Insidiae

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(2013: Rückblick 25)

Pov Dima

„Ich weiß es nicht ok. Ich hab nicht nachgedacht. Ich war angetrunken. Ich hab überstürzt gehandelt. Es tut mir leid Julez, aber ich hab wirklich keine Erklärung dafür."

„Du hast nicht gesagt, dass du es bereust."

„Tu ich auch nicht."

„Das heißt du würdest es wieder tun?"

Sollte ich lügen? Aber das würde auch niemandem weiter helfen.

„Vielleicht."

Julien sagte eine Zeit lang nichts mehr.

„Hast du dich die Zeit davor deshalb so seltsam verhalten?"

„Kann sein... Ich denke ich war eifersüchtig."

„Auf wen?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Auf alle die nicht ich waren?"

Julez musste leicht lächeln.

„Was jetzt?", fragte er schließlich.

Ja, was jetzt... ich wusste es nicht. Wie so vieles nicht.

„Hat es denn überhaupt einen Sinn?"

„Was hat einen Sinn?"

„Gefühle für dich zu entwickeln. Würdest du sie jemals erwidern?"

Julez sah mich erstaunt an.

„Ich weiß nicht. Das ist die ehrlichste Antwort die ich dir geben kann. Aber wenn deine Gefühle für mich wirklich echt sind, dann können wir es versuchen."

Skeptisch sah ich ihn an. „Glaubst du wirklich das ist eine gute Idee?"

„Nein", war seine kurze Antwort darauf.

Er kam einen Schritt auf mich zu uns kniete sich neben mich aufs Bett. Vorsichtig griff er mit seiner Hand unter mein Kinn und drehte meinen Kopf so, dass ich zu ihm nach oben sah. Er wartete darauf ob ich damit einverstanden war, doch da ich keine Anstalten machte mich gegen ihn zu wehren, beugte er sich zu mir hinunter und drückte vorsichtig seine Lippen auf meine. Es war ein kurzer Kuss und nach wenigen Sekunden löste er seine Lippen von meinen und stand auf. Er hatte ein breites Lächeln auf den Lippen als er mich ansah.

„Ich glaube die Wahrscheinlichkeiten sind hoch, das daraus was werden könnte" verkündete er. Sein leicht neckischer, sarkastischer Tonfall der im vorigen Gespräch gänzlich gefehlt hatte war wieder zurück.

„Aber im Ernst, seit wann stehst du eigentlich auch auf Männer?", fügte er noch als Abschluss hinzu bevor er das Zimmer verließ.

Ich ließ mich zurück ins Bett fallen und konnte dabei nicht aufhören zu grinsen. Was immer das gerade war, es war keine gute Idee, aber es fühlte sich gut an. Ich konnte mich nicht erinnern jemals so glücklich gewesen zu sein, wenn ich an eine Person dachte, als es gerade bei Julez der Fall war.

*

Am nächsten Morgen saßen wir gemeinsam am Frühstückstisch und unterhielten uns über die derzeitige Lage. Ich trug Juliens T-Shirt vom Vortag, auf das Julez nur mit einem Lächeln reagierte.

„Hier", sagte ich und hielt ihm die Visitenkarte von Dennis Sand hin. Ich erzählte ihm von der Begegnung mit ihm und zeigt ihm anschließend seine verfassten Artikel.

„Findest du es nicht auch seltsam, dass dieser Dennis auffällig gut auf die Blue Wings zu sprechen ist. Er tut so, als wären das die Unschuldigsten Männer auf diesem Planeten. Gerade sie, die alles abstechen was ihnen vor die Füße läuft."

Julien nickte. „Es ist auch seltsam, dass er die Auslöschung der Skorpione uns in die Schuhe schieben möchte, wenn die Wahrheit doch so viel mehr Sinn ergibt."

„Wir sollten es Salah zeigen", bestimmte ich. Doch dieser war nirgends zu finden. Wir machten uns auf die Suche nach ihm und streiften einige Häuserblöcke entlang. Es war noch früh am Morgen und es tat sich nicht viel auf den Straßen.

Als wir in eine Seitenstraße einbogen kam ein Mann in Sichtweite der an einer Hausmauer lehnte. Er war gerade dabei sich eine Zigarette anzuzünden. Als er unsere Schritte vernahm blickte er hoch und sah uns an. Etwas in seinem Blick sagte mir, dass er mehr war, als ein Passant, der an einem Montagmorgen die aufgehende Sonne beobachten wollte. Sein Blick hatte etwas wissendes, so als würde er uns kennen.
Auch Julien schien das bemerkt zu haben, denn er blieb stehen.

Meine Vermutung bestätigte sich, als er sich von der Hauswand abstieß und sich uns ganz zuwandte. Auf seinem rechten Arm zeichnete sich eine blaue Uhr mit Flügeln ab:
Das Zeichen der Blue Wings.
Der junge Mann stieß einen lauten Pfiff aus. Es dauerte keine zwei Sekunden, als hinter uns weitere vier Männer auftauchten. Auf jedem ihrer Arme prangte das geflügelte Zeichen.

Typisch für die Gang waren ihre jungen Mitglieder. Einer der Jungs sah nicht älter als 16 aus, die anderen waren auch kaum älter. Trotz des Altersunterschieds gab es ein großes Problem:
Es stand zwei gegen fünf.
Und sie hatten Messer dabei.

Hilflos sah ich zu Julien der jedoch genauso panisch aussah wie ich mich fühlte. Wir befanden uns in einer aussichtslosen Situation.

„Dimitri Chpakov und Julien Sewerin hab ich Recht?", der Mann mit der Zigarette kam mit einem überlegenen Lächeln auf den Lippen bedrohlich näher.

Dicht vor mir blieb er stehen und hielt mir sein Messer unter die Nase.
„Das mit den Skorpionen war nichts Persönliches. Sie waren einfach nur im Weg. Bei euch hingegen...", er ließ den Satz offen im Raum stehen und grinste uns stattdessen weiter an.

„Was?", knurrte Julien „Ihr kennt uns doch gar nicht."

„Aber John Webber tut es."

Julien schien mindestens genauso verwirrt wie ich.
„Ihr kennt ihn?"

Der Mann vor uns tat so, als müsste er darüber nachdenken.

„Er ist uns sozusagen zugelaufen", er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Er spielt sich auf, als sei er unser Boss und wir lassen ihn. Es ist lustig zu sehen wie er denkt ihm gehöre das Universum. Er will eure Köpfe. Und da er ja scheinbar unser Boss ist gehorchen wir natürlich.", der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Er hatte nicht vor uns anzugreifen, weil Webber es so wollte, sondern weil es ihm schlicht und ergreifend Spaß machte Gewalt auszuüben und wenn er dazu noch einen Grund hatte umso besser.

Er warf seine Zigarette auf den Boden und zielte mit seinem Messer auf meine Brust. Ich wich einen Schritt zurück.

„Es war schön mit euch Bekanntschaft zu machen", war das letzte was er noch sagte, bevor er ausholte und auf mich zustürzte.

Started from the BottomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt