Dreiundzwanzig: "Das ist nicht sein Name"

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Nachdem wir diese eine Stunde Fahrt auch überwunden hatten, ging es durch die kleine Provinz hindurch, ganz bis zum Ende. Inzwischen war die Sonne aus ihrem Versteck gekrochen, um sich für dieses Jahr zu verabschieden. Ziemlich schnell kam der Winter hier in Penketh und auch in Merridale, schon bald würde die gesamte Landschaft von einer dicken, weißen Decke zum Schlafen geschickt werden. Aber gerade streckte ich mein Gesicht gen Wärme und genoss das altbekannte, warme Prickeln auf meiner Haut.
Ich spürte einen Blick auf mir.  
Sie musterte mich und ich musterte zurück. 
Dann lächelte ich sie sanft an und zwinkerte ihr zu. 
Auf ihren geschwungenen Lippen zeichnete sich ein zaghaftes Lächeln ab, hinter dem Hoffnung aber auch viel Schmerz steckte. 
Ich wollte mich zu ihr setzen, um mit ihr zu reden, doch da waren wir schon angekommen, Call hielt langsam vor dem alten Haus und der Motor erstarb. 
Die Sonne fiel durch die alten Fenster, die letzten Blätter, die nun auf dem Boden waren, rauschten in Kreisen über den Boden durch die leichte Brise, die sie fliegen ließ. Langsam stieg ich aus und betrachtete das Gebäude. Es war alt, baufällig.
Aber ich war jede Woche ausnahmslos hier gewesen. 
Ich wurde vom Geräusch der Autotür aus meinen Gedanken erweckt, als diese lautstark zufiel. 
Schnell drehte ich mich um und sah die Faszination auf ihrem Gesicht. 
Ich grinste sie an und ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus. 

"Wer... wer wohnt hier?" 

"So ein verrückter alter Mann", antwortete ich schmunzelnd und öffnete den Kofferraum, nahm ihre Taschen und die Gitarre, bevor ich mich weiter auf das Cottage zubewegte. Die Steine unter meinen Schuhen knirschten.

"Und warum sind wir dann hier?" Ich lachte auf und Call grinste sporadisch mit. Sie sah etwas verwirrt aus. 

"Das wirst du gleich sehen. Keine falsche Scheu. Komm mit." Ich reichte ihr meine freie Hand und sie nahm sie etwas zögerlich. Ich hatte das Gefühl, als müsste ich sie durch den noch nicht gefallenen Schnee ziehen, denn ihr schien es etwas unangenehm zu sein, in ein Haus zu gehen, das jemandem gehörte, den sie nicht kannte. 
Aber ich wollte, dass sie ihn kennenlernte. 

"Na komm schon, Kleines, so schlimm ist er gar nicht", versuchte Call ihr Mut zu machen und ging voran, bald waren wir an der Tür angekommen. Ich klopfte an, sofort hörte ich Schritte zur Tür kommen. 
Sie öffnete sich schwungvoll und jemand grinste uns entgegen. 

"Master Adam, Master Callum. Und Sie sind?" Paul nahm Ciana's andere Hand und hauchte einen formellen Handkuss darauf. 

"Ihr Ricchi scheint es mit Handküssen zu haben", sagte sie leicht erötet und verstärkte den Druck um meine Hand. 

"Ciana Marino." Paul grinste und nickte wissend. 

"Misses Ciana, bitte, kommen Sie herein. Ich habe gerade Tee gekocht." 

Einige Minuten später saßen wir alle eingewickelt in dicke Decken mit Tee in der Hand am Lagerfeuer und alles schien - zur Abwechslung - völlig normal. Ihr Kopf sank auf meine Schulter und ihre Augen schienen schwer zu werden. Schnell nahm ich ihr sanft die Tasse ab, bevor sie sie fallen lassen könnte. Sie kuschelte sich noch etwas näher an mich, bevor sie tief ein- und ausatmete, ich hatte das Gefühl, dass ihre Gedanken und ihr Körper zur Ruhe kommen konnten. 

"Alles gut?", wisperte ich leise, sodass Call und Paul es nicht hörten, die sich gerade unterhielten, auch wenn Paul sich sicher unwohl fühlte, nicht die ganze Zeit zu putzen. 
Sie machte nur einen Laut der Bestätigung und schlug die Augen auf. 
Dann sah sie zum selben Moment wie ich meinen Opa die Treppe hinunterrutschen. 
Ja. 
Am Geländer herunterrutschen. 

"Piccolo!", rief er heiter und kam unten zum Stehen. Er hatte seine Haare gegeelt, seinen Bart gestutzt sowie frisiert und ein Hemd mit Pullover drüber an. 
Seinen Gehstock konnte ich nirgendwo entdecken. 

ᴀᴅᴀᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt