieder. Es gab mehrere Türen, die alle verschlossen waren. Vorsichtig drückte ich die erste Türklinke auf und betrat den Raum. Es war ein sehr modern eingerichtetes Badezimmer. Nun war meine Neugierde geweckt und ich erkundete den Rest des oberen Stocks. Es befanden sich dort noch ein Arbeitszimmer, sein Schlafzimmer, ein Gästezimmer und ein riesiger Raum, der einen Fernseher und mehrere Musikboxen beinhaltete. Die gegenüberliegende Seite der Tür war eine Glasfront und man konnte so nach draußen auf eine Dachterrasse gelangen. Ich schloss die Tür wieder und ging nach unten. Ein Ladekabel hatte ich nirgendwo gefunden, da ich nicht jede Schublade durchwühlen wollte. Gerade wollte ich mir darüber Gedanken machen, was ich nun tun sollte, als man plötzlich von oben einen lauten Knall eines zu Boden fallenden Gegenstands hörte. Ich zuckte erschrocken zusammen. War außer mir nochjemand im Haus?

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