Elijah POV
Gedankenverloren starrte Noah schon eine ganze Weile auf die Spuren die der Karren auf dem matschigen Boden hinterließ. Ich wusste er hatte auch diese Seite an sich, doch das macht sie nicht weniger eigenartig. Noah ist in meinen Augen immer irgendwie aufgeweckt und konzentriert, und nicht so.. abwesend. Ich fragte mich, über was er nachdachte.
Bereute er es mitgekommen zu sein? Trauerte er seiner Familie nach? Soweit ich weiß, hatte er sogar eine kleine Schwester die er sehr lieb hatte. Wie konnte er das alles für einen wie mich nur hinter sich lassen? Wir kannten uns doch kaum. Bis vor wenigen Tagen waren wir noch so gut wie Fremde, und jetzt lässt er alles zurück um mit mir neu anzufangen. Das macht irgendwie keinen Sinn.
Nicht einmal meine Mutter würde mich auf meinem Weg begleiten. Ihr war ein ruhiges Leben lieb, ohne viel Abenteuer - jedenfalls sagte sie das immer. Es erschien zweifelhaft, dass sie mit dem König schlief und mich dadurch zeugte. Wie haben sie sich kennengelernt, und wie kam es dazu, dass meine fromme Mutter mit ihm schlief und seinen Bastard austrug? Sie wusste doch, was es mit sich bringt. Hat mein Vater uns deswegen verlassen? Wurde er vielleicht nicht getötet?
Wie würde ich reagieren, wenn mein Kind nicht so aussieht wie ich, sondern wie jemand ganz anderes? Ich bezweifel, dass ich es akzeptieren könnte.
Ein Ruck fuhr durch meinen Körper als die Karre über einen großen Stein holperte. Ich nahm meine Umgebung wieder wahr und auch die Blicke von Noah, die auf mir lagen. Sie waren neugierig. War es vielleicht jetzt eine gute Möglichkeit ihn darauf anzusprechen? Auf diese Gefühle für mich, die er so hart zu verbergen versucht? Der alte Mann war viel zu beschäftigt mit dem Pferd und dem Lied welches er leise vor sich hin pfiff. Was sollte ich ihm sagen? Sollte ich ihn abweisen?
Aber verlieren wollte ich ihn ebenso nicht. Er kam extra mit und soll nun von mir zurückgewiesen werden? Nein, das konnte ich nicht machen. Ich kannte ihn kaum und wer weiß, vielleicht fange ich ja auch an ihn zu mögen, und wenn nicht kann ich ihn hinterher immer noch abweisen. Ich sollte es erstmal auf mich zu kommen lassen. Er hat es sich auf jeden Fall verdient.
"Elijah.." sprach er mich dann zögerlich an und seine Blicke konnten mich nicht wirklich fixieren. Aufmerksam sah ich ihn an und bat ihn stumm, weiter zu reden. "Unsere Verabschiedung.. letztens.. Also eher deine. W-Was- oder e-eher Wa- warum der Kuss?" stotterte er mit hell roten leuchtenden Wangen, die mich an saftige Tomaten erinnerten. Sein Blick haftete auf seinen Händen die unruhig sein Hemd kneteten. "Ich dachte es würde dir gefallen." antwortete ich ehrlich. Sein Blick schoss in die Höhe direkt in meinen. Das Braun in seinen Augen glänzte leicht durch das seitlich einfallende Sonnenlicht. Es sah aus wie teures Leder, und war genauso gleichmäßig. Viele aus dem Dorf hatten dreckiges Braun, welches nicht ganz klar war doch bei Noah war das anders.
"Achso." murmelte er nur zurück und sein Blick glitt erneut in die Ferne. Irgendwas sagte mir, dass er nicht ganz zufrieden mit dieser Antwort schien. "Hat er dir nicht gefallen?" hackte ich nach und kräuselte leicht meine Stirn. "Ehm.." ich sah wie die Röte auf seinen Wangen stärker wurde und auch wie er seine Unterlippe mit den Zähnen penetrierte. Ihm war es offensichtlich peinlich und unangenehm darüber zu reden. Hatte er angst ich würde mich über ihn lustig machen, wenn er es zugibt? Vielleicht war es auch seine angst von mir als Dämon oder Teufel hingestellt zu werden. "Noah, du kannst es mir ruhig sagen. Ich war derjenige der sündigte." verdeutlichte ich es ihm und beugte mich vor um eine Hand auf sein Bein zu legen. Er zuckte erschrocken zusammen unter meiner Berührung und seine braunen Augen trafen wieder auf mein eigenes braunes Auge. Ich spürte wie er zögerte, seine Muskeln sich leicht anspannten und sein Gehirn anfing zu rattern. "Ja.. irgendwie schon." gab er dann leise zu und blickte schüchtern auf meine Hand, die immer noch auf seinem Knie ruhte. "Wenn du in die Hölle dafür musst, dann muss ich es auch." und mit diesen Worten nahm ich langsam meine Hand wieder von seinem Bein. Langsam hob sich sein Blick, als würde er verstehen was ich mit diesen Worten meinte. Sein Gesicht wendete sich langsam mir zu und ich sah deutlichen den Unglaube in seinen Augen flackern. Sein Mund öffnete sich leicht doch noch ehe er ein Wort herausbringen konnte, kam der Karren urplötzlich zum stehen.
Wir konnten uns noch rechtzeitig festhalten und verhindern, dass wir von der Ladefläche fielen. "So Jungs.. " kam es von vorne und wir drehten unsere Köpfe nach hinten um zum Fahrer zu blicken. Mehr als seine kahle Stirn die knapp über die Ware blitze, sahen wir jedoch nicht. "Weiter kann ich euch nicht bringen. Es ist nicht mehr weit bis zum nähsten Dorf." informierte er uns und wir rutschten vom Wagen. Der Schlamm schmatzte unter unseren Füßen und ließ mich angewidert meinen Umhang leicht anheben. "Vielen Dank." bedankte sich der größere Braunhaarige vorne beim Mann. "Dafür nicht! Lebt wohl und passt auf euch auf." wünschte er uns noch, ehe er mit einem Schnalzen sein Pferd antrieb und sich entfernte.
Etwas verloren blieben wir mitten auf der Straße stehen und sahen uns um. Vom Wald war kaum mehr was übrig und lange Wiesen erstreckten sich soweit das Auge reichte. In der Entfernung sah man ein paar Berge und hinter uns den Wald, den wir wohl schon vor einer Weile verlassen haben. Von Lux oder Ibis war weit und breit nichts zu sehen. Anscheinend haben sie die Lust verloren uns zu folgen. Wir waren wohl auf uns alleine gestellt. "Da geht es wohl lang." meinte Noah und deutete vor uns auf einen schmaleren Weg, der von der Hauptstraße abging. "Sehr wahrscheinlich." stimmte ich zu und setzte mich dann auch schon in Bewegung. Die Kälte kam langsam durch und meine Füße schmerzten ein wenig, noch dazu kam die Augenbinde, die meine Sicht einschränkte. Es warf ungewohnt nur mit einem Auge sehen zu können, während das andere verdeckt war, doch für mich viel sicherer. Noch waren wir nicht über der Grenze - noch konnten die Ritter mich kriegen.
Wir erklommen den etwas höheren Hügel über den der Weg führte und erblickten da hinter auch schon das Dorf. Es war größere als unser altes, hatte jedoch keine Kapelle wie es mir sofort auffiel. Die Häuser waren wie auch unsere aus Holz, selten aus Stein. Überall stieg Rauch heraus und nur ein paar Menschen waren auf den schmalen Straßen unterwegs. Weiter hinter sah ich eine Scheune aus Holz. Da könnten wir uns erstmal ausruhen, sollten wir keinen anderen Schlafplatz finden.
Noah und ich tauschten kurze Blicke aus, ehe wir zielstrebig weiter gingen. Wir wurden schon früh gesichtet und neugierige, sowohl auch skeptische Blicke lagen auf uns. Niemand mochte Fremde in seinem Dorf, da machten diese Leute auch keine Ausnahme. Die Blicke waren nichts neues für mich, immerhin bin ich mit ihnen groß geworden, anders sah das bei Noah aus. Er wurde von allen gemocht. Wie er wohl damit klar kam? Vorsichtig schielte ich zu ihm hoch, nur um voller erstaunen festzustellen dass er jeden freundlich anlächelte. Ihm schien es egal zu sein, dass wir hier kaum erwünscht waren. Als er meine Blicke bemerkte, schenkte er auch mir ein aufmunterndes Lächeln.
Etwas verblüfft ging ich weiter neben ihm her und beobachtete die Leute. Sie schienen nicht mehr ganz so feindlich eingestellt zu sein, als sie Noahs Lächeln sahen. Ich entspannte mich etwas und sah mich nach Möglichkeiten für eine Unterkunft um. Zu unserem Bedauern schien es keine leere Hütte hier zu geben, weswegen wir uns wohl in der Scheune verstecken mussten.
Es dämmerte bereits als wir das riesige Gebäude erreichten. Anscheinend war es nicht nur eine Scheune sondern auch ein Stall, denn aus dem Inneren hörte man bereits die Kühe. Das große Tor hatte kein Schloss, weswegen wir einfach so hinein konnten. Es war zwar nicht wirklich wärmer, und roch bestialisch, aber immer noch besser als draußen. Ich ließ meinen Blick durch das Innere gleiten, über die wenigen Kühe die mit Seilen eingezäunt waren und die paar Hühner die hier herum streunten.
Zusammen mit Noah betrat ich über eine Leiter den Dachboden der Scheune. Es war viel Stroh hier oben, weswegen wir uns auch gut verstecken konnte. Im hintersten Eck machten wir es uns gemütlich. Es tat gut sich endlich mal etwas auszuruhen. Ignorieren wir einfach mal die tausend Krabbeltiere die sich wahrscheinlich das selbe wie wir dachten, und sich im Stroh versteckten.
"Möchtest du morgen direkt weiter?" fragte Noah worauf ich leicht den Kopf schüttelte. "Ich weiß nicht, wohin es weiter geht. Wir müssen uns bei Händlern oder so informieren." entgegnete ich und zog mir die nervige Augenbinde vom Kopf. Hach es tat so gut wieder durch beide Augen schauen zu können. Mit einer Hand öffnete ich die Schleife an meinem Mantel, der mir kurz darauf auch von den Schultern glitt. Mit ausgestreckten Gliedern ließ ich mich nach hinten fallen und wurde vom etwas weicheren Stroh gefangen. Es stach zwar hier und da, doch es war viel besser als harter Waldboden mit kalten Schnee.
"Gut, dann fragen wir morgen einfach ein bisschen rum und dann machen wir uns weiter auf den Weg." kam es von Noah, der sich ebenfalls hingelegt hatte und seine Arme locker unter dem Kopf verschränkte. Zustimmend nickte ich daraufhin nur und schloss einen Moment meine Augen. Vielleicht sollten wir uns auch etwas Geld besorgen und was zu Essen.
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He is Mine [BoyxBoy]
FantasyRotkäppchen und der große böse Wolf - so steht es in vielen Märchenbüchern. Doch nicht in diesem. Wer sagt, dass der Wolf böse sein muss? Schon lange wird das kleine Dorf, dessen Einwohnerzahl gerade mal an die dreistellige Zahl kratzt, von einem...