Dreißig: Fehler sind menschlich

43 1 0
                                    

"Was?", schrie ich noch lauter und riss meine Augen weit auf, "Bist du sicher?"

Er nickte und sein ganzer Körper spannte sich an. Sein besorgter Blick musterte mich und er nahm mein Gesicht in seine Hände.

"Die machen so lange weiter, bis einer rauskommt", rief er gegen den Lärm an und strich über meine Haut, ich bekam eine Gänsehaut. Ein halbes Lächeln zierte seine Lippen und ich musste beobachten, wie er sich umdrehen wollte. Ohne darüber nachzudenken, was ich tat, zog ich ihn zurück, er landete auf dem Rücken und ich rannte in die Mitte des Platzes.
Da hörte der Kugelhagel auf.

"Komm ruhig raus, dann führen wir ein Familiengespräch!", schrie ich durch die schneidende Stille, bis er tatsächlich hinter einer Ecke hervorkam. Ich musste mich zusammenreißen, ihn nicht zu umarmen. Immer wieder sagte ich mir, dass er nicht mehr mein Vater sei, sondern ein schießender Fremder.

"Wie ich sehe habt ihr mich erkannt." Ich lachte auf und hielt eine Hand vor mich, um ihm zu signalisieren, dass er stehenbleiben sollte.

"Ich könnte dich jetzt fragen, warum du auf deine eigene Tochter schießt, aber du würdest mir nur Bullshit erzählen, oder?" Spöttisch lächelte ich ihn an und stemmte die Hände in die Hüften, legte den Kopf schief.

"Du bist ja schon weiser geworden, seitdem der Ricchi dich entführt hat, nicht?" Nun verfinsterte sich mein Blick und ich hatte das Gefühl, dass meine Augen ihn sogleich erdolchen würden.

"Er hat mich nicht entführt. Das war einzig und allein deine Schuld, papà." Für eine Sekunde sah er sogar schockiert und verletzt aus, doch dann grinste er süffisant. Ich schwor mir, dass das absolut das letzte Mal gewesen war, dass ich ihn auch nur im Entferntesten Papa genannt habe.

"Du glaubst doch nicht, dass er dich liebt, Ciana?", fragte er rhetorisch und sah mich von Kopf bis Fuß an, "Wenn er sein Ziel erreicht hat, wird er dich fallen lassen wie ein nasser Sack."

"Das geht dich nichts an", zischte ich leise und verschränkte nun die Arme vor der Brust, "Schau du lieber zu, dass du aus der Stadt verschwindest."

Nun lachte er auf und hielt sich den Bauch. Ich knirschte mit den Zähnen und hielt die Tränen zurück. So schnell war alles in meinem Leben schief gelaufen. Ich hatte mich in den Todfeind meiner Eltern verliebt, war dann mit ihm abgehauen und hatte ihn fast verloren. Ich hatte erfahren, dass mein Freund, der eigentlich die einzig normale Person zu sein schien, an einer Krankheit litt, bei dem ihm fast der Schädel explodierte und dass er drogenabhängig war. Außerdem war ich nun in einen Drogenkrieg mit meiner Familie und einem Pavel Isaev verwickelt.
Ich konnte leider nicht verhindern, dass Tränen aus meinen Augen liefen, also schlang ich meine Arme noch fester um mich selbst.
Als dann auch noch Adam rauskam und sich neben mich stellte, war es langsam aber sicher vorbei mit meiner Beherrschung.

"Sieh an, sieh an", wisperte er leise, "Der Rabenvater ist wieder da."

"Sei still, Adam", zischte ich ihm zu, obwohl ich wusste, dass das falsch war, "Das ist es nicht wert."

"Ja, genau, hör auf meine Tochter. Sie hat dich ja voll und ganz im Griff, mein Junge, das muss man ihr lassen. Aber sobald sie mich ermordet und sich das ganze Geld geschnappt hat, wirst du nur noch Luft für sie sein, glaub mir."

Ich spürte, wie Adam einen Schritt machen wollte, doch ich hielt ihn an der Brust zurück. Sofort wollte ich losheulen, mich in seine Arme fallen lassen und einfach weg von hier, doch ich wusste auch, dass ich das noch durchstehen musste.

"Hau doch einfach ab, Eduardo. Lass uns in Ruhe und... mach woanders deine Geschäfte, am Besten zusammen mit Pavel. Eure Zusammenarbeit trägt doch jetzt schon Früchte." Eduardo lachte erst langsam und dann wieder lauthals, er wirkte gar manisch. Dann sah er Adam tief in die Augen, musterte auch ihn.

ᴀᴅᴀᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt