#TEASERFRIDAY: ADAM

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Prolog

Manchmal frage ich mich, was der Sinn des Lebens ist. Natürlich passiert das sehr selten.

Aber wenn ich es tue, dann denke ich tagelang darüber nach. 

Ich kann nicht aufhören, darüber in Gedanken mit mir selbst zu streiten. 

Was ist es?

Liebe?

Das kann doch nicht sein. 

Viel zu romantisch. 

Naja, das hat die Liebe so an sich, romantisch sein.

Und verwirrend ist sie auch noch. Da könnte sie glatt mit dem Schicksal zusammen arbeiten. Aber das will die Liebe nicht. Sie kommt einfach. Ohne Vorwarnung und selbst das Schicksal fragt sich dann, wie das passieren konnte. 

"Signorina Marino?", kam es dumpf vom Flur hinter meiner Zimmertür. Dann klopfte es drei Mal. "Signorina, Ihr Vater lässt bitten." 

"Maria, ich bin beschäftigt. Sag ihm, er solle noch fünf Minuten warten."

", Signorina", antwortete die Haushälterin und lief schnellen Schrittes wieder davon. Das Geräusch ihrer Sohlen auf dem Marmorboden hallte noch Sekunden nachdem sie gegangen war nach.

"Du gehst einfach zu ihm nach unten. Leise über den dicken alten Teppich und dann die Treppe hinunter. Wahrscheinlich ist es nichts, ja, genau, vielleicht ist es nur eine Familienbesprechung... Ja, das-  Ach vergiss es", murmelte ich vor mich hin, versuchte so, mich selbst zu beruhigen. Ich glaubte mir selbst kein Wort von dem, was ich da sprach. 
In Merridale war anscheinend kein Platz für zwei reiche, machtvolle Familien italienischer Herkunft. 
Sollte es heute entschieden werden? Wer die Stadt "bekam"? 
Ich wusste es nicht. 
Alles, was ich wusste, war, dass ich wohl oder übel heute Abend auf die Ricchi treffen würde. 
Und auf Adam. 
Wie ich bei dem Namen schon hätte anfangen können zu würgen.
Über Adam musste man nicht viel wissen: er war groß, beliebt bei den Frauen (und führte somit auch einen gewissen Ruf), er war der erstgeborene Sohn der Ricchi und sein Markenzeichen waren seine lockigen Haare. 
Ich musste zugeben, dass seine Haare wirklich gut aussahen. 
Haselnussbraun, glänzend und lockig eben. 
An den Seiten kurz, doch oben irgendwie... fluffig. 
Daher kam auch der Name der Familie, denn "i capelli ricchi" bedeutet zu Deutsch "die lockigen Haare". 
Die Mitglieder in der Familie hatten schon lange keine lockigen Haare mehr, doch aus welchem Grund auch immer bekam Adam sie geschenkt. 
Schön, er sah gut aus. In der Schülerzeitung wurde er zum "hübschesten Jungen des Jahres" gewählt. Ja, bei uns gab es sowas. 
Also stand ich da.
Immer noch. 
In meinem grünen Kleid aus Samt, das mir bis zu den Knien ging, während einer der sehr schmalen Träger des Kleidungsstückes von meiner Schulter gerutscht war. 
Manchmal fühlte ich mich etwas schäbig und falsch.
Aber nur ganz selten. Und nicht lang.
Ich atmete noch einmal tief durch und entschied mich, hohe Schuhe anzuziehen. Einfach, weil ich mich in ihnen sehr selbstbewusst fühlte und mich dadurch ganz anders bewegte. 
Man will ja Eindruck schinden, nicht?

"Ciana!", brüllte mein Vater von unten und es ließ mich zusammenzucken. Sein normales Schreien war nicht ansatzweise so tief und harsch wie dieses es gerade gewesen war.
Also machte ich mich schnell auf den Weg. 

"Schön, dass du da bist, principessa", säuselte er langsam und ich fragte mich weshalb. 
Bis ich endlich meinen Blick hob und nach Luft schnappen musste. 
Die Ricchi saßen am Tisch.
Und Adam saß gerade dort, wo ich immer saß.
Und er sah mich einfach an.
Musterte mich von oben bis unten.
Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, als würde er in meine Seele schauen.

ᴀᴅᴀᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt