Patrick's P.O.V.
Ich will mich einfach nur noch übergeben. Nervös kaue ich auf meinen Fingernägeln herum, das hab ich ewig nicht mehr gemacht. Mit meinen Eltern zu reden, das fühlt sich für mich wie die ultimative Demütigung an. Sie lieben mich und werden mir helfen wollen, aber ich werde mich wertloser denn je fühlen. Es ist die finale Misshandlung, die Henry mir antut. Tief atme ich durch, um mich zu beruhigen. Es bringt nichts. Aber ich muss da durch, wenn ich jetzt nicht ausbreche, werde ich immer in dem Teufelskreis der Angst gefangen sein, mit Henry als meinen persönlichen Teufel. Langsam stehe ich von meinem Bett auf und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo meine Eltern sitzen, als es an der Tür klingelt. Froh eine Ausrede zu haben, das Gespräch noch ein paar Minuten verschieben zu können, öffne ich die Tür.
"Patty, wie schön dich zu sehen, auch wenn ich immer noch sehr verstimmt bin..."
Mir stockt der Atem. Da steht er einfach so da, er grinst. Er klingelt an meiner Tür und grinst mir breit ins Gesicht. Er kommt auf mich zu, beugt sich vor, haucht mir einen Kuss auf die Lippen.
"Hast du mich auch so vermisst? Ich finde, es fühlt sich jetzt schon fast so an wie früher, nicht wahr?"
"Geh!", mit einem Mal ist meine Stimme wieder da. Ich höre sie, aber ich realisiere nicht, dass ich überhaupt etwas gesagt habe.
"Wie bitte?", er lacht freudlos auf, "Patty, willst du mich noch wütender machen? Dein kleiner Fuckboy hat mich schon rasend gemacht, aber du-"
"GEH! Hau endlich ab und verpiss dich aus meinem Leben! Henry, ich hasse dich aus ganzem Herzen, mach endlich, dass du weg kommst oder ich schwöre dir, ich ruf die Polizei!", ich zittere, ob vor Zorn oder Angst kann ich nicht sagen. Henry sieht immer noch wunderschön aus, älter, aber schön. Sein makelloses Gesicht, die gerade Nase, alles Dinge, die ich in meiner Naivität mal abgöttisch geliebt habe. Aber der wahnsinnige Ausdruck der Wut in seinen Augen strafen seine Schönheit Lügen.
"Das wirst du noch bereuen!", knurrt er leise, dreht sich um und geht.
Schwer atmend schließe ich die Tür und schließe für einen Moment die Augen. Ich weiß nicht, was ich eigentlich denken sollte, doch das einzige, an das ich denken kann, ist, dass Jasper stolz auf mich wäre. Außerdem kann ich nicht fassen, dass Henry tatsächlich die Dreistigkeit besitzt, einfach so an meiner Haustür zu klingeln.
"Mum, Dad?", immer noch zittere ich, aber meine Stimme klingt ruhig und beherrscht.
"Patrick? Was ist los? Du siehst gar nicht gut aus...", besorgt sieht mein Dad mir ins Gesicht.
"Da hat er recht, Schatz!", schaltet sich Mum mit ein, "Erzählst du uns endlich, was los ist? Du kommst kaum noch aus deinem Zimmer und ich hab dich fast nichts essen sehen! War das wegen dem Streit mit Jasper?"
"Nein, Mum, das hatte nichts mit ihm zu tun. Aber ich... i-ich denke, ich muss euch trotzdem was erzählen."
Stockend beginne ich meinen Eltern alles zu erzählen, wirklich alles. Von Anfang bis Ende. Wie ich mit Henry zusammengekommen bin, wie er mir sagte, es sei besser, wenn sie ihn nicht kennenlernten, weil sie sagen würden, er sei zu alt für mich und auch wie ich mit ihm schlief. Irgendwann bricht meine Stimme, es ist zu viel für mich. Schniefend berichte ich auch, dass Henry mir die SMS geschickt hat und sogar just heute hier war. Meine Eltern schweigen die meiste Zeit, der Schock sitzt tief. Irgendwann beginnt meine Mum aus heiterem Himmel heftig an zu weinen: "Wieso... w-wieso ha-aben wir denn nichts ge-gemerkt?"
Langsam stehe ich auch und nehme sie in den Arm, bei mir fließen ebenfalls die Tränen, aber am meisten schockiert mich, dass auch mein Dad weint: "Mum, ihr könnt nichts dafür! Ich weiß, dass ich schon viel früher mit euch hätte reden müssen, aber ich konnte das einfach nicht, okay? Es ist falsch, aber ich hab mich geschämt und ich dachte, es würde ja doch nichts ändern. Passiert ist passiert, oder so..."
"Eine Sache verstehe ich noch nicht", murmelt Dad einige Minuten später, Mum schnieft zwar immer noch vor sich hin, aber wir haben uns beide wieder etwas beruhigt.
"Was denn?", frage ich mit belegter Stimme.
"Naja, sei mir nicht böse, aber ich verstehe nicht, wieso du dich jetzt traust, mit uns zu reden... War das Fass einfach voll? Oder hat das was mit Jasper zu tun?", mit gerunzelter Stirn mustert er mich.
"Das trifft wohl beides irgendwie zu... Jasper und ich sind jetzt zusammen und ich weiß nicht, was ich ohne ihn gemacht hätte..."
Das vom Weinen geschwollene Gesicht meiner Mum hellt sich ein wenig auf und auch Dad lächelt traurig.
"Das ist toll, Großer!", sagt Mum, dann fügt sie vorsichtig an, "Weiß er denn bescheid?"
Ich nicke zustimmend: "Seit er das erste Mal hier geschlafen hat..."
"Patrick, ich finde es sehr gut und auch beruhigend, dass du jetzt einen vernünftigen Freund hast, der dich unterstützt, aber wir müssen uns jetzt überlegen, was wir wegen diesem Bastard machen!", resolut setzt Dad sich auf.
Im Endeffekt gibt es nicht viel zu überlegen, meine Eltern und ich fahren also am darauffolgenden Tag zur Polizei und ich muss ein weiteres Mal erzählen, was mir passiert ist. Und dieses Mal auch noch völlig Fremden, was die ganze Angelegenheit nicht wirklich angenehmer für mich macht. Dennoch bin ich froh, diesen Weg gegangen zu sein. Mir ist klar, dass es schwer werden wird, Henry seine alten Verbrechen nachzuweisen, es gibt keine Beweise mehr, aber zumindest habe ich die SMS auf meinem Handy. Ich sitze lange mit zwei Polizisten in einem Raum, erzähle, beantworte Fragen. Als ich endlich wieder raus darf, sitzen meine Eltern noch immer da und warten auf mich. Der einzige Unterschied ist, dass Jasper mittlerweile ebenfalls angespannt daneben sitzt und erleichtert lächelt, als er mich sieht.
Hi:)
Erstmal tut's mir leid, dass es mal wieder etwas gedauert hat, war irgendwie schwer, das Kapitel so zu schreiben, dass ich wenigstens halbwegs zufrieden bin... ;)
Naja, ich hoffe mal, ihr hattet einen guten Start in die Woche! Wie immer gerne her mit Feedback!
Eure c_in_medias_res<3
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Call me whatever you want (boyxboy)
Teen FictionPatrick ist ein Außenseiter aus Überzeugung. Er hat eine schwere Vergangenheit und immernoch manchmal Panikattacken. Jasper ist alles andere als ein Außenseiter, er spielt im Baseballteam und jeder kennt ihn. Allerdings scheint niemand zu bemerken...