Vierunddreißig

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Zoey

Wie stellt man sich das Etwas nach dem Tod vor? Die Hölle oder Himmel? In der Unterwelt gefangen? Das Jenseits, dass leeres Nichts? Aber in Wirklichkeit war es ganz anders, das wusste ich.
Die Anderswelt hatte nichts mit dem Tartaros gemeinsam. Sie war ein heiliger Ort, ein Ort des Friedens. Als ich das letzte mal hier gewesen war, hatte ich davon nicht viel mitbekommen, da meine Seele damals in mehreren Stücken durch die Gegend gegeistert war. Keine angenehme Erfahrung, das kann ich euch versichern.

Aber diesmal war es anders. Diesmal nahm ich die Magie war, die an jedem Baum, an jedem Grashalm zu haften schien. Vor mir erstreckte sich der riesige Hain, durch den ich schon einmal gewandert war, rastlos.
Jetzt betrat ich ihn lächelnd, strich über die Nadeln einer Kiefer und lachte als sich ein Falter daraus erhob und gen Himmel stob. Die Sonne schien hell und es fühlte sich seltsam an, bei ihrem Anblick keine Schmerzen zu verspüren. Aber das war die Anderswelt und ich war mir sicher, dass mir hier nichts etwas anhaben könnte. Nie mehr. Ich fühlte mich so frei. Als wäre mir eine riesige Last von den Schultern genommen. Es war so befreiend, der... Tod. Aber war es denn schlimm, dass ich gestorben war? Ich hatte so viele Menschen gerettet. Aber es gab noch so viel zu tun, so viele Menschen. Könnten meine Freunde das alleine schaffen? "Göttin?" , rief ich unsicher. "Ich hab angst." Es war absurd so etwas an dem friedlichsten Ort den ich je gesehen hatte auszusprechen. Eigentlich hätte ich am liebsten gelacht und wäre durch den Hain gestreift. Doch meine Freunde... und da war noch etwas, etwas mächtiges, böses, was da draußen wartete... aber ich konnte mich nicht mehr erinnern. Da war Stark, der mir das letzte mal bis in die Anderswelt gefolgt war um mich zurückzuholen. Würde er das diesmal auch machen?

Dies war nicht deine Entscheidung, hier her zu kommen. , hörte ich die Stimme der Göttin. Sie schien von überall herzuklingen und gleichzeitig nur in meinem Kopf zu existieren. Du wurdest auf grausame Weise als eine Botschaft des Bösen in die Anderswelt geschickt.

"Aber wie? Ich... ich verstehe das nicht, ich kann mich nicht ganz erinnern." Ich versuchte mit aller Kraft mich zu erinnern.
Ich werde dir zeigen, was zu diesem Zeitpunkt in Tulsa, in deiner Schule passiert.
Ein Tropfen viel von einem Zweig, und wo er zu Boden fiel, bildete sich eine Pfütze, die immer größer wurde. Als sie etwa einen Meter Umfang hatte, konnte ich meine Freunde erkennen. Und was ich sah erschreckte mich und machte mich entschlossen. Ich würde ihnen helfen. Irgendwie. Irgendwann...

Stevie Rae

Zwei Sekunden. Genau solange hatte sie es geschafft zu lachen und Z zu vergessen. Sie fühlte sich als hätte ihr jemand die gesamte Welt auf die Schulter geladen und im Anbetracht der Tatsachen, war das ja gar nicht mal so falsch... Neferet hatte ihre größte Feindin, Stevie Raes beste Freundin, die mächtigste Hohepriesterin die es je gab, umgebracht. Da Zoey auch das Mädchen war, was Nyx am meisten liebte, fühlte die Rote sich nicht nur von ihrer Freundin sondern auch von der Göttin alleine gelassen. Natürlich war Nyx bei ihr, aber ihre Anwesenheit war nicht so klar zu spüren wie mit Z. Zoey war immer ein strahlendes Licht gewesen, so voller Hoffnung. Stevie Rae konnte es sich nicht vorstellen ohne sie zu leben.
Falls sie überhaupt noch lange leben würde.
"Hey, ich hol dir noch was zu trinken." , sagte Rephaim und streichelte besorgt ihren Arm. Dann stand er auf und verließ den Tisch mit leisen, aber schnellen Schritten. Einen Moment starrte Stevie Rae einfach ins Leere und dachte an die Kekse, die ihre Mommy immer gebacken hatte wenn es ihr schlecht ging. Die waren immer unglaublich lecker gewesen und hatten ihr bei jeder Gelegenheit ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. "Z würde weiterkämpfen" , murmelte sie. "Z hätte den Mut, also kann ich dem Ding da draußen auch die Zunge rausstrecken und meine Sache durchziehen." Da fing ihr Handy an zu quäken, ein kurzes "Hey Mädel, hast 'ne Nachricht bekommen", was sie vor Ewigkeiten mal eingestellt hatte.
Eine Nachricht von Thanatos auf WhatsApp. Ja, obwohl grade so ziemlich die Welt unterging hatte Stevie Rae WhatsApp, ebenso wie die meisten Bewohner des House of night. Thanatos hatte es als eine unausgesprochene Pflicht für alle Ratsmitglieder vorgeschrieben. Wer hätte das gedacht!
In der Gruppe des Rates wurde eine neue Nachricht angezeigt

Der Rat möge sich so bald wie möglich im Ratssaal einfinden.

Stevie Rae runzelte die Stirn. Wenn es etwas so dringendes gab konnte es nichts Gutes sein...
Rephaim ließ sich wieder neben ihr nieder und war überrascht als Stevie Rae abrupt aufstand. "Danke für das Blut, das muss ich wohl auf dem Weg trinken." Sie lächelte ihn entschuldigt an. "Thanatos hat ihre Spezialeinheit gerufen um über die nächsten Pläne zu reden und da gehör ich leider dazu." Nach einem Blick auf ihr Handy nickte es und die beiden gingen zum Ausgang des Speisesaals. Wie immer bemerkte Rephaim, dass Stevie Rae nervös war.
"Mach dich nicht verrückt. Wenn es etwas mega dringendes nach dem Motto Wirwerdengleichallesterben,-sprechteuerletztesgebet wäre hätte Thanatos sich nicht die Mühe gemacht einen ganzen Satz zu schreiben."
Sie kaute missmutig auf ihrer Lippe herum. "Ja, wahrscheinlich hast du recht. Aber... was wenn was schlimmes passiert ist?" Die Bezeichnung 'wenn noch jemand gestorben ist' hing in der Luft, aber keiner wagte sich es auszusprechen. "Dann hast du danach immer noch genug Zeit dir Sorgen zu machen und alles nötige zu tun."
Sie liefen zum Saal, in dem sich bereits fast alle der Runde befanden.

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