25 -Einmal in meinem Leben mutig-

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Patrick's P.O.V.

Ich öffne die Augen. Es ist Montag. Ich bin wach, obwohl mein Wecker noch nicht einmal geklingelt hat. Den gestrigen Tag habe ich damit verbracht, mich zu fragen, wie ich nur so ein Idiot werden konnte.
Ich habe zugelassen, dass Jasper mich küsst, obwohl mir klar war, dass das zwischen uns nicht funktionieren kann. Er hat gesagt, dass er vielleicht in mich verliebt ist, was nichts anderes bedeutet, als dass ich auch noch mit seinen Gefühlen gespielt habe. Als wenn das nicht genug wäre, wurde er unfreiwillig geoutet! Mittlerweile weiß vermutlich die ganze Schule, dass er mich, den komischen Außenseiter, geküsst hat. Und trotzdem sage ich ihm auch noch, ich würde mit ihm ausgehen!
Ich bin so egoistisch! Jasper würde an einer Beziehung mit mir kaputt gehen.

Da ich so gut wie gar nicht geschlafen habe, fühle ich mich, als hätte ein Bulldozer mich überrollt, aber ich bin es ja nicht anders gewohnt. Als mein Wecker nach einer Stunde voller Vorwürfe gegen mich selbst klingelt, stehe ich langsam auf. Mechanisch mache ich mich fertig und laufe ins Badezimmer. Erst als ich vor dem Spiegle stehe, um meinen Haaren etwas Form zu verpassen, realisiere ich, dass meine Finger heftig zittern.
Auf einmal wird mir bewusst, dass ich mich gestern in meinem Zimmer einsperren, mich einschließen und fertig machen konnte. Aber heute muss ich in die Schule. Ich werde Lucy sehen, die mich ununterbrochen fragen wird, wie es Samstag noch war und warum ich so müde bin. Ich werde mit ansehen müssen, wie sich alle das Maul über Jaspers Sexualität zerreißen und nicht zu letzt werde ich ihm unter die Augen treten müssen.

Meine Hände zittern stärker, mir treten Tränen in die Augen und das Einzige, was ich denke, ist: „Ich kann das nicht!“

Erst jetzt verstehe ich, was dieser eine Kuss alles ausgelöst hat, realisiere, dass ich damit nicht umgehen kann.

Ich bin mir zwar mittlerweile sehr sicher, Gefühle für Jasper zu hegen, aber ich schaffe das einfach nicht! Ich ziehe ihn nur zu mir in den Abgrund.

Am besten breche ich einfach komplett den Kontakt zu ihm ab… Es wird wehtun. Vielleicht wird er auch traurig darüber sein, aber der Schmerz wird nicht lange andauern und er kann mit jemand anderen glücklich werden. Jemandem, der ihm all das geben kann, zu dem ich nicht im Stande bin. Allein bei dem Gedanken zieht sich in mir alles schmerzhaft zusammen, aber ich weiß, dass das die einzig vernünftige Lösung ist. Der einzige Weg, ihm nicht mehr wehzutun, als es sein muss.

Ich nehme mein Handy, das neben dem Waschbecken liegt, und tippe eine SMS für ihn:

Hi, es tut mir leid, ich kann nicht mit dir ausgehen. Lass mich bitte in Ruhe, will nicht reden. Es liegt nicht an dir, Rick

Eine unglaubliche Leere erfüllt mich. Ohne zu Frühstücken weiche ich den besorgten Blicken meiner Eltern aus und mache mich auf den Weg zur Schule.
Dort angekommen, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich Lucys Fragen zu stellen. Aber ich bringe es nicht über mich, zu ihr zu gehen, denn ich sehe einen aufgebrachten Jasper neben ihr stehen und auf sie einreden. Sofort mache ich kehrt, aber offenbar hat sie mich gesehen. Jedenfalls holt sie mich eine halbe Minute später schweratmend ein: „Rick! Was ist los mit dir?“

„Nichts! Ich will nur nicht mit ihm reden!“, knurre ich, ohne meine beste Freundin auch nur anzusehen.

Sie hält mich an meinem Arm fest und dreht mich zu ihr: „Was ist passiert? Bitte, Rick! Sag mir doch, was los ist!“

Ich reiße mich los und rufe im Weggehen: „Nichts! Lass mich doch einfach in Ruhe!“

Zu meiner unfassbar großen Freude habe ich jetzt auch noch Mathe, zusammen mit Lucy, die ich gerade verdammt mies behandelt habe, und Jasper, mit dem ich nie wieder reden werde. Um mein Glück zu vervollständigen, hat Mr Parker mich und Jasper immer noch nicht wieder auseinander gesetzt.

Die bisher schlimmste Mathestunde meines Lebens hat gerade begonnen und ich bin kurz davor, in Tränen auszubrechen und raus zu rennen. Wie erwartet versucht Jasper die ganze Zeit mit mir zu reden und als Mr Parker ihn ermahnt, schiebt er pausenlos einen Zettel zu mir, den ich ebenso hartnäckig zurück schiebe. Nachdem über die Hälfte der Stunde vorbei ist und er immer noch keine Anstalten macht, mich in Frieden zu lassen, halte ich es nicht mehr aus.
Gereizt springe ich auf und schreie: „WAS AN 'LASS MICH IN RUHE' HAST DU NICHT VERSTANDEN?!“ Ich verlasse rennend den Raum, die fragenden Blicke von Lehrer und Mitschülern ignorierend. Weinend sitze ich auf dem Boden des Jungsklos, die Beine an den Körper angezogen.

Keine fünf Minuten nach meinem Ausbruch wird die Tür zögerlich aufgemacht.

„Ricky?“, fragt Lucy vorsichtig. Als sie mich erblickt, lässt sie sich sofort neben mir nieder und legt die Arme um mich. „Gott sei Dank, ich hab mir solche Sorgen gemacht“, flüstert sie.

„Es tut mir leid!“, gebe ich verheult zurück.

„Nicht schlimm…“

„Ich meinte, wie scheiße ich heute morgen zu dir war“, sage ich leise und wische mir energisch die Tränen aus dem Gesicht.

Sie lächelt traurig: „Ich weiß…“

Ich kann mal wieder nicht fassen, wie gut sie mich kennt. Nachdem ich noch mal tief durchgeatmet habe, beginne ich stockend zu erzählen, was passiert ist. Sie hört mir nur zu.

„Meine Güte, Patrick! Sicher, dass du nicht wenigstens mal mit Jasper reden willst? Er war völlig aufgelöst!“, fragt sie vorsichtig, doch ich schüttele entschieden den Kopf. Das würde alles nur noch schlimmer machen.

Den Rest des Tages lässt Jasper mich in Ruhe, auch wenn ich immer wieder seinen bohrenden Blick in meinem Rücken spüre.

Mein Plan hat anscheinend funktioniert und er hält sich jetzt von mir fern. Doch obwohl ich weiß, dass es richtig so ist, tut es mir so weh.

Als ich zu Hause bin, mache ich erst meine Hausaufgaben und würge ein paar Nudeln runter, weil ich heute noch nichts gegessen habe. Danach mache ich das Radio an und mache den Rattenkäfig sauber. Als im Radio 'Bring Me to Life' von Evanescene läuft, muss ich freudlos auflachen. Ironisch, dass ich solche Lieder immer auf mein eigenes Leben beziehe, obwohl mir doch klar ist, dass man mir nun mal nicht wirklich helfen kann.

Doch als sie singt: „Save me from the nothing I´ve become“, wird mir klar, dass auch ich nichts mehr bin. Und ich begreife zum ersten Mal, dass ich nicht ganz unschuldig daran bin, dass es auch nicht besser wird.

Denn Jasper hat es versucht. Er hat sich ehrlich Mühe gegeben, dass es mir besser geht, aber ich habe ihn abgeblockt. Weil ich mal wieder zu feige war!

Und in diesem Moment beschließe ich, dass es so nicht weiter gehen kann. Einmal in meinem Leben werde ich mutig sein!

Schon bin ich auf der Straße und renne zu Jaspers Haus, in der Hoffung, dass er mir mein Benehmen heute verzeiht, dass er immer noch auf ein Date mit mir geht…  

Hi:)
Irgendwie hab ich voll lange gebraucht, das Kapitel zu schreiben. Ich hab einfach dreimal komplett von vorne angefangen, weil ich nicht zufrieden war. Aber hey, das was jetzt steht, finde ich okay, also was soll's! :)
RemoraDark ich glaub es hackt, 'da sind sie doch noch aufeinander gefallen'!XD Bin mal gespannt, ob du zufrieden mit meiner Lösung bist und wie Jaspers Tag so war! :D
Bis bald, eure c_in_medias_res <3

Call me whatever you want (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt