ᴀᴅᴀᴍ

Dreiunddreißig: Ringe und Tränen

"Das ist sowas von nicht wahr! So eine Lüge!", rief Aric quiekend durch die Gegend und ich sah von meinem Buch auf. Callum saß neben ihm und blickte sich etwas peinlich berührt um. Irgendwas lag in der Luft und ich wollte wissen, was es war. Ich begab mich an unseren großen Esstisch, der gleichzeitig auch unser Arbeitstisch war und blickte die beiden erwartungsvoll an. Aric ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und stütze den Kopf auf die Hände wie ein kleines Kind. Er grinste etwas doof und summte fröhlich vor sich hin. Ich musste mitlächeln und hob fragend eine Augenbraue, als ich wieder zu meinem besten Freund sah. Dieser sah auf seinen Schoß und würdigte mich keines Blickes. Doch als Liv den Raum betrat und seine Augen zu ihr schnellten, wusste ich sofort, was los war. Oder ich glaubte es jedenfalls zu wissen. Doch dann begann Call endlich, die Nachrichten zu verkünden. 

"Leute, hört mal bitte alle zu", fing er etwas zögerlich an und räusperte sich schnell, "da sich unsere Wege bald für eine lange Zeit trennen werden, habe ich mir das Recht genommen, euch eine kleine Sache über mich zu verraten. Es ist nichts Großes, wirklich."

Er blickte nochmals in die Runde, um sich zu vergewissern, dass auch alle da waren. Dann fiel ihm auf, dass Ciana fehlte, also ging ich schnell los, um sie zu holen. Ich fand sie bald in meinem Zimmer, wie sie sich das Foto auf der Kommode nochmals ansah. Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und musterte sie dabei. Als sie mich entdeckte, erschrak sie kurz, doch lächelte mir entgegen. 

"Schleich dich doch nicht so an, Adam." Ich grinste sie an und sie streckte mir die Zunge entgegen. Ich konnte nicht fassen, wie schön sie war. Ich wollte nicht glauben, dass es bald vorbei sein würde, das mit uns. Wenn ich Arsenio getötet hatte würden seine Männer mich bald erwischen und kaltmachen. Und dann war sie endlich frei, und die anderen auch. 
Alle.
Mich eingeschlossen.
Ich war wie ein Kranker, der wusste, dass er sterben würde, also genoss er die wohltuende Ruhe vor dem Sturm. Er malte sich die grausamsten Szenarien aus, doch gleichzeitig beflügelten ihn die letzten Stunden auf dieser göttlichen Erde, bevor er endlich lernen würde, zu fliegen. Ich malte mir aus, wie Liv es ihr sagen würde. Dass ich umgekommen war. 
Und wie sie versuchen würde, loszurennen, zu mir zu rennen, doch Callum sie aufhalten würde. Wie sie nach einigen Wochen über den Verlust hinwegkommen und endlich wieder glücklich sein könnte. Nicht wie hier, hier war sie nicht glücklich. Sie lachte, doch es war keine Freude. Sie sprach, doch sie sagte nicht das, was sie sagen wollte. Sie hörte zu, doch sie verstand nicht. Sie atmete, doch sie lebte nicht mehr. Alles was ich jemals für sie wollte war Glücklichkeit, pure, selige, reine Glücklichkeit. 
Mit oder ohne mir. 

"Callum hat uns was zu sagen", antwortete ich ihr und streckte ihr die Hand entgegen, die sie sanft ergriff und unsere Finger verschränkte. Endlich wieder im Raum angekommen waren alle bereits gespannt zusammengerückt und Aric hatte den verstaubten Tequila aus der hintersten Ecke des Speichers gekramt. Er machte ihn auf und gab Call davon zu trinken, dass er Mut fasste. Was das wohl für eine Nachricht war?

"Jetzt spuck's schon aus Callum!", rief Aric ihm  aufmunternd zu und klopfte ihm auf die Schultern. Call schüttelte sich, als er noch einen Schluck des Tequilas nahm und atmete tief durch, bevor er aufsprang, die Arme ausstreckte und freudig verkündete: "Ich bin verlobt ihr Arschgeigen!" 

Für einen Moment war Stille, alle waren verwirrt. Liv sah am fragendsten aus. Sie ergriff ebenfalls das Wort. 

"Wovon redest du da?", murmelte sie ihm zu und sah ihn eindringlich an. 

"Achso, ja, also meine Verlobte weiß das noch nicht. Hatte bei all dem Stress vergessen, sie zu fragen." Wir brachen in Gelächter aus, bis es wieder still wurde, als Aric den alten Schallplattenspieler anstellte und Teddy Bear von Elvis erklang. Call wirbelte Liv herum und begann wieder mal mit einem seiner unausweichlichen Monologe.