17 -Wertlos, klein und alleine-

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Patrick's P.O.V.

Als ich am Montag meine Augen öffne, merke ich sofort, dass irgendwas anders ist als sonst. Stöhnend greife ich mir an den pochenden Kopf. Ich versuche aufzustehen, setze mich aber sofort wieder auf mein Bett, weil mein Zimmer anfängt sich zu drehen.

"Mum?", krächze ich heiser.

"Schatz? Ist alles okay?", fragt sie besorgt während sie in mein Zimmer kommt.

"Ich bleib heute wohl besser zu Hause", sage ich mit einer Stimme, die mindestens eine Oktave tiefer ist, als gewöhnlich.

Alarmiert kommt Mum auf mich zu und legt ihre Hand an meine Schläfe: "Oh Patrick! Leg dich wieder hin, du hast Fieber. Ich geh dir Mal schnell einen Tee kochen."

Ich schreibe Lucy, dass ich nicht zur Schule komme und lasse mich hustend wieder in die Kissen sinken.

Na toll...

Wenigstens ein Gutes hat die Sache, ich hätte heute Physik gehabt und ich hasse dieses Fach über alles.
Weniger begeistert bin ich, als ich eine Stunde später alleine am Küchentisch sitze und mich zwinge den Hustensaft nicht auszuspucken. Meine Eltern sind beide arbeiten und mir ist langweilig.
Unweigerlich wandern meine Gedanken zu Jasper. Es ist ein komisches Gefühl, dass er jetzt meine Vergangenheit kennt. Als er gestern gegangen ist, war ich mir nicht sicher, ob ich froh oder enttäuscht darüber sein sollte, dass er weg war. Aber definitiv habe ich Angst vor unserem nächsten Aufeinandertreffen. Ich will nicht, dass er mich anders behandelt als bisher, aber das wird er tun. Ich kann es ihm nicht einmal verübeln, jeder würde sich mir gegenüber anders verhalten. Am meisten macht mir Sorge, dass die Stimmung immer so verkrampft wird, weil er auf keinen Fall in ein Fettnäpfchen treten will und ich Mal wieder nicht weiß, was ich sagen soll.
Warum interessiert mich das überhaupt?!
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jasper mein Geheimnis erzählt und selbst wenn er plötzlich komisch ist, ich mochte ihn doch eh noch nie besonders! Ganz offensichtlich greift das Fieber schon mein normalerweise halbwegs funktionierendes Gehirn an...
Ich meine, ich bin nicht blöd. Jasper hat mich gesehen, als ich extrem verletzlich war und er hat mich getröstet. Er hat kein Problem damit, dass ich schwul bin und er sieht dazu noch gut aus. Das Alles zusammen mit der Tatsache, dass Lucy neulich gesagt hat, dass sie dachte, dass ich auf Jasper abfahre, hat offenbar mein hormongesteuertes Gehirn überfordert. Wem soll ich etwas vormachen? Ich bin nun einmal ein pubertierender Teenager. Nur sollte ich aufpassen, dass aus dieser kleinen temporären Verwirrtheit nichts Größeres wird. Ich glaube einfach nicht, dass das gut gehen würde. Erstens kann ich mir nicht vorstellen, dass Jasper solche Gefühle in meine Richtung jemals erwidern würde und zweitens bin ich einfach noch nicht wieder beziehungsfähig. Vielleicht werde ich das auch nie wieder sein. Nach Henry werde ich vermutlich keinem Typen mehr so richtig vertrauen können. Außerdem weiß ich nicht, ob ich je wieder mit jemandem schlafen will. Ich bin auch nur ein Mann, natürlich werde ich manchmal geil und kriege 'nen Steifen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich bereit für Sex wäre. Mit so einer Intimität kann ich noch nicht umgehen, dafür hat Henry gesorgt.
Wer würde je mit mir zusammen sein wollen? Mit einem komischen Jungen, der Gedichte schreibt, Latein mag, eine Ratte dressiert und keinen Sex will.

In diesem Moment fühle ich mich so wertlos, klein und alleine.

Ich schleppe mich zurück in mein Bett, während die ersten Tränen kommen. Ich hasse mich dafür, dass ich so oft weine und ich hasse mich dafür, dass ich so kaputt bin. Immer wenn ich denke, es geht mir besser, stürze ich wieder in ein Loch. All meine Angst, mein Hass und meine Schwäche fühlt sich an, wie riesiges Gepäck auf viel zu schmächtigen Schultern. Ich fürchte mich davor, zu fallen, weil ich Angst habe, nie wieder hochzukommen. Gleichzeitig ist da diese brennende Wut auf Henry. Weil er mich zerstört hat. Und Wut auch mich, weil ich ihn nicht vergessen kann.
Ich frage mich oft, ob er manchmal noch an mich denkt. Ob er weiß, was er angerichtet hat.
Meine Finger zittern, als ich zu Stift und Papier greife, um ein neues Gedicht zu schreiben.
Ich kann nicht erklären warum, aber es beruhigt mich so sehr.

I want you to know that you made me feel broken.
I want you to remember all the things you did to me.
I want you to think of the unvisible scars on my heart.
I want you to keep in mind that you nearly killed me.

Ob er auch nur ein einziges dieser Gedichte je zu Gesicht bekommen wird? Ich wage es zu bezweifeln, selbst wenn ich ihn noch mal treffen würde, würde ich mich wohl nicht trauen, ihn auch nur anzusehen.

Ich bin tief in meinen Gedanken und Selbstzweifeln gefangen, als es plötzlich an der Tür klingelt.
Verwirrt laufe ich mit geröteten Augen, laufender Nase und Augenringen zur Haustür. In Erwartung des Postboten öffne ich diese und stehe peinlich berührt Jasper gegenüber.

"Ähm... Hi?", frage ich mit heiserer Stimme.

"Patrick! Wie siehst du denn aus?", besorgt sieht er mich an.

"Falsche Frage! Die richtige Frage ist, was machst du hier? Du müsstest eigentlich in der Schule sein", stelle ich fest.

"Ich hab mir Sorgen gemacht, weil du nicht da warst...", er guckt auf den Boden, als wollte er meinem Blick ausweichen.

"Ja, ich bin krank. Aber warum hast du nicht einfach Lucy gefragt, wo ich bin?", auch wenn ich mich dagegen wehre, rührt mich die Tatsache, dass er für mich schwänzt.

"Oh! Ja, das hätte ich wohl machen können...", er lacht nervös.

"Wenn du eh hier bist, kannst du auch reinkommen...", sage ich und trete zur Seite, um ihm Platz zu machen.

Jasper guckt endlich vom Boden auf in mein Gesicht, lächelt und sagt: "Gerne!"


Hi:)
Es tut mir echt leid, dass so lange nichts kam! Zu meiner Verteidigung kann ich gar nichts sagen, ich hab ehrlich gesagt einfach zwischendurch voll lange vercheckt, dass ich wieder dran bin... :/
Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen;)
Eure c_in_medias_res <3

Call me whatever you want (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt