Dreizehn

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Cynthia

"Und was wollen wir gegen Neferet unternehmen?" , fragte das Mädchen, von dem sie schon wieder den Namen vergessen hatte. Das ganze hier war so seltsam. Cynthia hatte früher nie etwas mit Vampyren zu tun gehabt, doch das Schicksal hatte sich auf einmal umentschieden. Dass sie gerade unter diesen Wesen saß, in einer Zeit in der die Schulleiterin sie alle umbringen wollte. War das nicht alles viel zu verrückt? Passte das in die Welt von Cynthia Velcor?

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubender Laut, so laut dass sie zusammen zuckte. Sie schaute sich um und war überrascht, dass keiner der anderen sich erschreckt zu haben schien. Eine Bewegung aus dem Augenwinkel machte Cynthia aufmerksam. Die Tür des Saales ging wie von selbst auf, eine leise bedrohliche Musik klang von draußen herein. Sie hatte die Melodie noch nie gehört, doch sie kam ihr so bekannt vor, als würde sie etwas mit dem Lied verbinden. Die Tür schloss sich wieder und nun war diese Melodie im Raum. Es war unerträglich, diese Musik. Sie gab Cynthia das Gefühl in eine Falle getappt zu sein, dass das Ende ihres Lebens nicht mehr lange auf sich warten ließ. "Es gibt nur eine Möglichkeit wie wir es schaffen können." , sprach Zoey und schaute in die Runde. "Warte!" , rief Cynthia. Alle blickten sie an und das dunkelhäutige Mädchen meinte: "Schau mal, wir wissen, dass dich das total überfordert und du das alles nicht wahrhaben willst. Wir wissen wie anstrengend das ist, wirklich. Aber das gerade ist echt wichtig!"

Cynthia schüttelte den Kopf und musste sich bemühen nicht einfach nachzugeben. "Nein, ihr... hier stimmt etwas nicht... hört ihr das denn nicht?" Verständnislos sah Erik sie an. "Was genau meinst du?" Die Melodie wurde langsam lauter und Cynthias Sicht verschwamm immer mehr. "Die Melodie." , flüsterte sie und krallte sich an dem nächst besten fest, was ihr zu fassen kam. Thanatos Arm. Ein kurzes "Entschuldigung..." glitt über Cynthias Lippen. Sie merkte wie ihre Sicht immer schmaler wurde, doch sie konnte sich nicht wehren. Dann war alles dunkel und noch immer spürte sie den Arm, an dem sie sich festhielt als ginge es um ihr Leben. Da waren immer noch die Stimmen und natürlich die Musik. Egal was geschah sie hörte dieses Stück, es wurde immer lauter und lauter. Cynthia wusste nicht was sie tun sollte. Mit aller Kraft zwang sie ihren Körper bei Bewusstsein zu halten, auch wenn die Musik ihr Schmerzen bereitete. Von weit weg nahm sie Zoeys Stimme war: "Cynthia, was für eine Melodie? Oh Göttin, was geschieht mit ihr?" Nach vielen Versuchen gelang es Cynthia sich einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. "Raus" , keuchte sie. Um sie herum war nur Schwärze, sodass sie noch nicht einmal wusste ob ihre Augen offen oder geschlossen waren. "Ich muss hier raus und ihr auch. Es ist nicht sicher hier." ,  brachte sie noch heraus, bevor ihr Körper endgültig entschied, dass er es nicht mehr ertragen konnte.

Zoey

Das rothaarige Mädchen stand (falls man das so nennen konnte, denn sie wirkte eher so als wäre ihr Körper schon schlaff auf dem Boden und nur noch unsichtbare Fänden hielten sie oben) mit weit aufgerissenen Augen da, obwohl sie mich nicht zu sehen schien. Doch dann verdrehten sich ihre Augen und sie schien komplett das Bewusstsein zu verlieren. Kalona reagierte als erster. Er legte ihren Arm um seinen Nacken und trug oder schleifte sie mehr oder weniger nach draußen. Ich verstand das nicht, was hatte Cynthia gemeint? Die einzige Erklärung war, dass sie eine Gabe von Nyx bekommen hatte. Nachdem auch Thanatos, Shaylin und Erik Kalona hinaus gefolgt waren, begab ich mich ebenfalls dort hin. Damien und Stevie Rae liefen neben mir den Gang entlang, bis zum Ausgang. "Cynthia hat gesagt, wir wären drinnen nicht sicher. Denkt ihr Neferet hat uns aufgelauert oder wollte uns überfallen?" , fragte ich nachdenklich, eher an mich gerichtet. "Möglich wäre es." , überlegte Damien. "Sie lebt ja wieder und ich kenne niemand anderen der für uns eine so große Gefahr darstellt wie sie. Natürlich ist da noch der weiße Stier, aber ich glaub nicht, dass er hier in der Öffentlichkeit ist. Oder doch?" Wir waren auf der Eingangstreppe angekommen, wo die Anderen sich niedergelassen hatten. Es bildete sich ein Kreis um Cynthia, die immer noch nicht wieder erwacht war. "Zoey, kannst du ihr helfen? Wir brauchen sie jetzt, sie hat irgendetwas wichtiges bemerkt." Thanatos sah mich ruhig an und ich kniete mich neben die Bewusstlose. "Ich werd mein bestes versuchen. Wasser, bitte, komm zu mir!" Eine salzige Brise durchfuhr meine Haare, was mich zum Lächeln brachte. Das Gefühl, als würde der Boden sanft schaukeln beruhigte mich und gab mir halt. "Ich bitte dich, geh zu Cynthia und wecke sie auf." Das Gefühl des Wasser verschwand und alle warteten gespannt. Langsam zuckten die Augenlider des Mädchens, immer heftiger, bis sie schließlich ganz die Augen aufschlug. Sie fuhr hoch und fragte: "Was ist los, warum starrt ihr mich denn alle so an?" Statt einer Antwort hauchte ich: "Danke Wasser für deine Frische, deine Geborgenheit und Hilfe." Cynthia sah mich verwundert an. "Wow!" , flüsterte sie. Dann sah sie sich suchend um, so als wüsste sie dass da etwas war, aber nicht so recht was und wo. "Es ist immer noch da, ihr müsst es irgendwie vertreiben. Hier können wir nicht sicher reden." - "Sorry, aber wovon redest du?" , schaltete sich Erik ein, doch sie hielt sich den Zeigefinger auf die Lippen. "Was tut ihr wenn etwas böses euch belauscht?" , flüsterte sie mir zu. Es wirkte als unterdrückte sie etwas, denn sie verzog immer mal wieder das Gesicht schmerzhaft. "Aphrodite," , versuchte ich in einem neutralen Tonfall zu sagen. "Hm?" Nun sah auch ich mich unauffällig (wie ich hoffte) um, es konnte nur Neferet sein die uns belauschte. Denn nur weil wir sie nicht bemerkt hatten hieß das nicht, dass sie nicht da war. "Hast du nicht immer ein paar Kräuter in deiner Handtasche?" , fragte ich so leise es ging. Sie sah mir lange in die Augen, mit denen sie anscheinend fragen wollte: ,Was zum Teufel ist eigentlich los?' Ich ignorierte diese Frage und erklärte: "Ein bisschen Basilikum und Holunder könnten jetzt nicht schaden. Am besten auch noch etwas Lorbeer." Ich wusste natürlich wie durchschaubar das war. Wenn Neferet das gehört hatte, wusste sie genau was das bedeutete: Basilikum vertrieb negative Energien und Geister, Holunder hielt böses fern und Lorbeer half zum besiegen der Feinde. Aphrodite wusste das aber ebenfalls und verstand was ich tun wollte. Doch so oder so, jetzt wusste sie dass wir wussten dass sie da war. Ich hoffte dass sie nicht... Mist! Aus einem Schatten trat die Frau die ich so hasste. Ihre roten Haare wehten voll hinter ihren Schultern und ihre grünen Augen leuchteten hell auf. Sie sah wahrhaft wahnsinnig aus. Cynthia fing an zu schreien und presste sich die Hände auf die Ohren. "Shaunee!" , brüllte ich, riss Aphrodite die Kräuter aus der Hand und hielt sie hoch. Sofort fingen sie Feuer und ich hatte nur noch eine gelbe Flamme zwischen den Finger. Thanatos hatte sich aufgerichtet und stellte sich vor uns alle, doch Kalona stand augenblicklich zwischen Neferet und ihr. Diese lachte auf und grinste mich widerlich an. Da flüsterte Damien etwas, was ich nicht verstehen konnte, weil Cynthia immer noch wie am Spieß schrie. Shaylin war kreidebleich geworden und musterte unsere Gegnerin. Ein Windstoß blies den Rauch der drei Kräuter zu Neferet, welche daraufhin stehen blieb. Funken fingen sich in ihrem Kleid und ihr grausames Lächeln verblasste. Als ihre Kleidung in Flammen aufging stolperte sie zurück und starrte mich wütend an. Ich konnte den Blick nicht von ihren Augen lösen, bis sie sich umdrehte und um eine Straßenecke verschwand. Ich war noch völlig fertig, als Thanatos schon meinte: "So, jetzt werden wir erstmal darüber reden, was so eben passiert ist." Cynthia richtete sich auf und sagte: "Das war sie, die Melodie. Neferet war die Melodie. Ich habe sie nicht sofort erkannt, aber ich habe sie schon im Fernsehen gesehen. Als ich vorhin die Musik gehört habe, wusste ich nicht dass sie es ist. Ich wusste nur, dass etwas bedrohliches da war." Aus dem Gebäude kamen fünf Polizisten, angelockt von Cynthias Schreien. Als sie mich sahen fluchten sie und joggten auf mich zu. "Was ist hier vorgefallen?" , erkundigte sich ein durchtrainierter Mann mit einer Glatze. "Nichts weiter." , erzählte Erik und lächelte ihn an. "Meine Freundin wurde plötzlich ohnmächtig und wir mussten sie an die frische Luft bringen. Als sie wieder aufgewacht ist und aufstehen wollte ist sie leider umgeknickt." Fürsorglich hob er das rothaarige Mädchen an und stützte sie. "Gut." , sagte ein anderer Polizist und drehte sich zu mir um. "Sie müssen jetzt gehen, wir fahren sie in die Klinik." Nein. Alles in mir sträubte sich dagegen. Ich wollte nicht in eine Psychiatrie in der vielleicht Leute waren, die ständig verrücktes Zeug redeten oder Wahnvorstellungen hatten. Bevor ich mit den fünf Männern mitging, hörte ich noch Thanatos ernste Stimme. "Das schlechte ist; eine unserer Hohepriesterinnen und die mächtigste Vampyrin überhaupt, ist nun für vier Wochen nicht im House of night und Neferet wird wieder kommen. Das gute ist; ich glaube Nyx hat Cynthia mit einer Musikaffinität beschenkt."

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