Sieben: Funkstille

88 8 25
                                    


Drei Tage. 
Seit drei Tagen hatte ich nichts mehr von ihm gehört. 
Wo war er bloß? 
Hatte er mich vergessen?
In der Schule war er auch nicht. 

"Cici. Hallo", rief Liv über den ganzen Schulhof und fuchtelte mir mal wieder vor der Nase herum. Ich seufzte nur frustriert und rieb mir selbst über die Schultern. 

"Was hast du?", fragte sie nun sanfter nach und strich mir wohltuend über meinen Rücken. 

"Nichts", log ich, wie so oft und versuchte, ein strahlendes Lächeln aufzusetzen, brachte allerdings nur ein schwaches Schmunzeln zu Stande und sah wieder auf den Boden. 

"Wieso wundert es mich nicht, dass ich dir das nicht abkaufe?", kam es seufzend aus ihrem Mund und sie verdrehte die Augen. 
Plötzlich wurde mir kalt. 
Es war Juli, warum hatte ich eine Gänsehaut?
Vielleicht, weil ich gerade an Signor Ricchi gedacht habe?
Möglich. 

"Oh Gott, du frierst", sagte Liv besorgt und strich mir stärker über den Rücken, um mich zu wärmen. 
Ein starker Wind kam auf, drückte mir von hinten gegen den Kopf und pustete mir die Haare um die Wangen in mein Gesicht. 
Meine Unterlippe zitterte und ich holte den Pullover, den ich mir in die Tasche gepackt hatte, heraus, um ihn anzuziehen. 

"Da braut sich was zusammen", murmelte Liv genervt und gab mir meine Tasche wieder, "Zum zweiten Mal."

"Naja, die Hitze wird ein Gewitter heraufbeschworen haben", versuchte ich den Smalltalk weiter zu führen, als die starke Brise nochmals über den Schulhof fegte. 
Ich schloss die Augen und versuchte das Zittern zu unterdrücken. 
Wann hatte ich das letzte Mal etwas Warmes gegessen? 
Ich wusste es nicht mehr. 
Aber ich wollte nach Hause, in mein Bett, Criminal Minds gucken und Spencer anschmachten. 
Oder doch lieber Sherlock?
Bevor ich mir weiter Gedanken machen konnte, klingelte es zur letzten Stunde und ich musste mal wieder seufzen. 
Mathe. 
Eigentlich mein Lieblingsfach, doch es war so ein anstrengender Tag gewesen.
Wer hatte sich eigentlich gedacht, dass es eine gute Idee wäre, Mathe auf die letzte Stunde zu legen? 

"Und deswegen ist es wichtig, diese Technik in diesem Falle einzusetzen. Differenzialgleichungen sind etwas fürs echte Leben", brabbelte Mister Callahan vor sich hin und schrieb noch etwas an die Tafel. 
Die Kreide quietschte unerträglich und ich bekam Kopfschmerzen von dem Ton. 

"Ja, aber nur, wenn dein Leben traurig ist", raunte mir Liv sehr leise zu. 
Und da wurde es mir bewusst.
Ich realisierte, dass ich hier saß, resigniert und leer, aufgrund von jemandem, den ich nicht einmal richtig kannte. 
Also ließ ich meine Schultern kreisen, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. 
Dann grinste ich und sah, wieder ich selbst, auf die Tafel. 
Mein Blick musste sich ganz schön verändert haben, da Liv mich etwas verwirrt anstarrte. Ich riss ein Stück Papier ab, beschrieb es und reichte es ihr unterm Tisch durch. 

Ich habe gerade gemerkt, dass ich gut auf Adam verzichten kann. 

Sie grinste kurz und kritzelte krakelig etwas darunter. 

Ich hatte mir schon Sorgen gemacht...

Sie öffnete leise das Mathebuch, legte den Zettel hinein und schob es zu mir hinüber. Callahan schrieb immer noch Zahlen an die Tafel. Rasch schmierte ich ein Wort darunter, bevor er sich wieder umdrehte. 

Mädelsabend?

Liv lächelte voller Vorfreude und formte lautlos mit ihren Lippen Auf jeden Fall. Dabei hoben sich ihre Brauen leicht, und ihre Augen wurden größer. 
Callahan hatte nichts mitbekommen. Dieser drehte sich nun wieder mit erstem Gesicht zu uns um und fing aber an, zu lächeln. 
Automatisch musste ich grinsen.
Unser Mathelehrer war gerade mal Anfang dreißig und der netteste von allen an dieser Schule. Er kümmerte sich um jeden einzelnen Schüler und hatte mir den Spaß an diesem Schulfach wiedergegeben. 

ᴀᴅᴀᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt