Kalona
Ein Unsterblicher schlief nicht oft. Kalona fand diese Angewohnheit der Sterblichen sehr lästig und bevorzugte es sich anderweitig zu beschäftigen. So lief er auf dem Schulgelände umher, da er grade nichts zu tun hatte. Sylvia Redbird würde in einer halben Stunde eintreffen, doch bis da hin war noch Zeit. Die Schüler waren alle in den Unterricht gegangen und nur noch Aurox war außer ihm draußen.
Es ärgerte Kalona, dass die Tsi Sgili dort draußen frei herum lief, wieder musste er an seinen Bruder denken. Wie er ihm vor einer Weile vorgeworfen hatte er wäre Schuld an dieser Kreatur. Wütend kickte Kalona einen Stein über den Boden. Er wollte nicht dass Erebos sich hier einmischte, es hatte nichts mit ihm zu tun, gar nichts. Aber Nyx' Hilfe wäre nützlich, sie könnte die Dinge hier ändern. Es war ein Moment der Not. Neferet lief dort draußen rum und tötete wie sie wollte und er konnte nichts dagegen tun. Normalerweise hätte er auch gar nichts dagegen tun wollen, doch jetzt steckte er selbst hier fest. Durch sein Gelübde an die Schule hatte er sich verpflichtet.
Da war noch etwas anderes, etwas das er sich selber nicht eingestehen wollte. Er verspürte Mitleid. Nicht so, dass er für einen einzigen Jungvampyr durch den Tartaros gehen würde, aber er mochte niemanden mehr sterben lassen, zumindest keinen von denen, die sich für das Licht entschieden hatten. Er spürte das Bedürfnis zu helfen. Das war eine ganz neue Erfahrungen für ihn und er war ein wenig überrascht wie gut es sich anfühlte. Er schritt geistesgegenwärtig auf den Nyxtempel zu, machte vor der Tür halt und bemerkte erst da, wohin seine Gedanken ihn geführt hatten. Zögernd setzte er eine Hand an den Knauf. Lohnte es sich hinein zu gehen? Oder würde er dort nur wieder mit seinem Bruder streiten dürfen?
Sanft drückte er die Tür auf. Drinnen im Tempel war es dunkel und kalt, aber eine angenehme Kälte. Kalona wagte einen Schritt hinein. Er versuchte sich das Gesicht der Göttin in Erinnerung zu rufen. Es war so seltsam;
Jahrelang hatte er versucht diese Erinnerungen an sie zu verdrängen. Er hatte sie vergraben in seinem innersten. Doch nun schossen sie aus der Erde wie gutes Korn. "Nyx." Seine Stimme klang anders, weich und rau vor Sehnsucht. "Ich schwöre dir, ich werde alles versuchen um deine Kinder zu beschützen und Neferet den Gar aus zu machen!" Er zog sich eine Feder aus dem rechten Flügel und legte sie zu Füßen der wunderschönen Statue. "Dies soll mein Beweis sein. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, und nicht ruhen bevor die Tsi Sgili ausgelöscht ist!"
Da geschah etwas eigenartiges. Ein sanftes Leuchten, so silbern wie der Mond und so golden wie die Sterne selbst, breitete sich im Tempel aus. Es war nur eine kleine Veränderung in der Luft und doch unbegreiflich schön. Die Nyxstatue fing an zu lächeln, geschmeidig hob sie einen Arm und hielt ihm ihre Hand hin. "Ich danke dir, Krieger." , vernahm er die Stimme seiner Göttin. Perplex und unfähig etwas zu sagen, nahm Kalona die Hand in seine. Sobald er sie berührt hatte umgab ihn grünes Gras, dunkelgrüne Tannen und herrlich klare Luft. Doch das alles nahm er kaum wahr, denn vor ihm stand die schönste Frau, die er in seinem langen Leben gesehen hatte. Nyx. "Hiermit erlaube ich deinem Körper, sowie deinem Geist wieder die Anderswelt zu betreten. Denn ich weiß, dass du dich für das Licht entschieden hast, auch wenn dich die Finsternis in die Irre geführt hatte, mein Krieger." Er kniete vor ihr nieder. Das alles fühlte sich so wunderbar an, dass er es kaum glauben konnte.
"Nie wieder, meine Göttin, nie wieder werde ich mich der finsteren Verlockung hingeben." , sagte er feierlich und noch nie hatte er etwas so ernst gemeint. Er wollte sie nicht wieder verlieren. Er wollte all das gut machen, was er Unrechtes getan hatte.
"Dann sei mir willkommen!" , rief sie. "Und deinem Bruder ebenfalls." Wie aufs Stichwort trat Erebos aus dem Wald hervor.
"Sei mir willkommen Bruder, ich hoffe du hast deine Eifersucht nun endlich überwunden." , grinste er und umarmte Kalona. "Es tut mir leid." Die Worte schlüpfen Kalona über die Lippen ehe er sie zurück halten konnte. Aber... eigentlich wollte er sie auch gar nicht zurück halten. Erebos winkte ab und meinte: "Es war nicht alleine dein Fehler. Auch ich habe nicht alles richtig gemacht, so dass du schließlich meine Söhne anführen musstest." Die beiden lächelten sich an.
Nyx' Gewand raschelte leise, als sie jedem Geflügelten eine Hand auf die Schulter legte. Besorgt sah sie die zwei an. "Es ist nicht recht, dass Neferet dort ihr Unwesen treibt und Unschuldige an die Finsternis opfert. Ich sorge mich um meine Kinder, doch darf ich nicht eingreifen." Die Worte hingen nicht lange in der Luft, denn Kalona erhob die Stimme. "Göttin, ich weiß was dort unten vor sich geht. Zwar darfst du deinen Kindern nicht helfen indem du ihnen den freien Willen nimmst, doch wir können ihnen helfen." Nachdenklich schaute Nyx in die Ferne. "Die Finsternis wird auch in die Anderswelt eindringen und wenn ich meine Kraft dafür verwende mich zu verteidigen, wie soll ich dann der Erde helfen? Würdest du mich wirklich noch einmal verlassen wollen, Kalona?" Er sah zu Boden, dann hob er den Blick und sah sie direkt an. "So sehr ich dich liebe, und du weißt dass ich dich mehr liebe als alles andere in dieser und in allen Welten, muss ich doch diese unschuldigen Menschen und Vampyre retten damit du glücklich bist. Damit wir glücklich sein können. Ich muss das tun, auch wenn es heißt, dich erneut verlassen zu müssen." Er legte die Faust aufs Herz und verbeugte sich leicht vor Nyx. Sie lächelte ihn liebevoll an, als er sich wieder erhob. Erebos trat neben Kalona und nickte ihm leicht zu, dann wandte er sich an die Göttin.
"Ich werde mit ihm gehen. Nie hat mir etwas mehr bedeutet als du, wir wurden nur für dich geschaffen. Aber du weißt, wie sehr diese Welt uns braucht." Nyx fiel den beiden um den Hals und sprach mit klarer Stimme: "Ich danke euch, ihr habt erneut meinen Segen. Und nun geht und bringt das Gleichgewicht wieder in Ordnung!"
Mit einem Mal war Kalona wieder im Nyxtempel. Es hätte ein Traum gewesen sein können, würde da nicht sein Bruder neben ihm stehen und unternehmungslustig grinsen.
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House of night Verlassen
FanficZoey sitzt im Gefängnis und Neferet hat sich endgültig dafür entschieden Krieg gegen die Menschen zu führen. Da sie unsterblich ist, wird es schwierig für Zoeys Freunde, sie zu besiegen. Können sie das überhaupt noch schaffen oder ist Neferet zu st...