Wir setzten uns wieder an dieselben Plätze wie beim Essen, jedoch kam es mir jetzt unangebracht vor, direkt an Rens Seite zu sitzen. Ich hatte das Gefühl, dieser Platz gebührte Vic. Da mich allerdings niemand verscheuchte, blieb ich sitzen. Was spielte es in so einer kleinen Runde überhaupt für eine Rolle?
»Jetzt, da wir alle gesättigt sind, können wir endlich auf die wichtigen Dinge zu sprechen kommen«, sagte Ren.
Ich ließ meinen Blick durch die Runde streifen. Die anderen drei sahen ihn alle gespannt an, weswegen ich es ihnen schnell gleichtat. Ich wollte um keinen Preis etwas verpassen, weil ich in meinen eigenen Gedanken festhing.
»Ich bin im letzten Monat durchs gesamte Land gereist, um Informationen über einen bestimmten Mann zu sammeln. Er hat sich nicht nur in Adelskreisen einen gewissen Ruf erworben, sondern ist auch der breiten Bevölkerung nicht unbekannt. Sogar in den Herzogtümern an der Grenze kennt man die ein oder andere Geschichte über den skrupellosen Geschäftsmann, der direkt unter der Nase des Königs mit Menschen handelt, mordet oder – auch wenn ich dies für unwahrscheinlich halte – schwarze Magie ausübt.«
Ich hatte Ren bis jetzt als unnachgiebigen Händler kennengelernt sowie als jemanden, der einem die Worte im Mund umdrehte. Letzteres nutzte er jetzt, um in die Rolle eines Geschichtenerzählers zu schlüpfen. Seine Ausführung hatte nichts Geschäftsmännisches an sich, sondern diente dazu, um abseits von Fakten Eindruck zu schinden. Ich konnte ihm nicht einmal übelnehmen, dass er den König, meinen eigenen Vater, in dieser Geschichte als so fehlbar darstellte, denn es kam der Erzählung zugute.
»Was auch immer die Tätigkeiten sein mögen, mit denen dieser Mann sein Geld verdient, es steht außer Frage, dass er ein Vermögen angehäuft hat und es ist nur gerecht, dass er es wieder verliert. Der Name dieses Mannes lautet übrigens Graf Dag.« Ren verstummte und lehnte sich lächelnd zurück, offensichtlich unsere Reaktionen genießend.
Natürlich hatte ich diesen Namen schon viele Male gehört. Dag war ein Adelsmann, dessen Residenz unweit von Silberburg lag. Er besaß zwei Silberminen, die nicht wenig Ertrag lieferten, doch das war nicht alles, was er tat, um sich zu bereichern. Ren hatte die Anschuldigungen genannt, die gegen den Grafen im Raum standen. Trotz redlicher Bemühungen konnte ihm jedoch kein Vergehen nachgewiesen werden, nicht was sein Geschäft anging und ebenso wenig brutalere Aktivitäten. Seine Bücher waren sauber und Leichen in seinem Keller waren weder wortwörtlich noch metaphorisch aufgefunden worden. Wer seine kriminellen Aktivitäten so gut verschleierte, musste auch sein Vermögen so gut schützen wie den Staatsschatz.
»In welche Bank müssen wir einbrechen, um an Dags Geld zu kommen?«, fragte Vic.
»In keine. Genau das ist der springende Punkt. Natürlich hat Dag einen Teil seines Vermögens bei Finanzinstitutionen hinterlegt, aber dabei kann es sich nur um einen Bruchteil dessen handeln, was er eigentlich verdient. Ich hatte letzte Woche eine Unterhaltung mit einem Bankier, der mir dies bestätigt hat – zumindest indirekt. Betrachtet man die Anzahl an Festen, die Dag veranstaltet, ist er der reichste Mann, der den Dienst einer Bank in Anspruch nimmt, jedoch liegt der Höchstbetrag einer Privatperson, über den eben jene Bank verfügt, weit unter dem, was Dag besitzen muss. Er bewahrt seinen Schatz privat auf.«
»Weißt du schon, wo?«, fragte Vic.
Ren schüttelte den Kopf. »Leider nein, sonst wäre ich wahrscheinlich schon viel früher zurückgekommen und wir würden jetzt in den letzten Zügen der Planung stecken.«
»Irgendwelche Anhaltspunkte?«, horchte Vic weiter nach.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Großteil seines Vermögens an ein und demselben Ort aufbewahrt, was einen riesigen Vorteil für uns darstellt. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass sich dieser Ort in der Nähe von Silberburg und somit in unmittelbarer Reichweite zu Dag selbst befindet. Er reist nicht gern, lässt andere die Arbeit außerhalb für ihn erledigen. Jedoch geht er dabei sicher, dass nichts seinem Griff entgleitet. Beim Versuch in Königshaven bei einer seiner vermeintlichen Crews anzuheuern wurde ich abgewiesen. Ich solle mich an einen Herrn wenden, der zufälligerweise in Silberburg logiert.«
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Von einer Prinzessin, die auszog, um Heldin zu werden
FantasyUm nicht länger im Schatten ihres großen Bruders, Brecher des Dornröschenfluchs, zu stehen, ergreift Prinzessin Arianna die Flucht. Ihr Ziel: ein eigenes Abenteuer zu erleben. Da trifft es sich gut, dass sie in einer Spelunke auf Ren trifft. Der sel...