Neunzehn: Wir sind auch noch da!

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Am nächsten Morgen wachte ich vor ihm auf. 
Friedlich lag er da, auf der Seite, den Mund leicht geöffnet. 
Irgendwie fand ich, dass er wie ein Eichhörnchen aussah. 
Ein süßes Eichhörnchen.
Fantasie musste man haben. 
Vorsichtig beugte ich mich über ihn um die Uhrzeit auf meinem Handy zu checken. 
Zehn Uhr? 
Ups. 
Ich versuchte so leise wie möglich über ihn zu klettern, was mir mit Ach und Krach gelang, wobei ich etwas unsanft aber leise auf dem Boden landete. 
Ich schnappte mir noch eine Jogginghose aus seinem Schrank (das war kein Diebstahl!), da es über Nacht noch kälter geworden war und schlich dann die Treppe nach unten, um nachzusehen, was sie so zum Frühstücken in der Küche hatten. 

Nach einer Weile hatte ich die Küche gefunden und war auch schon dabei, den Kühlschrank zu plündern. Die Haushälterinnen waren nicht schlecht darin, alles da zu haben. 
Ich hatte nicht sonderlich viel Lust, nur Müsli zu essen, also knetete ich mal eben den Hefeteig, den mir Maria gezeigt hatte und schob ein paar Brötchen in den Ofen. Währenddessen fand ich auch Eier und Bacon, welche ich beide anbriet und auf Teller verfrachtete. 
Zwar war es vielleicht etwas komisch, Frühstück in einem fremden Haus, alleine in einer fremden Küche zu machen, doch ich hatte mir immer vorgenommen, falls ich mal einen Jungen hätte, den ich wirklich mag, dass ich das Klischee brechen würde. 
Und in den Filmen war es doch so, dass der Mann das Frühstück ins Bett brachte, nicht? 
Oder zum Bäcker ging? 
Na gut, vielleicht hatte ich einfach Hunger, da wir gestern nicht zum Essen gekommen waren und ich keine Lust hatte, so lange zu warten, bis er aufgewacht war? 
Das würde es wohl eher sein. 
Rasch blickte ich mich um und schloss dann die Tür der Küche, um das Radio etwas aufzudrehen. 

Eine halbe Stunde lang hatte ich das Essen vorbereitet und war nun gerade dabei, den Esstisch zu decken. Mittlerweile würde es auch anders zubereitete Eier sowie Äpfel und Trauben, Croissants, Joghurt, Tee und Orangensaft geben, da eine der Haushälterinnen mich wenig später entdeckte und nachdem wir uns gegenseitig etwa zehn Sekunden lang anstarrten, uns dann vorgestellt und gemeinsam über die Sache gelacht hatten, mir half. Nun saß ich am Tisch, noch alleine, mit einer Tasse Tee in der einen und die Morgenzeitung, die bis vor Kurzem noch vor der Haustüre lag, in der anderen Hand, als jemand gewisses verschlafen die Treppe hinuntergetrottet kam. 
Ich sah auf und mochte diesen Ich-bin-gerade-erst-aus-dem-Bett-gestiegen-Look sehr an ihm, da er seine Locken sonst immer etwas kämmte und gelte, ihm die natürlichen und zugegebenermaßen etwas wuschigen und wirren Haare viel besser standen. 
Jedenfalls in diesem Moment. 
Ein Lächeln schlich sich unbewusst auf meine Lippen, die gerade an der Tasse nippten und meine Augen sahen über den Rand des Papiers. 

"Morgen", brummte er, nun zu meinem Bedauern etwas mehr als nur eine Hose an, während er sich am Hinterkopf kratzte. 

"Guten Morgen", sang ich schon beinahe und brachte ihn damit ein wenig zum Schmunzeln. Nachdem er endlich das Ende der Treppen erreicht und sich zu mir gesetzt hatte, begutachtete er den Tisch, rieb sich dann die Augen und stupste die Croissants an. 
Ich prustete los und er grinste bloß. 

"Seit wann haben wir so viel Essen zu Hause?", murmelte er mit dieser rauen Morgenstimme und schnappte sich die Kanne, nur um dann festzustellen, dass dort nur Tee drin war. 

Bitte sag noch was, ich flehe dich an, dachte ich und kreiste bei diesem Gedanken die Schultern. Das war aber schnell gegangen.

"Seit ich Frühstück gemacht habe", antwortete ich etwas leiser und biss in meine Semmel. Ich konnte seinen Blick auf meiner Haut spüren, wie seine Augen über mein Gesicht schweiften und jeden Zentimeter genau begutachteten. 
Dann brummte er nur belustigt und trank dann doch lieber Orangensaft statt Tee, während er sich ein Brötchen schmierte. 
Gerade als es anfing, idyllisch zu werden, fiel mir gestern Nacht ein. 
Diese Szene wollte nicht aus meinem Kopf verschwinden. 
Also sprach ich es an, unauffällig. 

ᴀᴅᴀᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt