11 -Schwarzes Loch-

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Patrick's P.O.V.

Wutschnaubend sitze ich in dem schmuklosen Büro unseres Direktors, dem ich bereits wiederholt versucht habe zu erklären, dass ich nichts mit der ganzen Sache zu tun habe. Zu meiner Verwunderung hat mir Jasper sogar zugestimmt, aber Mr Sullivan lässt sich dadurch auch nicht umstimmen. David, der Arsch, hat einfach gar nichts gesagt.

"So ein Verhalten dulde ich hier nicht! Mr McMillian, Sie können froh sein, dass es das erste Mal ist, dass Sie bei einer Prügelei erwischt wurden, aber Sie beide", richtet er sich drohend und mit vor Wut rotem Gesicht an die beiden Idioten neben mir, "Sie werden das noch bereuen! Aber Sie alle drei werden bis einschließlich Freitag jeden Tag eine Stunde Nachsitzen haben!"

"Ähm, ich kann aber am Donnerstag nicht länger bleiben", werfe ich schnell ein.

"Ach ja? Und warum nicht? Das ist hier kein Wunschkonzert!"

"Ich hab einen Arzttermin", behaupte ich. Eine Therapeutin ist doch quasi so was ähnliches wie ein Arzt, finde ich...

"Dann legen Sie mir Freitag persönlich eine Bescheinigung für den Termin vor! So, ich sehe mich jetzt leider gezwungen noch eure Eltern anzurufen. Mr McMillian, bei Ihnen sehe ich davon ab, aber wehe ich erwische Sie noch einmal bei so einer Auseinandersetzung!"

Ich nicke ihm mit einem gezwungenen Lächeln zu und verlasse schnell den Raum, bevor er sich das mit meinen Eltern doch noch Mal überlegt. Das hätte mir jetzt grade noch gefehlt!
Immernoch sauer streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht und will mich auf die Suche nach Lucy begeben, komme aber nicht weit. Jasper hält mich am Handgelenk fest und sieht mich schuldbewusst an: "Hey, warte doch Mal! Es tut mir echt voll leid, dass du da mit reingezogen wurdest..."

"Ist schon okay", sage ich und will mich von ihm lösen, doch er lässt mich nicht los.

"Nein, es ist nicht okay! Du hast eine Woche Nachsitzen, obwohl du nichts gemacht hast!", sagt er wütend.

"Ja, es ist scheiße, aber es ist ja nicht deine Schuld... Kann ich jetzt bitte gehen?", frage ich so ruhig wie möglich.

Er nickt jetzt etwas ruhiger, obwohl der wütende Ausdruck, den er schon seit er David gesehen hat auf dem Gesicht trägt, immernoch nicht verschwunden ist: "Klar... sorry."

Ich nicke ihm kurz zu und gehe dann endlich zu einer vollkommen besorgten Lucy.

Nach dem Unterricht bin ich schon beinahe froh, als ich auf den Weg zum Nachsitzen bin, weil ich Lucy dadurch los werde. Ich hab sie wirklich lieb und sie ist die beste Freundin, die man sich vorstellen kann, ich verdanke ihr sehr viel, aber die letzten vier Stunden musste ich mir ununterbrochen Schimpftriaden auf Mr Sullivan anhören. Langsam hab ich das Gefühl, dass sie angepisster als ich auf unseren Direktor ist.
Diese kurze Erleichterung währt allerdings nicht lange, denn schon sehe ich David und Jasper neben Mrs Brown, die offenbar die Aufsicht hat, stehen. Sie ist gerade dabei den Raum aufzuschließen.

"Ah, hallo Mr McMillian, schön, dass sie auch schon da sind...", ich bin vielleicht zwei Minuten zu spät, das wird wohl 'ne tolle Stunde...

Sie weist uns möglichst weit auseinanderstehende Plätze zu und gibt uns Aufgaben, die wir machen sollen. Als ich das Arbeitsblatt nur angucke muss ich schon gähnen. Unauffällig sehe ich zu Jasper, der ähnlich begeistert wie ich aussieht.
Leise stöhnend beginne ich mit den Aufgaben und versuche mich damit zu trösten, dass ich wenigstens wesendlich schneller fertig bin als diese Matschbirne von einem David.

Als ich endlich zu Hause bin, spiele ich ein bisschen mit Stupor und mache Hausaufgaben. Bis auf das Nachsitzen ein völlig normaler Tag für mich. Ich bin so müde, dass ich anderthalb Stunden früher als gewöhnlich schlafen gehe.
Die Nacht verläuft ruhiger als die Letzte, aber trotzdem bleibe ich nicht von diesen Träumen verschont.

Auch der nächste Tag verläuft ereignislos, mit der Ausnahme von besorgten Blicken von meiner Mum und Lucy, die mich sogar mit gerunzelter Stirn fragt, ob ich abgenommen habe. Ich quittiere das Ganze nur mit einem Schulterzucken.

Den gesamten Donnerstag ziehe ich mich daran hoch, dass ich heute meine Therapiesitzungen habe. Es wird bestimmt nicht toll, aber ich mag Amanda und nachher geht es mir fast immer etwas besser. Ich hasse es im Moment, es gab schon Monate, in denen ich fast gar nicht an ihn gedacht und von ihm geträumt habe, doch jetzt ist es wieder so schlimm wie am Anfang.
Ein letztes Mal tief durchatmen, dann begebe ich mich in die Praxis von Dr Amanda Katcher. Ich bin seit zwei Jahren bei ihr in Behandlung. Die Häufigkeit meiner Termine variiert ziemlich stark, da ich nur komme, wenn es mir schlecht geht.

"Ah, Patrick! Schön dich zu sehen, du kannst direkt durchgehen", sagt Ms Smith, die Sekretärin von Amanda.

"Hallo, danke", erwidere ich müde und laufe durch die offene Tür in einen Raum mit orangenen Wänden. Ganz klischeehaft steht an der einen Wand eine Couch für die Patienten. Ehrlich gesagt finde ich das aber sogar gut, irgendwie kann ich im Liegen und wenn ich an die Wand starren kann besser reden.

"Hallo, Patrick! Wie geht es dir heute?", fragt Amanda und sieht mich aufmerksam an.

Ich lege mich hin und antworte ihr: "Hi, nicht so besonders..."

"Wie war denn deine Woche so?", so fängt Amanda die Therapiestunden immer an.

"Auch nicht so toll. Ich hab wieder mehr Albträume, ich komme kaum noch zum Schlafen! Ich hatte neulich schon wieder fast eine Panikattacke gehabt", eigentlich sollte ich ihr wohl auch noch von Jasper erzählen, aber irgendwie will ich das nicht. Ich kann nicht erklären warum.

"Und hast du eine Idee, weshalb es zur Zeit wieder schlimmer wird?", fragt Amanda mich mit ihren weichen Stimme.

"Nein! Ich hasse das so sehr! Ich will das es aufhört", unruhig beginne ich mich hin und her zu drehen.

"Okay. Hat dich vielleicht etwas an Henry erinnert?", fragt sie weiter.

Beim Klang dieses Namens wird mir übel.

"Ich weiß es nicht!", sage ich aufgebracht und wiederhole es noch einmal fast unhörbar, "ich weiß es nicht..."

"Kannst du mir deine Gefühle vielleicht ein bisschen näher beschreiben?"

Ich nicke: "Also, da ist immer diese Leere und irgendwie fühlt es sich an, als würde ich in eine Art schwarzes Loch gezogen werden. Oder als ob in meiner Brust ein Loch wäre. Und ich bin so unerträglich müde, nicht nur wegen dem Schlafmangel. Ich bin einfach müde von dem ganzen Scheiß!", ich rede mich in Rage und bemerke kaum, wie ich mich immer unruhiger bewege und schließlich fast schrei, "ich will, dass das aufhört! Ich will das nicht mehr!"

"Okay, versuch ganz ruhig weiter zu atmen. Du machst das gut", tatsächlich schafft Amanda es, dass ich mich etwas beruhige, sie hat definitiv den richtigen Job, "du hast gesagt, dass du so müde von Allem bist, hast du manchmal den Wunsch, dein Leben zu beenden, damit das aufhört?"

"Ja, manchmal schon", gebe ich leise zu.

"Okay, und was tust du dann?", fragt sie.

"Ich denke an Lucy. Ich darf nicht aufgeben, weil ich sie nicht verletzen will. Sie hat viel zu viel gemacht, damit mein Leben besser wird. Es zu beenden, würde all ihre Arbeit zustören. Es würde sie zerstören...", und plötzlich muss ich lächeln, während mir, wie um mich zu verspotten, eine einzelne Träne über die Wange rinnt.

Hi:)
Ich hatte noch nie eine Therapiesitzung, ich hoffe einfach Mal, dass das ungefähr so ablaufen könnte.
RemoraDark, ich hab mich um das Patrick-Strafen-Problem gekümmert, hoffentlich in deinem Sinne... XD
The question of the day ist jetzt natürlich, wer Henry ist. Ich les mir gerne Vermutungen in den Kommentaren durch!
Bis bald, eure c_in_medias_res <3

Call me whatever you want (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt